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Der Taliban-Funktionär Khalifa Sirajuddin Haqqani auf einer Parade im Jahr 2022.

© Imago/Xinhua/Saifurahman Safi

„Tod den Europäern, Tod den Westlern“: Zweiter Jahrestag der Taliban-Machtübernahme in Afghanistan

Die Taliban feierten am Dienstag in Kabul mit Konvois, Waffen und Flaggen. Da viele Afghanen unter ihrer Herrschaft leiden, fordern Politiker Kooperationen bei humanitären Themen.

Die radikal-islamischen Taliban haben am Dienstag den zweiten Jahrestag ihrer Machtübernahme in Afghanistan gefeiert. Flaggen des „Islamischen Emirats Afghanistan“ - wie das Land von seinen Herrschern genannt wird - wehten an Sicherheitskontrollpunkten in der gesamten Hauptstadt Kabul.

Durch die Straßen Kabuls fuhren Konvois von Taliban-Mitgliedern und Anhänger der Regierung versammelten sich auf dem Massud-Platz in der Nähe des verlassenen US-Botschaftsgebäudes, wie AFP-Journalisten berichteten.

Einige der Männer trugen Waffen, andere machten lächelnd Selfies, Kinder verkauften weiße Flaggen mit der Aufschrift des islamischen Glaubensbekenntnisses. Die Taliban hatten den Jahrestag der Machtübernahme zu einem Feiertag erklärt.

In Herat im Westen Afghanistans skandierten Taliban-Anhänger: „Tod den Europäern, Tod den Westlern, es lebe das Islamische Emirat Afghanistan, Tod den Amerikanern.“

Im Sommer 2021 waren die internationalen Truppen nach fast 20 Jahren aus Afghanistan abgezogen. Nach einem raschen Vormarsch im ganzen Land übernahmen die Taliban am 15. August wieder die Herrschaft und riefen ein „Islamisches Emirat“ aus. Seit dem Sturz der afghanischen Regierung haben die Taliban mit drakonischen Gesetzen ihre strenge Auslegung des Islam durchgesetzt und insbesondere Frauenrechte massiv beschnitten.

„Die Eroberung Kabuls hat einmal mehr bewiesen, dass niemand die stolze Nation Afghanistan kontrollieren kann“, teilten die Taliban-Behörden am Dienstag mit Blick auf den Jahrestag mit. Die Machtübernahme habe „den Weg für die Errichtung des islamischen Systems in Afghanistan ebnen“ können.

Während manche Afghanen die verbesserte Sicherheitssituation in Afghanistan und die Herrschaft der Taliban feiern, ist für andere der 15. August ein düsterer Tag - viele leiden unter der schlechten Wirtschaftslage und dem Ausbleiben ausländischer humanitärer Hilfe.

Der Landwirt Rahatullah Azizi sagte AFP, dass er früher seinen Lebensunterhalt mit seiner Ernte verdienen konnte, jetzt aber „gerade noch genug zu essen“ habe. Immerhin könne er nun unbesorgt reisen, ohne Angst vor Überfällen.

Das können Frauen unter den Taliban nicht, zumindest nicht ohne männlichen Vormund. Auch der Zugang zu Bildung und Berufen wurde ihnen nach und nach verwehrt. Vor dem Jahrestag hielt eine Handvoll Frauen eine kleine Demonstration ab, viele Gesichter waren verhüllt. „Alle Mädchen und Frauen Afghanistans wollen ihre Freiheit zurück“, sagte die ehemalige Studentin Hamasah Bawa vor dem Jahrestag.

Dennoch gibt es Stimmen, die den Kontakt nicht abreißen lassen wollen

Derweil hat in Deutschland der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sich für die Aufnahme von Kontakten zu dem international nicht anerkannten Regime ausgesprochen, um den Menschen in dem Land zu helfen. „Wenn man keine Kontakte hat, dann hat man keinerlei Einfluss“, sagte Stegner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Deutschland schulde es den Afghaninnen und Afghanen, „dass wir sie nicht ignorieren“.

„Wir dürfen das Land nicht sich selbst überlassen, weil wir woanders hinschauen“, betonte der Vorsitzende des Afghanistan-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Zwar wäre es natürlich nicht vertretbar, einfach Botschafter auszutauschen, „aber unterhalb dessen gibt es andere Ebenen“.

Letztlich müsse Außenpolitik zwar immer wertegeleitet sein, „doch wenn man etwas erreichen will in einer Welt, die nicht nur aus Island und Norwegen besteht, dann muss man auch mit Regierungen reden, die einem sehr unsympathisch sind“, sagte Stegner weiter.

Zuvor hatte auch die Asien-Regionaldirektorin der Welthungerhilfe, Elke Gottschalk, dem RND gesagt: „Für die notleidende Bevölkerung kann nur zusammen mit den Taliban etwas erreicht werden, nicht gegen sie.“ (AFP)

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