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Wird das vor allem in Österreich beliebte Bargeld irgendwann verschwinden?

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Getty/ Israel Sebastian

Streit um das Recht auf Cash: Gibt es bald kein Bargeld mehr?

Österreichs Kanzler Karl Nehammer fordert, das Recht auf Barzahlung in der Verfassung zu verankern. Wie sinnvoll diese Initiative ist und ob uns eine Zukunft ohne Bargeld droht, analysieren drei Fachleute.

Nur Bares ist Wahres. In kaum einem europäischen Land gilt diese Binse mehr als in Österreich. Laut der EZB wird nur in Malta mehr Bargeld genutzt als in der Alpenrepublik. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) möchte bei den Wählerinnen und Wählern daher mit einem neuen Vorstoß punkten: Das Recht auf Barzahlung soll in der österreichischen Verfassung verankert werden.

Doch droht uns wirklich eine Zukunft ohne Bargeld? Braucht es die österreichische Initiative überhaupt im Euroraum? Drei Fachleute erklären die Lage. Alle Folgen „3 auf 1“ können Sie hier nachlesen.


Die EU-Verträge stellen sicher, dass wir auch weiterhin mit Bargeld bezahlen können

Der Euro ist die gemeinsame Währung von heute 20 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und unterliegt gemeinsamen Regeln. Euro-Banknoten sind gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU „gesetzliches Zahlungsmittel“, für Euro-Münzen regelt dies eine Verordnung. Euro-Bargeld muss also grundsätzlich überall im Euroraum zur Zahlung angenommen werden. 

Im Alltag wird jedoch immer mehr auch per Karte, App oder Überweisung gezahlt. Deshalb arbeitet die EU an einem digitalen Euro. Dieser wird das Euro-Bargeld aber nur ergänzen und nicht ersetzen. Denn der Europäische Gerichtshof hat am 26. Januar 2021 bestätigt, dass das EU-Recht „einer Regelung entgegensteht, die die rechtliche oder faktische Abschaffung des Euro-Bargelds bezweckt oder bewirkt“.

Das Bargeld ist also auch für die Zukunft durch vorrangiges EU-Recht geschützt. Eine nationale Regelung, wie sie in Österreich derzeit diskutiert wird, würde dazu – sofern sie überhaupt europarechtlich zulässig wäre – nichts Substanzielles beitragen.


Digitales Geld wird auch Papiergeld irgendwann ersetzen 

Niemand hätte jemals erwartet, dass Papiergeld, welches Ratten fressen können, Gold, Silber oder Kupfer verdrängen könnte. Aber schlechtes Geld verdrängt gutes. So wird auch digitales Geld das Papiergeld verdrängen, ähnlich wie Handys die Münztelefonzellen ersetzt haben. Aber nicht bald.

Denn in Ländern mit Erfahrungen eines autoritären Staates, wie Deutschland und Österreich, wird Bargeld aufgrund der Anonymität vor dem Staat geschätzt. Es bietet Schutz der Privatsphäre für sowohl legale als auch illegale Transaktionen. Eine ausreichende Versorgung mit Bankomaten leistbar für jedes Dorf und die Annahmepflicht von Bargeld werden derzeit in Österreich hochemotional diskutiert. Anders in den Niederlanden, wo Bargeld kein Thema ist und das Finanzamt sämtliche Vermögenswerte seiner Bürger kennt. 

In Österreich und Deutschland steht Bargeld jedoch für Freiheit. Und solange dies – egal ob berechtigt oder politisch hochgeschürt – der Fall ist, wird das Bargeld nicht abgeschafft.


Einzelhändler werden zukünftig Bargeld gegenüber Kartenzahlung diskriminieren

Münzen und Scheine werden verschwinden, obwohl Bargeld neben Anonymität viele weitere überzeugende Eigenschaften hat. Denn historisch hat sich immer die Geldform mit den geringsten Transaktionskosten durchgesetzt. So wurden Geldscheine eingeführt, weil sich mit ihnen Geschäfte mit geringerem Aufwand durchführen ließen, als wenn Gold oder Silber über weite Distanzen hätten transportiert werden müssen.

Und heute ist bargeldloses Zahlen gerade für große Einzelhändler kostengünstiger. Sie werden früher oder später Bargeld gegenüber Kartenzahlung diskriminieren und so gewinnorientierte Zahlungsdienstleister erfreuen.

Und der Staat wird nicht bei Bargeldobergrenzen stehenbleiben, sondern mit Verweis auf Bekämpfung von Terror, Kriminalität, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung weitere Hürden und Überwachung aufbauen. Wird dann Cash immer weniger genutzt, steigen die relativen Kosten für die notwendige Infrastruktur (Geldautomaten, -transporte etc.) noch mehr an, sodass wir bargeldlos werden.

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