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Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd ist jetzt von einem Revolutionsgericht im Iran zum Tode verurteilt worden.

© dpa/Koosha Falahi

Exklusiv

Sohn des zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners: „Das iranische Regime empfindet die deutsche Diplomatie als weich“

Seit zwei Jahren kämpft die Familie von Jamshid Sharmahd darum, dass Deutschland mit Irans Führung dessen Freilassung aushandelt. Nun spricht sein Sohn erstmals im Interview.

Herr Sharmahd, Ihr Vater Jamshid Sharmahd wurde am Montag vom iranischen Revolutionsgericht zum Tode verurteilt. Das Regime wirft ihm vor, verantwortlich zu sein für einen Anschlag auf eine Moschee in Shiraz anno 2008. Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?Das müsste der 12. Juni 2020 gewesen sein, in Amsterdam. Mein Vater konnte wegen der Corona-Auflagen nicht so einfach in die USA zurückreisen, denn er hat keine amerikanische Staatsbürgerschaft, sondern nur ein Aufenthaltsvisum. Deswegen ist er nach Deutschland, um im amerikanischen Konsulat die Problematik zu klären. Kurz danach wurde er von Agenten im Auftrag der iranischen Regierung entführt.

Wie ist das passiert?
Im Konsulat in Deutschland hätte er monatelang warten müssen, das war auch schlecht für sein Unternehmen. Er entschied sich also, zu seinen Geschäftspartnern nach Indien zu fliegen. Dorthin gab es aber keine Direktflüge, sondern nur Flüge mit Zwischenstopp in Dubai.

In Dubai fiel sein Anschlussflug aus, das war oft so in der Pandemie. Von dort hat er uns angerufen.

Das ist nah am Iran.
Wir haben uns deswegen auch Sorgen gemacht. Aber er beruhigte uns am Telefon, er würde so schnell wie möglich nach Mumbai fliegen. Das war das letzte Mal, dass wir von ihm hörten. Am 28. Juli 2020. Er hat einen Tracker auf Google Maps eingeschaltet, damit wir immer auf der Karte sehen konnten, wo er war. Ob er im Hotel war, oder im Restaurant.

Irgendwann hat er sich dann nicht mehr bei uns gemeldet, auf keine unserer Nachrichten reagiert. Wir konnten nur noch seinen Tracker sehen, der sich immer weiter in den Oman bewegte.

Hatten Sie da schon eine Vorahnung, was passiert sein konnte?
Sein Tracker auf Google Maps war an einer islamischen Schule in der Grenzregion der Vereinigten Arabischen Emirate zum Oman. Das fand ich komisch, denn erstens war die Grenze zur Pandemiezeit zu.

Und zweitens machte das gar keinen Sinn, dass er sich in einer islamischen Schule befand. Wir wissen aber, dass das islamische Regime solche Institutionen als Büros im Ausland nutzt.

Wenige Tage später meldete er sich auf all unsere Nachrichten mit der Nachricht „Mir geht es gut, ich melde mich“. Wir gehen davon aus, dass diese Nachricht von den Kidnappern war und nicht von ihm. Bis dahin war der Tracker schon in einer Hafenstadt im Oman nahe dem Iran angekommen. Ab dann verloren wir das Signal.

Das hat alles nicht zusammengepasst. Bis wir dann auch die Videos sahen, wie er zu Aussagen gezwungen wurde.

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Hatten Sie Kontakt mit Ihrem Vater seit seiner Entführung?
Überhaupt nicht. Meine Mutter hat vielleicht dreimal im Jahr einen Anruf bekommen von meinem Vater. Immer ganz plötzlich, mitten in der Nacht.

Dann sprechen sie für zehn Minuten, er kann auch nicht sagen, wo er ist. Er sagt immer nur: Ich bin „hier“. Die Anrufe sind unter strengster Kontrolle des Regimes. Wir wissen nicht, ob er in Teheran ist oder in Evin oder ganz woanders.

Wie haben Sie von der Entführung und auch dem Todesurteil erfahren?
Unsere einzigen Informationsquellen sind die streng kontrollierten sporadischen Anrufe meines Vaters, die Propagandamedien des Regimes und der Pflichtanwalt. Dieser ist eigentlich ein Agent des Regimes, der meinem Vater als Anwalt aufgezwungen wurde. Der gibt meiner Mutter direkte Informationen vom Regime. 

Mein letzter Stand ist, dass ihm fast alle Zähne ausgeschlagen wurden und er 20 Kilogramm abgenommen hat.

Shayan Sharmahd, Sohn des zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd

Als Sie vom Todesurteil Ihres Vaters hörten, wo waren Sie da?
Das muss um zwei Uhr morgens gewesen sein. Ich habe geschlafen, und meine Frau hat mich geweckt mit der schrecklichen Nachricht. Ich konnte es gar nicht glauben, obwohl ich wusste, dass es irgendwann zu diesem Punkt kommen wird. Weil das iranische Regime genauso tickt.

Mit Folter und Angst kontrollieren sie die Leute. Ich bin dann direkt zu meiner Schwester gefahren. Seitdem bin ich den ganzen Tag bei ihr. Sie macht fast die ganze öffentliche Kommunikation. Ich bin eher im Hintergrund, kümmere mich um die Technik und die Zugänge. Aber jetzt gerade fühlt es sich richtig und gut an, mit jemandem darüber zu sprechen.

Wissen Sie von dem Gesundheitszustand Ihres Vaters?
Mein letzter Stand ist, dass ihm fast alle Zähne ausgeschlagen wurden und er 20 Kilogramm abgenommen hat. Er erzählte meiner Mutter, dass er Muskelschwund habe, er könne nicht mehr aufstehen. Mein Vater hat Parkinson. Sie geben ihm seine Medikamente nicht, und er ist seit über 932 Tagen in Isolation und Einzelhaft.  

Seit 2020 versucht sich Ihre Familie Gehör zu verschaffen. Wie sind Sie vorgegangen?
Ich habe erstmal irgendwelche Nummern des deutschen Konsulats angerufen, und die haben mich immer wieder an neue Stellen weitergeleitet. Die USA konnten nicht viel machen, weil mein Vater kein amerikanischer Staatsbürger ist.

Er ist deutscher Staatsbürger.
Ich würde sagen, wenige sind in ihrer Art so deutsch wie er! (lacht) Wir mussten erst klarmachen, dass mein Vater nicht verhaftet, sondern entführt wurde. Dass das islamische Regime ihn aufgrund fabrizierter Anschuldigungen und Lügen in einem Scheinprozess zum Tode verurteilen will.

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Hat sich jemand aus der Politik damals des Falls angenommen?
Als Erstes kam Omid Nouripour (der Co-Vorsitzende der Grünen; Anm. der Redaktion) auf uns zu. Ihm war auch direkt klar, wie das iranische Regime hier vorgeht. Er hat versucht, Kontakt zu deutschen Medien herzustellen, aber leider ist das nicht so fruchtbar gewesen, wie wir gehofft hatten.

Und wir waren besorgt, weil die deutsche Öffentlichkeit erst seit dem Todesurteil von unserem Vater weiß, denn er sitzt schon seit 2020 in den Händen des Regimes.

Friedrich Merz ist jetzt sein politischer Pate und sorgt für mehr Druck und Aufmerksamkeit. Wir haben seit der Entführung Kontakt mit dem Auswärtigen Amt.

Ich war so enttäuscht. Deutschland ist so passiv.

In Deutschland wird das iranische Revolutionsgericht unterschätzt.

Shayan Sharmahd, Sohn des zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd

Jetzt wurden zwei iranische Diplomaten ausgewiesen …
Ich glaube, in Deutschland wird das iranische Revolutionsgericht unterschätzt. Ich hatte das Gefühl, denen ist nicht klar, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, dass es kein Gericht wie in Deutschland ist.

Das iranische Regime empfindet die deutsche Diplomatie als weich. Und deswegen können sie das immer wieder machen: Exiliraner entführen und Todesurteile aussprechen. Deutschland müsste aggressiver gegen diesen Terror vorgehen. Wenn Deutschland eine Superpower sein will, dann muss sie das jetzt zeigen!

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Ihre Familie vermutete schon länger, dass Ihr Vater hingerichtet werden soll. Woher hatten Sie die Vorahnung?
Wir wissen seit dem gescheiterten Attentat 2009, dass sie meinen Vater umbringen wollen.

Was ist 2009 passiert?
Wir haben das erst hinterher von der amerikanischen Polizei erfahren. Das Regime hat einen Agenten in die USA geschickt, der einen Auftragsmörder bezahlte, um meinen Vater umzubringen. Der Typ stand schon vor unserem Haus und hat uns ausspioniert.

Wir sind danach umgezogen. Der Regime-Agent wurde für schuldig befunden und saß in den USA ein Jahr lang in Haft, bevor er in einem Gefangenenaustausch in den Iran geflohen ist. 

Festhalten an Erinnerungen: Jamshid Sharmahd (rechts) bei der Feier des  Universitätsabschlusses seines Sohnes Shayan Sharmad (Mitte) zusammen mit der Tochter Gazelle Sharmahd.
Festhalten an Erinnerungen: Jamshid Sharmahd (rechts) bei der Feier des Universitätsabschlusses seines Sohnes Shayan Sharmad (Mitte) zusammen mit der Tochter Gazelle Sharmahd.

© privat

Warum glaubt das Mullah-Regime, dass Ihr Vater eine Gefahr wäre?
Er engagiert sich in einer oppositionellen Bewegung, die vom iranischen Regime diffamiert wird. Mein Vater teilt die demokratischen Werte der offenen und freien Welt. Deswegen hat er für die Menschen im Iran eine Webseite gebaut, auf der sie frei sprechen und berichten konnten, ohne Zensur und völlig anonym. Er hat ihnen eine Plattform gegeben, auf der sie gehört werden konnten. 

Und das hat ihn zum Staatsfeind für das iranische Regime gemacht?
Das Regime legt heute noch bei Protesten das Internet lahm, weil sie nicht wollen, dass der Rest der Welt sieht, wie es im Iran aussieht und was verboten ist.

Mein Vater ist Software-Ingenieur, er konnte die Angriffe auf seine Website abwehren. Aber irgendwann wurde nicht mehr die Website, sondern mein Vater zur Zielscheibe und zum politischen Staatsfeind.

Jamshid Sharmahd wurde schon 2009 Ziel eines Anschlags, der nicht ausgeführt wurde, erzählt sein Sohn.
Jamshid Sharmahd wurde schon 2009 Ziel eines Anschlags, der nicht ausgeführt wurde, erzählt sein Sohn.

© AFP/Koosha Mashid Falahi

Wenn Ihr Vater schon 2009 wusste, dass man ihn tot sehen will, warum hat er dann weitergemacht?
Das war sein Leben. Er wusste, wie der Iran vor den Mullahs war, kannte das Leben und die Freiheit der Iraner. Meine Schwester fragte ihn einmal: „Warum machst du das? Wir haben doch ein so ruhiges Leben in den USA.“

Und was hat er geantwortet?
„Wenn ich nicht für die Freiheit kämpfe, wer dann?“ Und das stimmt, denn wenn Terror nicht eingedämmt wird, greift er um sich. Das tut er ja schon, wenn ständig Exiliraner entführt und Menschen hingerichtet werden.

Mein Vater hat mit seinem Aktivismus zeitweise pausiert, bis meine Schwester und ich aus dem Gröbsten raus waren. Dann hat er den Kampf wieder angefangen. Für die Freiheit, für die Freiheit der Frauen, für die Freiheit des Iran.

„Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit): Demonstrantinnen vor dem Bundeskanzleramt.
„Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit): Demonstrantinnen vor dem Bundeskanzleramt.

© dpa/Annette Riedl

Haben Sie, Ihre Schwester und Ihre Mutter keine Angst davor, so exponiert zu sein?
Doch, die haben wir. Aber wir können so viel Angst haben, wie wir wollen, das ändert nichts. Ich will nicht, dass der Terror um sich greift und immer mehr Menschen trifft.  Ich will mich wehren.

Sie bitten seit zweieinhalb Jahren um Hilfe für Ihren Vater. Woher nehmen Sie die Kraft?
Die Intensität geht auf und ab. Mental sind wir immer da und machen, was wir können. Aber die Nachrichten sind nicht immer so stark wie jetzt, dennoch wollen wir immer präsent sein. Jetzt liegt alles in der Hand von Deutschland.

Ich denke, die Bundesregierung hat die politische und wirtschaftliche Macht, sich gegen den Iran zu stellen. Deutschland kann sagen: Wir machen keine Geschäfte mehr mit einem Terrorregime.

Ist das Ihr Wunsch an die Politik?
Jetzt ist die Zeit reif, in der Deutschland wirklich zeigen kann, dass es eine starke Macht ist. Und wenn Deutschland nicht reagiert? Dann wird die Lage hundertprozentig schlimmer. Nicht nur für meinen Vater, sondern für alle.

Dann sendet Deutschland ein Zeichen der Schwäche und ein fatales Signal an alle anderen Exiliraner. Dieses Terrorregime hört nicht auf. Mein Vater ist nicht der erste und wird nicht der letzte sein, den dieses Schicksal trifft.

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