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Die Außenminister der BRICS-Staaten beim Vorbereitungstreffen im Juni in Südafrika.

© REUTERS/NIC BOTHMA

Brics-Gipfel in Südafrika: Plötzlich wollen alle Mitglied werden

Der am Dienstag beginnende BRICS-Gipfel steht im Zeichen der Erweiterung: 23 Länder haben Beitrittsgesuche eingereicht. Dabei spielt der Ukraine-Krieg eine entscheidende Rolle.

Mehr als 40 Prozent der globalen Bevölkerung und mehr als ein Viertel der Weltwirtschaft: Die Zahlen zeugen von dem enormen Potenzial, das sich hinter den Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika verbirgt.

Kein Wunder, dass nun ein regelrechter Ansturm auf die BRICS-Organsiation begonnen hat. An die 40 Staaten haben Interesse bekundet, der Gemeinschaft beizutreten, die sich ab Dienstag zum Gipfel in Südafrika trifft. Mitverantwortlich dürfte nach Experteneinschätzungen die russische Invasion der Ukraine sein.  

Zu dem Treffen in Johannesburg werden neben BRICS-Vertretern mindestens drei Dutzend weitere Staatschefs erwartet. Eingeladen seien laut dem Gastgeber Südafrika auch UN-Generalsekretär António Guterres sowie die Chefs der Afrikanischen Union (AU) und der BRICS-eigenen New Development Bank.

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Lawrow kommt statt Putin

Für Schlagzeilen sorgte im Vorfeld der russische Präsident Wladimir Putin: Er kündigte an, seinen Außenminister Sergej Lawrow zu schicken und an den Gesprächen selbst virtuell teilzunehmen.

Das ist das Ergebnis des diplomatischen Tauziehens, nachdem Südafrika angekündigt hatte, als Partner des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) Putin bei einem Besuch festnehmen zu müssen. Das wiederum hatte Südafrikas Opposition vor Gericht erwirkt.  

Das große Thema des Gipfels ist die Brics-Erweiterung. Noch gibt es keine Aufnahmekriterien für neue Mitglieder und die derzeitigen sind gespalten, wie ein möglicher erweiterter Verbund aussehen sollte. Fest steht: Nicht weniger als 40 Staaten wollen beitreten, 23 davon stellten einen Antrag.

Dazu gehören unter anderem aufstrebende Wirtschaftsmächte wie Äthiopien, Indonesien und Argentinien, Ölstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, sowie der Iran und Kuba. Auch Afrika soll stärker eingebunden werden. Etwa ein Viertel der Beitrittsgesuche stammt vom Kontinent, der dreitägige Gipfel selbst steht unter dem Motto „BRICS und Afrika“.  

Viele betrachten den Russland-Ukraine-Krieg als Wiederaufflammen des Kalten Krieges und beziehen Position.

Narnia Bohler-Muller, südafrikanische Politologin

Nach Einschätzung der südafrikanischen Politologin Narnia Bohler-Muller hat der plötzliche Run auf die Organisation unterschiedliche Gründe. Einer davon dürfte ausgerechnet Staatschef Putin sein: „Viele betrachten den Russland-Ukraine-Krieg als Wiederaufflammen des Kalten Krieges und beziehen Position.“

Allgemein sei unter Staaten des Globalen Südens die Auffassung verbreitet, eine BRICS-Mitgliedschaft garantiere Sicherheit und den Schutz ihrer Eigenstaatlichkeit. „Dabei hat die Vereinigung nie den Anspruch erhoben, ein neuer politischer Block oder eine Alternative zur Nato zu sein“, betont die Expertin. 

Lösung vom Dollar vorantreiben

Attraktiv für mögliche Beitrittskandidaten, darunter auch reiche Staaten wie Saudi-Arabien, ist ihrer Ansicht nach ein auserkorenes Ziel der Staatengruppe: der Abschied vom Dollar. In Zukunft wollen BRICS-Mitglieder die Vorherrschaft der US-Währung schwächen, indem sie vermehrt in Lokalwährungen handeln.

Die BRICS-Staaten haben eine eigene Entwicklungsbank –  hier Vize-Präsident Leslie Maasdorp.
Die BRICS-Staaten haben eine eigene Entwicklungsbank – hier Vize-Präsident Leslie Maasdorp.

© REUTERS/ALY SONG

Die Entwicklungsorganisation One sieht darin eine Reaktion auf gestiegene Kosten für Schuldenrückzahlungen und explodierende Lebensmittelpreise. Sogar die Schaffung einer gemeinsamen Währung als Konkurrenz zu Dollar und Euro ist im Gespräch.  

„BRICS wird als praktikable Plattform angesehen, diese Interessen voranzutreiben“, sagt Priyal Singh, Forscher an der panafrikanischen Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS). Eine erweiterte BRICS-Staatengruppe als mächtiges Bollwerk gegen eine westlich dominierte Weltordnung?

Möglich, allerdings nicht in absehbarer Zeit, meint Singh: „Ich bezweifle, dass der Gipfel in Johannesburg zu irgendwelchen klaren Zusagen führt, was die Aufnahme neuer Mitglieder angeht.“ Viel wahrscheinlicher sei seiner Ansicht nach ein „Fahrplan“ über eine mögliche Erweiterung.  

Wir sehen BRICS nicht als pro-russisch oder anti-westlich an. Ich denke, das wäre extrem falsch.

Naledi Pandor, südafrikanische Außenministerin

Denn in der BRICS-Familie wird gestritten – vor allem über das Selbstverständnis. Und die Beziehung zum Westen. Russland und China feiern Brics jetzt schon als politisches Gegengewicht zum Westen, nicht zuletzt auch zur Nato.

Doch andere Mitglieder sind vorsichtiger. Während Südafrika im vergangenen Jahr etwa durch gemeinsame Militärmanöver mit China und Russland für Aufsehen sorgte, pocht es weiter auf Blockfreiheit. „Wir sehen BRICS nicht als pro-russisch oder anti-westlich an. Ich denke, das wäre extrem falsch“, betonte Außenministerin Naledi Pandor in Pretoria.  

Neben Südafrika versuchten auch Indien und Brasilien zu verhindern, dass die Staatengruppe zur „Quelle globaler Polarisierung“ werde, meint Politologin Bohler-Muller. Offen bleibt, in welche Richtung die Beitrittskandidaten das Bündnis steuern würden. Während Kuba sich nahtlos in das russisch-chinesische Lager einfügt, bringen Mexiko und Saudi-Arabien die USA als wichtigsten Handels- beziehungsweise Militärpartner mit.

Die Aufnahmekriterien sorgen ebenfalls für Streit unter den Stammmitgliedern. Laut Bohler-Muller heißt das Ziel Multilateralismus: „Falls Brics tatsächlich anwächst, sollte es auf die Ausgewogenheit der Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen Zugehörigkeiten achten.“  

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