zum Hauptinhalt
Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian und sein saudischer Amtskollege Prinz Faisal bin Farhan Al Saud mit ihrem Gastgeber Qin Gang beim Treffen in Peking am Donnerstag.

© REUTERS/SAUDI PRESS AGENCY

Saudisch-iranische Annäherung: Der Atomkonflikt könnte einen Strich durch die Rechnung machen

Die Außenminister Saudi Arabiens und Irans haben in Peking die Normalisierung ihrer Beziehungen vorangetrieben. Die Gegensätze bleiben – warum das Interesse an Entspannung dennoch überwiegen könnte.

Ein Gastbeitrag von Guido Steinberg

Nach dem Paukenschlag Anfang März in Peking, wo die rivalisierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien überraschend die Normalisierung ihrer angespannten Beziehungen verkündet hatten, haben nun die Außenminister beider Länder die neue Kooperation vertieft.

Nach dem ebenfalls von China vermittelten Treffen zwischen Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian und seinem saudiarabischen Amtskollegen Prinz Faisal bin Farhan am Donnerstag in Peking hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, beide Länder wollten kooperieren und „Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in der Region schaffen“.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran waren sieben Jahre lang ausgesetzt, nachdem Demonstranten in Iran nach der Hinrichtung eines schiitischen Klerikers in Riad saudi-arabische Vertretungen angegriffen hatten. Nach wie vor unterstützen beide Länder gegnerische Seiten in diversen Regionalkonflikten.

Grundgegensätze bestehen fort

Will man die Erfolgschancen des saudi-arabisch-iranischen Abkommens und der Entspannungspolitik der beiden Regionalmächte einschätzen, empfiehlt sich ein Blick auf die 1990er Jahre, als sich das Verhältnis der beiden Rivalen schon einmal stark verbessert hatte.

Damals verlor der Konflikt um die Vormachtstellung am Persischen Golf für mehr als ein Jahrzehnt an Schärfe, trat aber ab 2002/2003 wieder voll zutage. Auch die aktuelle Entspannung zwischen Riad und Teheran dürfte spätestens in einigen Jahren wieder enden, denn die Grundlinien ihres Gegensatzes bestehen fort.

Vieles spricht sogar dafür, dass der Konflikt viel schneller wieder ausbrechen könnte.

Entspannung in den 1990er Jahren

Zu Beginn der 1990er Jahre zwangen vor allem wirtschaftliche Probleme nach dem langen Krieg gegen den Irak Iran zu einer Mäßigung seiner Politik.

Hatte Teheran bis zum Tod von Ayatollah Khomeini 1989 auf einen Export der Revolution in die arabische Welt gesetzt und so Saudi-Arabien und die kleinen Golfstaaten in die Arme des Irak getrieben, entschied sich der neue starke Mann, Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani (1989–1997), für außenpolitische Mäßigung.

Die saudi-arabische Führung reagierte positiv auf die Avancen aus Teheran, denn auch das Königreich litt unter großen Schwierigkeiten. Zwar hatten die USA in den 1990er Jahren viel Militär in der Golfregion stationiert, sodass Saudi-Arabien gut geschützt war.

Als 2002 Nachrichten über ein geheimes iranisches Nuklearprogramm publik wurden, brach der Konflikt erneut aus.

Guido Steinberg, Islamwissenschaftler und Experte für Saudi Arabien

Doch machte sich ab 1991 der Widerstand einer islamistischen Opposition bemerkbar, die vor allem gegen die Anwesenheit „ungläubiger“ Amerikaner protestierte und die innenpolitische Stabilität bedrohte. Hinzu kam, dass niedrige Ölpreise die Wirtschaft Saudi-Arabiens – ebenso wie die Irans – schädigten.

Die Herrscher in Riad wollten die Stellung des Reformers Mohammed Khatami in der iranischen Politik stärken, der die Präsidentschaftswahlen 1997 gewann. Schon bald war aber nicht mehr zu übersehen, dass der Nachfolger Khomeinis als oberster Führer, Ali Khamenei, der neue starke Mann in Teheran war und auf eine aggressivere Außenpolitik setzte.

Als 2002 Nachrichten über ein geheimes iranisches Nuklearprogramm publik wurden, brach der Konflikt erneut aus.

Annäherung im Jahr 2023

Im Gegensatz zu den 1990er Jahren war seit 2019 Riad die treibende Kraft, die eine Entspannung des Verhältnisses wollte.

In dem seit 2015 tobenden kalten Krieg zwischen Iran und Saudi-Arabien hatte das Königreich in Syrien, im Libanon und im Jemen eine Reihe von Niederlagen einstecken müssen, die den De-facto-Herrscher und Kronprinzen Mohammed Bin Salman überzeugten, dass eine Beruhigung unabdingbar ist.

Vor allem die Intervention im Jemen erwies sich als Fehlentscheidung, denn Saudi-Arabien konnte sich nie gegen die Huthi-Rebellen durchsetzen, die den Norden des Landes kontrollieren und ab 2017 immer häufiger saudisches Territorium mit Flugkörpern aller Art beschossen.

Kurzfristig kann es schon zum Konflikt kommen, wenn Israel die iranischen Atomanlagen angreift.

Guido Steinberg, Islamwissenschaftler

Wie schwach und verwundbar Saudi-Arabien war, zeigte sich vor allem am 14. September 2019 als iranische Drohnen und Marschflugkörper in saudischen Ölanlagen im Osten des Königreichs einschlugen. Die Ölförderung des Landes musste für zwei Wochen auf die Hälfte gedrosselt werden. Daraufhin lenkte Riad widerwillig ein und suchte das Gespräch mit Teheran.

Es dauerte jedoch noch drei Jahre, bis auch Iran zu Kompromissen bereit schien. Wieder war es die schlechte Wirtschaftslage, die Teheran an den Verhandlungstisch trieb. Die Krise im Iran verschärfte sich zwischen 2019 und 2022 dramatisch und trug dazu bei, dass wiederholt Proteste gegen das Regime und seine Politik ausbrachen.

Da die Verhandlungen über ein Atomabkommen mit den USA im Laufe des Jahres 2022 vor dem Scheitern standen und ausgesetzt wurden und damit auch die Hoffnung auf eine Aufhebung der Sanktionen wegfiel, musste Teheran reagieren.

Entspannungsphase kann durchaus länger dauern

Das Beispiel der 1990er Jahre zeigt, dass eine Entspannungsphase zwischen Iran und Saudi-Arabien lange andauern kann, auch wenn die Voraussetzungen nicht gut scheinen.

Trotzdem bleibt der Konflikt zwischen den beiden Nationen bestehen, der in erster Linie auf den aggressiv vorgetragenen Anspruch Teherans auf eine Vormachtstellung am Persischen Golf und im Nahen Osten zurückgeht. Saudi-Arabien will dagegen den Status quo wahren und seine Führungsposition in der arabischen Welt ausbauen, sodass Zusammenstöße unvermeidlich sind.

Vor allem die Fortschritte des iranischen Atomprogramms – die Islamische Republik steht kurz davor, sich nuklear zu bewaffnen – könnten der Détente schon bald ein Ende setzen.

Denn wenn Israel die iranischen Atomanlagen angreift, dürfte Saudi-Arabien große Probleme haben, Teheran davon zu überzeugen, dass es wirklich neutral ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false