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Im Ohn-Taw-Chay- Flüchtlingslager nach dem Zyklon.

© AFP/SAI AUNG MAIN

Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch: China will sich als Vermittler präsentieren

Eine chinesische Friedensinitiative soll den Rohingya zur Rückkehr nach Myanmar verhelfen. Aber ihre Rechte werden dort noch immer nicht anerkannt.

Von Leo Wigger

Es war der Sturm, vor dem Beobachter seit Jahren gewarnt hatten. Mit Spitzengeschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometern drohte der Zyklon Mocha Mitte Mai auf die Südküste Bangladeschs zu treffen.

Um die Stadt Cox´s Bazar und auf der Insel Bhasan Char leben seit ihrer Vertreibung aus dem benachbarten Myanmar 2017 über eine Million Rohingya unter einfachsten Bedingungen in mehreren Flüchtlingscamps. Die Lager bieten kaum Schutz vor Umweltkatastrophen.

Kurz bevor er aufs Festland traf, verlor der Wirbelsturm an Kraft. Die Zerstörung war dennoch gewaltig. Trotz professioneller Vorbereitung und einer großangelegten Evakuierungskampagne beschädigte der Wirbelsturm kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser.

Flüchtlingslager durch Zyklon zerstört

„Wir leiden sehr unter den Folgen des Zyklons“, sagt Khin Maung, Direktor einer Rohingya-Jugendorganisation in Bangladesch im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Etwa 30.000 Geflüchtete verloren ihr Zuhause, schätzen Rohingya-Vertreter. 

Ungleich schlimmer erging es den Menschen in Myanmar. Der Sturm traf hier die Stadt Sittwe im Bundesstaat Rakhine. Auch hier waren besonders Rohingya betroffen.

Mindestens 500 Menschen starben, schätzt Nay San Lwin, ein bekannter Aktivist und Mitbegründer der Free Rohingya Organisation. Noch immer leben wohl mehrere Hunderttausend Angehörige der Volksgruppe in Myanmar.

Genaue Angaben sind schwierig. „Die Militärjunta in Naypyidaw lässt keine ausländischen Beobachter in die betroffenen Regionen, sagt Lwin. Er vermutet, dass rund 470.000 Rohingya unter strikter Militärüberwachung in ihren Dörfern leben.

Bis zu 130.000 Menschen würden dagegen von den Sicherheitskräften in geschlossenen Lagern festgehalten, in denen der Zyklon nun für besonders große Schäden gesorgt haben dürfte.  

„Musterbeispiel für ethnische Säuberungen“

Die ethno-nationalistische Junta in Myanmar gesteht den Rohingya selbst einfachste Bürgerrechte nicht zu. Schon ein Gesetz von 1982 verwehrte den Angehörigen der muslimischen Volksgruppe die Staatsangehörigkeit.

30.000
Geflüchtete verloren durch den jüngsten Zyklon ihr Zuhause.

Seit Anfang der 1990er Jahre kam es immer wieder zu Gewalt und Vertreibungen. Im Sommer 2017 eskalierte die Situation nach Angriffen auf Polizei und Militärposten durch die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA).

Die Militärjunta lässt keine ausländischen Beobachter in die betroffenen Regionen.

Nay San Lwin, Aktivist und Mitbegründer der Free Rohingya Organisation.

Die myanmarischen Sicherheitskräfte reagierten damals mit brutalen Räumungsaktionen und zerstörten Hunderte Dörfer der Minderheit. Das Ausmaß der Gewalt war so groß, dass der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Gräueltaten als „Musterbeispiel für ethnische Säuberungen“ bezeichnete.

Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag verpflichtete die Regierung im Jahr 2020 dazu, die Rohingya vor Völkermord zu schützen. Bisher sehen Beobachter jedoch wenig Verbesserungen.

Lebensmittelrationen werden reduziert

Die prekären Bedingungen in den Flüchtlingslagern in Bangladesch sind für die Betroffenen oftmals die einzige Alternative. Eine dauerhafte Bleibeperspektive dort sieht dennoch kaum jemand.

Ich kenne keinen Rohingya, der nicht in seine Heimat zurückkehren will.

Nay San Lwin, Aktivist und Mitbegründer der Free Rohingya Organisation.

Die Lage in den Flüchtlingslagern spitzte sich in letzter Zeit zu. Anfang März war es im größten Camp zu einem verheerenden Brand gekommen. 15.000 Menschen verloren ihr Dach über dem Kopf.  Zudem häuften sich Berichte über Gewalt zwischen rivalisierenden Gruppen.

Die Geflüchteten sind von Lebensmittelrationen der UN-Welternährungsorganisation abhängig. Ab dem 1. Juni sollen diese nun von zwölf US-Dollar auf acht US-Dollar reduziert werden, wie die Agentur gegenüber dem Tagesspiegel bestätigte.

„Für die Geflüchteten ist das ein Riesenproblem“, sagt Gesundheitsexperte Ruhul Abid von der amerikanischen Brown Universität, der immer wieder in den Flüchtlingslagern arbeitet. Mittelfristig drohe ein Anstieg der Unterernährung.

Die Rohingya in Myanmar traf der Zyklon besonders hart.
Die Rohingya in Myanmar traf der Zyklon besonders hart.

© AFP/SAI AUNG MAIN

„Ich kenne keinen Rohingya, der nicht in seine Heimat zurückkehren will“, sagt Aktivist Lwin. Eigentlich einigten sich Myanmar und Bangladesch schon 2018 auf einen Plan zur Rückführung. Umgesetzt wurden die Pläne bisher nicht. Myanmar verweigerte die Zustimmung zu Listen mit potenziellen Rückkehrern.

In Bangladesch dreht die Stimmung gegen die Geflüchteten

Doch nun hat sich China als Vermittler eingeschaltet. Im Raum steht ein Pilotprojekt mit rund tausend Rückkehrern. Jüngst besuchte sogar eine Rohingya-Delegation Myanmar.

Wenn der Westen nicht hilft, wandert der Blick eben nach China.

Ali Riaz, Politikwissenschaftler von der Universität Illinois (USA).

In Bangladesch hat sich der einst eher freundliche Ton gegenüber den Geflüchteten verschärft. Steigende Lebenshaltungskosten und die Berichte über Kriminalität in den Lagern sorgen für vermehrte Spannungen mit der lokalen Bevölkerung.

Viele Rohingya haben keine Alternative zu den Flüchtlingscamps.
Viele Rohingya haben keine Alternative zu den Flüchtlingscamps.

© REUTERS/MOHAMMAD PONIR HOSSAIN

„Die Regierung braucht mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen Erfolgsmeldungen und will die Konfliktlösung internationalisieren. Nur: Wenn der Westen nicht hilft, wandert der Blick eben nach China“, analysiert der renommierte Politikwissenschaftler Ali Riaz von der Illinois State University (USA). 

Delegationen aus Myanmar und Bangladesch trafen sich Ende Mai zu Gesprächen über die Rückführung der Rohingya.
Delegationen aus Myanmar und Bangladesch trafen sich Ende Mai zu Gesprächen über die Rückführung der Rohingya.

© AFP/-

China seinerseits könnte sich mit der Initiative nach jüngsten Vermittlungserfolgen im Nahen Osten auf dem internationalen Parkett als erfolgreicher Konfliktmediator präsentieren, sagt Riaz.

Dabei sei China als Konfliktmediator kaum glaubhaft. „Ich sehe China als engen Partner unseres Landes, aber China hat den Völkermord an den Rohingya nie verurteilt, sagt der bangladeschische Diplomat und ehemalige Staatssekretär Touhid Hossain.

Bedingungen für Rückkehr nicht gegeben

Er glaube nicht daran, dass die Vermittlungsoffensive Erfolge zeitigen könne. „Myanmar ist nicht bereit, den Rohingya Rechte zuzubilligen. Warum sollten sie unter diesen Bedingungen zurückkehren wollen?“

Durch das Pilotprojekt simuliere die Regierung des Nachbarlandes der internationalen Gemeinschaft vielmehr eine Bereitschaft zur Rücknahme der Rohingya, die es gar nicht gebe.

„Es war für uns ein Gebot der humanitären Hilfe die Geflüchteten im Jahr 2017 aufzunehmen, sagt Hossain. „Aber wir haben dadurch ungewollt der Militärführung in Naypyidaw geholfen, ihre Vision umzusetzen: ein Myanmar ohne Rohingya.“ Für eine langfristige Lösung der Krise brauche es ein politisches Umdenken im Nachbarland.

Für den Aktivisten Lwin ist klar, welche Voraussetzungen für eine Rückkehr erfüllt sein müssen: „Wir wollen wieder als Staatsbürger anerkannt werden, in unsere Dörfer zurückkehren und Zugang zu Menschenrechten wie Bildung und Gesundheitsversorgung haben.“ Dass es dazu in absehbarer Zeit kommen dürfte, ist indes unwahrscheinlich.

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