zum Hauptinhalt
Die deutsche Debatte konzentriert sich bislang auf den assistierten Suizid, nicht auf die aktive Sterbehilfe.

© ArtemisDiana - stock.adobe.com

Portugal legalisiert die aktive Sterbehilfe: Sollte Deutschland nachziehen?

Als fünftes EU-Mitglied hat Portugal die aktive Sterbehilfe legalisiert. Die deutsche Debatte konzentriert sich bislang auf den assistierten Suizid. Drei Experten analysieren die aktuelle Lage.

Das Leben eines jeden Menschen muss zu jedem Zeitpunkt geschützt werden. Sterben in Würde bedeutet für uns, dass der Mensch an der Hand eines anderen stirbt – und nicht durch sie. Die katholische Kirche lehnt alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung ab. Der Staat ermöglicht ein würdevolles Sterben, wenn er die flächendeckende medizinische und pflegerische Begleitung Schwerstkranker und Sterbender fördert. Die Kirche beteiligt sich hier mit einer intensiven seelsorglichen Betreuung der Sterbenden und ihrer Angehörigen. Die Palliativversorgung und die Hospizarbeit in ambulanten und stationären Einrichtungen muss stärker gefördert und ausgebaut werden. Die Gesellschaft darf nicht zulassen, dass der künstlich herbeigeführte Tod in der Endphase eines Lebens zu einer ärztlichen Dienstleistung wird. Eine gesetzliche Regelung, die derartige Angebote duldet, würde den inneren und äußeren Druck auf alle Alten, Schwerkranken und Pflegebedürftigen erhöhen, hiervon Gebrauch zu machen – um keine Last für Angehörige zu sein.

Nein, das sollte Deutschland nicht. Hierzulande dreht sich die Debatte um den assistierten Suizid. In den Palliativ- und Hospizteams haben wir Erfahrung mit Sterbewünschen. Eine schwere lebensbegrenzende Erkrankung lässt Menschen darüber nachdenken, wie es sein wird zu sterben, wovor sie Angst haben, wer an ihrer Seite sein soll und wie sie ihr Lebensende so weit wie möglich selbst gestalten können. Einige von ihnen bitten ihre Ärzte um ein Medikament zum Sterben. Unsere Aufgabe als Mediziner ist es, ein Angebot zu machen, wie Symptome und Nöte gelindert, Ängste und Einsamkeit genommen und bei unerträglichem Leiden nötigenfalls sedierende Medikamente eingesetzt werden können. Dabei ist es hilfreich, den Willen des Gegenübers zu kennen. Es gilt, fachlich zu informieren, offen und ehrlich miteinander zu sprechen, Optionen verständlich aufzuzeigen, vorausschauend zu planen und Menschen mit diesen existentiellen Fragen bis zum letzten Augenblick nicht allein zu lassen. Diese Form des gesellschaftlichen Miteinanders muss dringend gestärkt werden.

Portugal gestattet nun die aktive Sterbehilfe, sprich die Tötung auf Verlangen. Allerdings unter starken Einschränkungen. In Deutschland steht eine Aufweichung des Paragraf 216 Strafgesetzbuch, der die „Tötung auf Verlangen“ unter Strafe stellt, nicht zur Diskussion. Das kann ich akzeptieren. Womit ich nicht einverstanden bin, ist, dass einige Bundestagsabgeordnete derzeit die Inanspruchnahme von Suizidhilfe gesetzlich deutlich erschweren wollen. Seit das Bundesverfassungsgericht 2020 sein richtungsweisendes Urteil gesprochen hat, sind Freitodbegleitungen in Deutschland wieder denkbar. Sie finden statt. Mit Sicherheitskriterien, Verantwortungsbewusstsein und wohlüberlegt. 2022 konnte die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben 229 Menschen ein selbstbestimmtes Lebensende ermöglichen. Ein übermäßiger Anstieg der Fälle ist nach drei Jahren Praxis nicht zu beobachten. Was wir in Deutschland brauchen, ist eine tatsächliche Wahlfreiheit. Ohne Strafandrohung für den Arzt, ohne Verteufelung der Selbstbestimmung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false