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Donald Tusk.

© AFP/JANEK SKARZYNSKI

Update

Polens Präsident gratuliert „von Herzen“: Oppositionsbündnis erreicht laut Teilergebnissen Mehrheit von 52 Prozent

Die Nationalkonservativen bleiben in Polen laut Prognosen stärkste politische Kraft. Dennoch könnten drei Oppositionsparteien unter Donald Tusk die neue Regierung bilden.

| Update:

Die pro-europäische Opposition hat Teilergebnissen zufolge bei der Wahl in Polen die Mehrheit im Parlament errungen. Nach Auszählung von gut 80 Prozent der Stimmen kam die regierende PiS als stärkste Kraft auf knapp 37 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte. Die Bürgerkoalition von Ex-Regierungschef Donald Tusk und ihre möglichen Bündnispartner erreichten demnach aber zusammen eine Mehrheit von rund 52 Prozent. 

Drei proeuropäische Oppositionsparteien könnten die neue Regierung bilden, wenn das an diesem Dienstag erwartete offizielle Endergebnis die Ergebnisse von Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos bestätigt. Ein möglicher Machtwechsel in Warschau würde auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen.

Polens Präsident Andrzej Duda hat angesichts eines möglichen Machtwechsels an alle politischen Lager appelliert, in Ruhe auf das offizielle Endergebnis zu warten. Bei einem Besuchs in Rom betonte er: „Denjenigen, die diese Wahl gewonnen haben, gratuliere ich von ganzem Herzen.“

Einen Namen nannte der Präsident nicht. Die „gigantische“ Wahlbeteiligung von nahezu 73 Prozent sei ein „überwältigendes Ergebnis“. 

„Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie von der Macht entfernt“, sagte Donald Tusk, Chef der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO), am Sonntagabend in Warschau.

Laut am Montagmorgen veröffentlichten Ergebnissen von Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos kann Tusks Partei mit 31 Prozent der Stimmen rechnen und wird damit zweitstärkste politische Kraft. Sie käme damit auf 161 Abgeordnetenmandate. Somit könnte die Bürgerkoalition mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (13 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) eine Koalition bilden.

Die möglichen Bündnispartner holten demnach 57 und 30 Sitze. Die drei Parteien hätten somit eine Mehrheit von 248 Sitzen. Die PiS kann mit 198 Sitzen rechnen, während die rechtsextreme Konförderationspartei der Prognose zufolge 14 Mandate gewann. 

Das Dreierbündnis käme zusammen auf 248 der insgesamt 460 Sitze und hätte damit eine Mehrheit im Parlament. „Am Sonntag, den 15. Oktober, war Schluss mit der Zankerei und der Almosenvergabe in Polen, und es begann die Zusammenarbeit und die Investition in unsere Zukunft“, sagte Szymon Holownia vom Dritten Weg zu dem Ergebnis.

PiS ohne Koalitionspartner

Die seit 2015 regierende PiS wurde laut Prognosen mit 36,6 Prozent der Stimmen zwar stärkste Kraft, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit. „Das ist ein historischer Sieg“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Seit dem Ende des Kommunismus habe es in Polen noch keine Partei geschafft, dreimal hintereinander die Parlamentswahl zu gewinnen.

Dennoch hat die PiS ein Problem: In Prognosen wurden ihr 198 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Als Koalitionspartner käme nur die ultrarechte Konfederacja infrage. Doch diese Formation brachte es laut Prognosen auf lediglich 14 Sitze und damit zu wenig für eine Regierungsmehrheit. Zudem hatte die Konfederacja im Wahlkampf immer wieder betont, sie wolle kein Bündnis mit der PiS eingehen.

Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie von der Macht entfernt.

Donald Tusk

Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sagte, seine Partei werde ihr Projekt realisieren, „unabhängig davon, ob wir an der Macht bleiben oder in die Opposition gehen werden“. Er schloss damit indirekt nicht aus, dass die PiS die Macht verlieren könnte.

Bei der Wahl konnten gut 29 Millionen Wahlberechtigte abstimmen. Nach der Prognose lag die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent. Dies wäre der höchste Wert bei einer Wahl seit dem Ende des Kommunismus in Polen. Hochrechnungen sind in Polen nicht üblich. Das offizielle Endergebnis wird am Dienstag erwartet.

Eine Frau wirft in Warschau, Polen, in einem Wahllokal ihren Wahlzettel für die Europawahl in die Urne.

© Czarek Sokolowski/AP/dpa

Regierungssprecher Piotr Müller betonte, es sei in Polen politische Gepflogenheit, dass die stärkste politische Kraft den Auftrag zur Regierungsbildung erhalte. Diesen Auftrag vergibt der Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt. Duda hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass er sich an die Regel halten werde, die stärkste Fraktion zu beauftragen. Voraussichtlich wird er Morawiecki für diese Aufgabe auswählen.

Der mit der Regierungsbildung beauftragte Politiker stellt ein Kabinett zusammen. Dieses wird dann vom Präsidenten nominiert und muss sich vor dem Parlament zur Wahl stellen. Findet die neue Regierung keine Mehrheit im Parlament, kann das Parlament ein alternatives Kabinett vorschlagen.

Parallel zur Parlamentswahl sollten die Polen in einem Referendum unter anderem auch über den EU-Asylkompromiss abstimmen. Laut der Prognose beteiligten sich allerdings nur 40 Prozent der Wahlberechtigten an der Volksabstimmung. Damit wäre das für eine Gültigkeit nötige Quorum von mindestens 51 Prozent nicht erreicht. (dpa, AFP)

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