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Der Gründer der privaten Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, verlässt einen Friedhof vor der Beerdigung des russischen Militärbloggers Maxim Fomin.

© REUTERS/YULIA MOROZOVA

Pläne des Söldner-Chefs: Kapert Prigoschin eine kremlnahe Partei auf dem Weg zu mehr Macht?

Söldner-Chef Prigoschin kritisiert die russische Militärführung wie sonst kaum jemand in Russland. Doch was sind seine politischen Ambitionen dahinter?

Vergangene Woche war der Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglow, an der Reihe. In einem öffentlichen Brief an den Staatsanwalt Alexander Bastrykin drängte der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, auf eine strafrechtliche Untersuchung von Beglows Fahrlässigkeit im Umgang mit kulturell bedeutenden Denkmälern in Russlands zweitgrößter Stadt.

Die würden laut Prigoschin „vernachlässigt und dem Verfall preisgegeben“. Sogar als „Drecksack“ beschimpfte ihn Prigoschin in seiner Abrechnung. Ein Warlord, der seine Affinität zur Denkmalpflege entdeckt hat? Wohl kaum.

Tatsächlich steht Beglow mit großer Wahrscheinlichkeit weit oben auf Prigoschins Liste politischer Gegner, gleich über oder unter den beiden obersten russischen Militärs Valery Gerasimov und Sergei Schoigu. Wie Beglow stammt auch Prigoschin aus St. Petersburg, hier befindet sich die gläserne Zentrale seiner noch immer semilegalen Söldner-Truppe, die seit Monaten an der Front in der Ukraine kämpft.

Das Dilemma des Wagner-Chefs

In den vergangenen Monaten hat Prigoschin so gut wie keine Gelegenheit ausgelassen, die russische Militärführung zu kritisieren. Mal war es die dilettantische Taktik der Armee, dann wieder die fehlende Unterstützung seiner Söldner durch Artillerie und Munition.

Seit mehreren Monaten befindet sich der Söldner-Chef dabei in einem Dilemma: Auf der einen Seite ist er auf die Unterstützung der russischen Armee angewiesen, nur sie verhindert, dass seine Söldner an der Front vollständig vernichtet werden.

Jewgeni Prigoschin beim Besuch eines Friedhofs.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Sergei Bobylev

Auf der anderen Seite dient ihm die russische Militärführung als Sündenbock und deren Misserfolge als willkommene Gelegenheit, um seine eigene Rolle im Krieg zu überhöhen und seine Popularität in Russland zu steigern.

Startet Prigoschin seine politische Karriere in seiner Heimatstadt?

Doch welche politischen Ambitionen hat Prigoschin? Zwischenzeitlich spekulierten westliche Beobachter gar, er könnte sich zum Konkurrenten Wladimir Putins bei den kommenden Präsidentschaftswahlen aufschwingen. Andere wiederum erkannten Pläne, er würde sich als zweiter Mann hinter Putin etablieren wollen, indem er sich zwischen die Militärs und den Kremlchef drängt.

Oder geht es vor allem um Geld? Noch immer besitzt Wagner in Russland keinen legalen Status und erhält somit auch keine Staatsmittel. Der Politiker Prigoschin könnte das womöglich ändern.

Wie genau Prigoschin konkret seine politische Karriere planen könnte, darüber berichtet nun das russische Exilmedium „Meduza“. Demnach versuche Prigoschin, die Kontrolle über die regierungsnahe Partei „Gerechtes Russland“ zu erlangen.

Als Indizien nennt das Portal die zunehmende Annährung zwischen dem Parteichef Sergej Mironow und Prigoschin. Im Zwist zwischen dem Verteidigungsministerium und Prigoschin hatte sich Mironow immer wieder auf die Seite des Söldner-Chefs geschlagen.

Zudem sollen zuletzt vier Mitglieder von „Gerechtes Russland“ aus der Partei ausgetreten sein, um eine eigene Partei zu gründen. Als Grund nannten sie die zunehmende Annäherung zum Wagner-Chef, berichtet „Meduza“.

Politisch Fuß fassen könnte Prigoschin ausgerechnet in seiner Heimatstadt St. Petersburg. Zwei Kreml-Quellen und ein Insider der St. Petersburger Regierung sollen gegenüber „Meduza“ erklärt haben, er strebe eine Führungsposition innerhalb der St. Petersburger Niederlassung der Partei an. Die Schelte für Konkurrent Beglow würde da ins Bild passen.

Erstmals reagiert eine russische Behörde öffentlich auf die Kritik Prigoschins

Fraglich ist, ob die russische Präsidialverwaltung derartige politische Ambitionen dulden würde. Bis zuletzt mied es der Kreml, Prigoschin und seine Söldner-Truppe in öffentlichen Statements zu erwähnen – wohl auch, um nicht den Anschein zu erwecken, es könnte sich um eine legale staatliche Organisation handeln.

Damit ist es nun vorbei, stattdessen versucht man in Moskau jetzt offenbar, Prigoschin öffentlichkeitswirksam zu diskreditieren. In einer Erklärung erwähnte das russische Außenministerium vergangene Woche als erste offizielle russische Regierungsbehörde Prigoschin direkt und wies dessen Kritik an der russischen Agenda für die Präsidentschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zurück.

Auch die Experten des US-Militär-Think-Tanks „Institute for the Study of War“ werten die öffentliche Reaktion des Außenministeriums als weitere Maßnahme, Prigoschins Ansehen in der Öffentlichkeit zu schaden. (Tsp)

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