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Das Dinosauriermuseum in Winton lädt seit 2002 dazu ein, sich auf die Spuren der Urtiere zu begeben.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

Pilgerstätte für Wissenschaftler und Touristen: Dinosaurier-Boom belebt Australiens Wildnis

Spektakuläre Fossilienfunde machen eine abgelegene Region im australischen Outback zum Mekka für Paläontologen. Und eine Kleinstadt freut sich über Besucher aus aller Welt.

Wer nach einer stundenlangen Fahrt durch Australiens Outback in Winton ankommt, der wird von einem Schild begrüßt, auf dem in großen Lettern steht: „Winton – Way Out West“. Tatsächlich sind nur wenige Orte in Australien abgelegener als die Kleinstadt Winton im Westen von Queensland.

1300 Kilometer sind es von hier bis nach Brisbane, in die Hauptstadt des Bundesstaates. Rund 15 Stunden ist man mit dem Auto unterwegs. Obwohl Winton vor über 100 Jahren sogar der Geburtsort der australischen Fluglinie Qantas war, leben inzwischen nur noch rund 1000 Menschen dort.

Ein Bauer machte die Entdeckung

Bis vor wenigen Jahren verirrten sich auch nur wenige Touristen in die einsame Region, in der das Thermometer im Sommer auf 40 Grad und mehr klettert. Doch Winton war nicht immer heiß und trocken. Dort wo heute roter Sand und karges Buschland die Landschaft beherrschen, war in der Kreidezeit – vor rund 95 Millionen Jahren – ein riesiges Binnenmeer umgeben von Sumpflandschaft.

An dieser Stelle im australischen Outback wurde „Ann“ gefunden.
An dieser Stelle im australischen Outback wurde „Ann“ gefunden.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

In dieser Landschaft tummelten sich verschiedene Dinosaurierarten, wie 1999 ans Licht kam. Damals stieß ein Farmer bei der Viehmusterung auf einen massiven Beinkochen, der nur einem der riesigen Reptilien gehören konnte.

Trotz der Größe des Knochens muss man sich dies ein wenig so vorstellen, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden. Allein aufgrund der schieren Größe Australiens und den zahlreichen abgelegenen und unwirtlichen Regionen des fünften Kontinents ist solch ein Fund ein wahrer Glückstreffer.

Schluss mit der Wissenslücke

Bis ins 21. Jahrhundert hinein sei man äußerst selten auf Dinosaurierfossilien in Australien gestoßen, bestätigte Matt Herne, Kurator am Australian Age of Dinosaurs Museum in Winton. Der Inselkontinent galt lange Zeit als eine Art „Wissenslücke“ für Paläontologen.

Die in Australien versteinerten Schädelfragmente sind 98 bis 95 Millionen Jahren alt, hier eine Rekonstruktion, wie das von den Forschern „Ann“ genannte Tier zu Lebzeiten ausgesehen haben könnten. 
Die in Australien versteinerten Schädelfragmente sind 98 bis 95 Millionen Jahren alt, hier eine Rekonstruktion, wie das von den Forschern „Ann“ genannte Tier zu Lebzeiten ausgesehen haben könnten. 

© Australian Age of Dinosaurs Museum

Australische Paläontologen zog es deswegen für die Forschung oftmals ins Ausland. Doch inzwischen werden immer mehr Fossilien gefunden. Einige Medien sprachen bereits von einem „Dinosaurier-Boom“. Kurator Herne befand gar, Fossilien würden jetzt einfach „überall“ gefunden – „bloody everywhere“, wie er im Interview mit dem Nachrichtenmedium News.com.au im australischen Slang sagte.

Kürzlich hat sich auch die „New York Times“ Winton näher angeschaut. Ein Besuch, der den Ansturm auf den beschaulichen Ort im Outback nur noch weiter verstärken dürfte.

60.000 Besucher hat das Dinosauriermuseum in Winton im vergangenen Jahr gezählt, hier eine Gruppe im Fossilienlabor.
60.000 Besucher hat das Dinosauriermuseum in Winton im vergangenen Jahr gezählt, hier eine Gruppe im Fossilienlabor.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

Dabei war David Elliott, jener Farmer, der 1999 mit seinem Fund die Anfänge dieses Booms legte, zunächst unsicher, wie er mit dem versteinerten Riesenknochen umgehen sollte. Denn die anderen Bauern in der Umgebung reagierten eher nervös auf seine Entdeckung. Viele hatten Bedenken, dass ihr Eigentum beschlagnahmt werden könnte, wenn noch mehr Dinosaurierknochen auftauchen würden.

Pilgerstätte für Paläontologen

Doch Elliott ließ sich davon nicht beirren. Er kontaktierte einen Paläontologen und es stellte sich heraus, dass das riesige Fundstück der versteinerte Oberschenkelknochen eines Sauropoden war, der vor etwa 95 Millionen Jahren in Australien umherwanderte. „Wir waren in gewisser Weise ein Testfall für die Region – niemand sonst hatte sich bisher gemeldet“, sagte der 66-jährige Elliott der „New York Times“.

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Seitdem Elliott das Interesse für die kolossalen Kreaturen geweckt hat und in seinem Heimatort Winton mit dem „Australian Age of Dinosaurs Museum“ eine Art Pilgerstätte für Hobby-Paläontologen wie auch für professionelle Wissenschaftler geschaffen hat, sind etliche andere spannende Fossilien aufgetaucht.

Stephen Poropat und Phil Mannion sind zwei der Wissenschaftler, die in Australian Dinsoaurierfunde analysieren.
Stephen Poropat und Phil Mannion sind zwei der Wissenschaftler, die in Australian Dinsoaurierfunde analysieren.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

Darunter ist das Skelett des bisher größten australischen Dinosauriers – Australotitan cooperensis, auch bekannt als „Southern Titan“ – der 2007 in Coopers Creek entdeckt wurde. „Cooper“, wie die Australier ihn liebevoll nennen, ist 2006 von Einheimischen auf ihrem Grundstück westlich von Eromanga entdeckt worden, das rund sieben Autostunden südlich von Winton liegt.

Aus der Antarktis nach Australien

Erst im April wurde bekannt, dass Forscher auch auf einen Sauropodenschädel gestoßen sind. Der nahezu vollständige Schädel eines Dinosauriers mit dem Spitznamen „Ann“ wurde 2018 an der Elderslie Station in der Nähe von Winton ausgegraben. Diamantinasaurus gehört zur Dinosauriergruppe Sauropoda, die für ihre kleinen Köpfe, langen Hälse und Schwänze, tonnenförmigen Körper und vier säulenförmige Beine bekannt ist.

Die versteinerten Schädelfragmente sind 98 bis 95 Millionen Jahren alt. Ähnlichkeiten zwischen dem ausgegrabenen Schädel und einem in Südamerika lebenden Titanosaurier stützten zudem die Theorie, dass Sauropoden die Antarktis als Weg nach Australien nutzten.

Australien bietet ein spannendes Terrain für die Entdeckung neuer Dinosaurier, Krokodile, Flugsaurier, Säugetiere, Vögel und anderer Reptilien aus der Zeit der Dinosaurier.

Matt Herne, Kurator am Australian Age of Dinosaurs Museum

Zuvor war man in der gleichen Umgebung auf Sauropodenzähne und einen neuen Flugsaurier gestoßen. Die versteinerten Knochen dieses fliegenden Reptils wurden auf Viehfarmen in Boulia und Winton geborgen, die etwa 355 Kilometer voneinander entfernt liegen.

Ausgrabungen zum Mitmachen

Der Dinosaurier-Boom lockt inzwischen Tausende Besucher in die Region, die sich heute einer florierenden Tourismusbranche erfreut. Inzwischen zahlen Dinosaurierfans und Hobby-Paläontologen bis zu 3700 Australische Dollar pro Person (umgerechnet über 2300 Euro), um an einwöchigen paläontologischen Ausgrabungen teilnehmen zu dürfen.

Zahlreiche Urlauber stoppen in Winton, um das Dinosauerier-Museum von Farmer Elliott zu besuchen. 2021 soll es 60.000 Besucher nach Winton gelockt haben.

Der nahezu vollständige Schädel des Dinosauriers mit dem Spitznamen „Ann“ wurde 2018 an der Elderslie Station in der Nähe von Winton ausgegraben.
Der nahezu vollständige Schädel des Dinosauriers mit dem Spitznamen „Ann“ wurde 2018 an der Elderslie Station in der Nähe von Winton ausgegraben.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

„Es ist absolut verrückt geworden“, sagte Kev Fawcett, der Besitzer des Winton Hotels, der „New York Times“. In der Wintersaison sei es jetzt so voll, dass Touristen in ihren Autos schlafen und in keinem der drei Caravan-Parks und vier Motels von Winton freie Plätze oder Zimmer zu finden seien.

Elliott ist zuversichtlich, dass sein Museum „eine wichtige internationale Touristenattraktion für Australien“ werden wird, wie er in einer E-Mail schreibt. Dies würde dann auch „zur regionalen Stabilität der Outback-Gemeinden“ beitragen.

Rückkehr der Forscher

Inzwischen kehren sogar einige australische Paläontologen zurück, die zuvor in andere Länder ausgewandert waren. Dort waren in der Vergangenheit mehr Dinosaurierfossilien entdeckt worden. Doch jetzt setzen die Forscher ihre Karriere in der alten Heimat fort.

Neben der Betrachtung der Fundstücke im Museum können fachlich versierte Besucher in Australien auch an Ausgrabungen teilnehmen.
Neben der Betrachtung der Fundstücke im Museum können fachlich versierte Besucher in Australien auch an Ausgrabungen teilnehmen.

© Australian Age of Dinosaurs Museum

Phil Bell zum Beispiel, der inzwischen an der University of New England in Australien forscht, ist aus Kanada zurückgekehrt, um australische Dinosaurier zu erforschen. Er arbeitet inzwischen an neuen Fossilien, die in der Nähe von Lightning Ridge im Outback von New South Wales ausgegraben wurden.

Auch Matt Herne, der Kurator des Museums, hat zuvor in Kanada gelebt, bevor ihn die neuen Entdeckungen zurück in die Heimat lockten. Er erhofft sich, dank der Neuentdeckungen ein neues wissenschaftliches Verständnis des einstigen Superkontinents Gondwana gewinnen zu können, zu dem auch das heutige Australien gehörte.

Der Forscher erwartet weitere Aufsehen erregende Funde: „Australien bietet ein spannendes Terrain für die Entdeckung neuer Dinosaurier, Krokodile, Flugsaurier, Säugetiere, Vögel und anderer Reptilien aus der Zeit der Dinosaurier“, sagt Herne dem Tagesspiegel.

Paläontologen hätten angesichts der enormen Größe des australischen Outbacks bislang „nur an der Oberfläche der Entdeckungen gekratzt“. Australische Universitäten wie die University of Queensland und die University of New England lockten aus diesen Gründen nun sogar internationale Studierende ins Land. Vor 20 Jahren, sagt Herne, sei dies noch undenkbar gewesen.

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