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Ein Propagandafoto des IS zeigt feuernde Kämpfer.

© dpa/Zuma Press/DABIQ

„Islamischer Staat“ in Syrien: Der Schrecken kehrt zurück

Vor vier Jahren zogen sie sich in die Wüste zurück, jetzt ist IS anscheinend zurück. Die Miliz profitiert von den Großmacht-Spannungen in der Region.

Der „Islamische Staat“ geht in Syrien wieder in die Offensive. IS-Kämpfer töteten jetzt innerhalb einer Woche mehr als 40 syrische Regierungssoldaten bei Angriffen im Osten des Landes – und das, obwohl die USA und die Türkei seit Anfang 2022 drei „Kalifen“ des IS getötet haben, um die Terrormiliz zu schwächen.

Die Dschihadisten erstarken, weil sie von Spannungen zwischen Russland sowie der syrischen Regierung auf der einen und den USA auf der anderen Seite profitieren.

Nach der militärischen Niederlage des IS-„Kalifats“ gegen eine US-geführte internationale Allianz im Frühjahr 2019 hatten sich geschlagene Kämpfer in die Badia-Wüste zwischen Syrien und dem Irak zurückgezogen. Andere gingen in den Untergrund und warteten als Schläfer auf Einsatzbefehle.

Von den Verstecken aus greifen die Extremisten seitdem Soldaten und Zivilisten an. Allein zwischen Februar und April töteten sie mehr als 200 Menschen, die in der Badia-Wüste Trüffeln suchten, um mit dem Verkauf der Pilze ihr Einkommen aufzubessern. Die Opfer wurden von IS-Kämpfern getötet oder verirrten sich in Minenfeldern der Terrormiliz.

Angriffe trotz geschwächter Führung

Syriens Armee kann die Angriffe nicht aufhalten. Am Freitag gerieten Militärbusse im ostsyrischen Deir Ezzor in einen Hinterhalt des IS. Die Angreifer töteten nach Angaben des oppositionsnahen Beobachtungszentrums für Menschenrechte mindestens 33 Soldaten; der IS erklärte, 40 Soldaten seien umgekommen.

Wenige Tage zuvor hatten IS-Kämpfer Stellungen der syrischen Armee im nordostsyrischen Raqqa angegriffen und zehn Soldaten getötet.

Der IS startete die neue Offensive, obwohl seine Führung geschwächt ist. Die Miliz hatte erst Anfang August den Tod ihres „Kalifen“ Abu Hussein al-Husseini al-Qurashi bestätigt, der im April vom türkischen Geheimdienst im Norden Syriens getötet worden war.

Nachfolger ist Abu Hafs al-Hashimi al-Qurashi, der bisher nicht in Erscheinung getreten ist. Zwischen 2018 und 2021 kamen drei vorherige „Kalifen“ bei US-Angriffen ums Leben. Eine US-Drohne tötete nach US-Angaben im Juli zudem den IS-Chef für den Osten Syriens – jenen Teil des Landes, in dem jetzt die syrischen Soldaten starben.

Der Druck auf die Miliz hat nachgelassen

Dass die Terrormiliz trotzdem wieder zuschlägt, liegt zum einen an ihrer dezentralisierten Struktur, die es ihr ermöglicht, auch ohne starke zentrale Führung anzugreifen. Geld für Waffen hat der IS ebenfalls noch genug: Während ihres Vormarsches in Syrien und im Irak ab 2014 erbeuteten die Dschihadisten allein in einer Filiale der irakischen Zentralbank in Mossul mehr als 400 Millionen Dollar.

Auch hat der Verfolgungsdruck auf den IS trotz der Militärschläge gegen seine Führungskader nachgelassen. Die USA haben nur noch etwa 900 Soldaten im Osten Syriens stationiert, die zusammen mit der kurdischen Miliz YPG ein Wiedererstarken der Terrormiliz verhindern sollen. Russland, die bestimmende Militärmacht im Westen Syriens, hat Soldaten aus dem Bürgerkriegsland abgezogen, um sie im Krieg gegen die Ukraine einzusetzen.

In letzter Zeit wachsen zudem die Spannungen zwischen den wichtigsten militärischen Kräften in Syrien, was dem IS neuen Spielraum verschafft. Die USA warfen Russland im Juli vor, einige ihrer Kampfdrohnen über Syrien bedrängt zu haben. In mindestens einem dieser Fälle war die bedrängte Drohne nach US-Angaben in einem Einsatz gegen den IS unterwegs.

Krach zwischen Damaskus und Ankara

Pro-iranische Milizionäre, die auf der Seite der syrischen Regierung kämpfen, beschossen am Samstag eine Gasförderanlage im amerikanischen Kontrollbereich Syriens mit Raketen, wie die Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Die türkische Armee hält mehrere Gebietsstreifen im Norden Syriens besetzt und greift dort die Miliz YPG an, die mit den USA verbündet ist. Die israelische Luftwaffe bombardiert regelmäßig iranische Stellungen in Syrien, um Waffentransporte zu verhindern.

Auch politisch sind die Fronten verhärtet. Syriens Präsident Baschar al-Assad lehnt ein Treffen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan ab und verlangt als Vorbedingung für eine Rückkehr zu normalen Beziehungen einen Abzug aller türkischen Truppen vom syrischen Staatsgebiet. Die Türkei weist dies als unannehmbar zurück.

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