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Ziemlich beste Freunde. Donald Trump und Benjamin Netanjahu bei den Vereinten Nationen.

© dpa/Avi Ohayon

Nur „eine interne Angelegenheit“?: Israels Justizreform spaltet die US-Politik

Die Justizreform in Israel sorgt auch in den USA für Konflikte. Linke Demokraten rebellieren gegen das Bündnis mit Israel, Republikaner verlangen unbedingte Unterstützung Netanjahus. Biden laviert.

Die Justizreform der Regierung von Benjamin Netanjahu und der vehemente Protest der Zivilgesellschaft in Israel bringen die politischen Lager in den USA gegeneinander auf. 16 Monate vor der Präsidentschaftswahl hat der Konflikt das Potenzial, zu einem Thema des US-Wahlkampfs zu werden. Gewöhnlich spielt die Außenpolitik dort nur eine geringe Rolle.

Linke Demokraten rebellieren gegen das enge Bündnis der USA mit Israel und verlangen, die umfangreiche finanzielle wie militärische Hilfe an Bedingungen zu knüpfen. Diese Forderung wird laut Umfragen von einer Mehrheit der jüdischen US-Bürger geteilt.

Republikaner beharren hingegen auf einer unbedingten Unterstützung des Staates Israel sowie der Regierung Netanjahu, denn diese sei demokratisch gewählt. Die republikanische Präsidentschaftskandidatin Nikki Haley griff Präsident Joe Biden jetzt bei einem Forum christlicher Zionisten an.

Biden betont „eisernes Bündnis“ mit Israel

Dabei wendet sich Biden nicht gegen die Justizreform, sondern laviert mit vorsichtigen Formulierungen. Die Abstimmung der Knesset über den ersten Teil der Justizreform nannte er „unglücklich“. Er unterstütze „die Bemühungen des Präsidenten Herzog und anderer israelischer Meinungsführer, durch politischen Dialog einen breiteren Konsens herzustellen“. Zugleich betont er das „eiserne Bündnis“ und die „unauflösliche Verbindung“ mit Israel.

Haley betont, die USA sollten sich „nicht in interne Debatten“ Israels einmischen. „Wir brauchen einen Präsidenten, der nicht nur Israel respektiert, sondern das Recht des israelischen Volkes, sich selbst zu regieren.“

Kurz zuvor hatte Pramila Jayapal Aufsehen erregt, eine demokratische Kongressabgeordnete indischer Herkunft aus dem Westküsten-Staat Washington. Sie sagte bei einer propalästinensischen Kundgebung in Chicago: „Wir kämpfen dafür, der Öffentlichkeit bewusst zu machen, dass Israel ein rassistischer Staat ist. Dass das palästinensische Volk ein Recht auf Selbstbestimmung und Autonomie hat. Und dass der Traum von der Zwei-Staaten-Lösung uns langsam entgleitet.“

Ist Israel ein „rassistischer Staat“?

Die Beschreibung Israels als „rassistischer Staat“ beherrschte mehrere Tage die Schlagzeilen. Moderate Demokraten kritisierten die Formulierung und zwangen Jayapal zu einem Teilrückzug. Nicht die Idee eines israelischen Staats und eines israelischen Staatsvolks sei rassistisch, stellte sie klar, sondern die praktische Politik der aktuellen Regierung.

Aus drei Gründen spitzt sich der Konflikt zu, obwohl auch in den USA eine politische Sommerpause herrscht. Erstens stellen die Lager zwei Grundprinzipien des demokratischen Selbstverständnisses der Amerikaner gegeneinander: „checks and balances“ versus „government of the people, by the people, for the people“.

Zweitens haben sich die Einstellungen der Gesellschaft zum Nahostkonflikt über die Jahre zu Ungunsten Israels verschoben, insbesondere bei den Demokraten. Drittens konkurrieren beide Lager um die Stimmen und die Wahlkampfspenden der jüdischen Amerikaner.

Jon Alterman, Nahostexperte des Centers für Strategische und Internationale Studien (CSIS) in Washington nennt die Justizreform „den dritten großen Wendepunkt in der Geschichte Israels“ nach der Staatsgründung 1948 und dem Sechs-Tage-Krieg 1967, in dessen Folge sich Israels Herrschaftsbereich weit ausdehnte und 1,3 Millionen Araber unter seine Kontrolle kamen, jedoch ohne Aussicht auf die Staatsbürgerschaft.

Mit der Justizreform „riskiert Israel das Ende des Prinzips der Gewaltenteilung“, sagt Alterman. Deren Zweck, die Kontrolle von Exekutive und Legislative durch Gerichte, sei für viele heutige Bürger Israels ein Relikt der Dominanz der Ashkenasi, der europäisch geprägten Staatsgründer. Die orientalischen Zuwanderer betrachteten die Gerichte als Hindernis für die Entwicklung Israels zu einem jüdischen, auch religiös geprägten Staat. Und sie würden im Volkswillen, auf den sich die Regierung stütze, den höchsten Ausdruck der Demokratie sehen.

Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee (AJC) Berlin, sagt: „Das AJC ist tief besorgt über die Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel im Rahmen der Justizreform. In Stellungnahmen und direkten Gesprächen mit Israels Regierung und Premier Netanjahu hat das AJC darauf gedrängt, dass grundlegende Änderungen des Justizsystems das Ergebnis eines beratenden und inklusiven Prozesses sein sollten.“

Dass Premier Netanjahu „die Override Clause“ aus dem Reformpaket herausgenommen hat, „ist ein erster guter Schritt“. Sie hätte es der Knesset erlaubt, die Grundgesetze und Urteile des Obersten Gerichts durch Mehrheitsbeschluss außer Kraft zu setzen, sagt Leemhuis. „Wir rufen aber weiter dazu auf, dass die Regierung mit der Opposition unter Vermittlung von Präsident Herzog den größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens herstellt, um der stärker werdenden Polarisierung der israelischen Gesellschaft entgegenzuwirken.“

Die Umfragen zu Israel ändern sich

Nach einer Gallup-Umfrage zeigen US-Demokraten inzwischen mehr Sympathie mit den Palästinensern (49 Prozent) als mit den Israelis (38 Prozent). Republikaner steht mit 78 zu elf Prozent auf der Seite Israels.

Die University of Maryland fand in einer Studie heraus: Drei Viertel der Amerikaner, darunter auch zwei Drittel Republikaner, wollen lieber ein demokratisches Israel sehen, auch wenn es kein jüdischer Staat mehr ist, als ein Israel, das Nicht-Juden weder die rechtliche Gleichstellung garantiert noch die Staatsbürgerschaft anbietet.

Donald Trump bemüht sich mit dem Hinweis auf antiisraelische Stimmungen bei den Demokraten um die Stimmen und Wahlkampfspenden der jüdischen Amerikaner. Er empört sich über linke Demokraten, die aus Protest gegen Menschenrechtsverletzungen Israels nicht zu Präsident Herzogs Rede im US-Kongress kamen. Und er lobt sich als den für Israel besten US-Präsidenten aller Zeiten. Doch der Großteil der jüdischen Amerikaner bevorzugt unverändert die Demokraten.

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