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Somalia, einer der Hotspots bitterer Not, hier im Sommer dieses Jahres: Rachid, ein schwer unterernährtes Baby, wird in einer Klinik vermessen. 

© dpa/Eva-Maria Krafczyk

Nothilfebedarf auf Höchststand: Milliarden für Fußball, kein Geld gegen Hunger

339 Millionen: Ein neue Rekordzahl von Menschen wird 2023 nach UN-Schätzungen auf der Flucht oder vom Hungertod bedroht sein. Die reichen Länder müssen handeln.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Kriegsflüchtlinge, Ausgebombte, Vertriebene, Hungernde, Klimaopfer - die Zahl der Menschen, die weltweit existenzielle Not leiden, scheint nur eine Richtung zu kennen: Nach oben.

Und das seit Jahren und nicht einmal langsam. Mit 339 Millionen Menschen, die auf Nothilfe angewiesen sein werden, rechnet das UN-Büro für humanitäre Hilfe (Ocha) im Jahr 2023. Das sind 19 Prozent, ein knappes Fünftel mehr als noch in diesem Jahr.

Und dabei hat die Welt erst vor wenigen Jahren die Zahlen der größten Flüchtlingsbewegung der neueren Geschichte hinter sich gelassen, des Zweiten Weltkriegs.

Die Ärmsten sind am wenigsten schuld

Mehr als 50 Milliarden US-Dollar werden nach Rechnung von Ocha nötig sein, um - nein, keineswegs allen zu helfen, die es nötig haben, sondern „nur“ jenen, die die Weltorganisation für ganz besonders gefährdet hält. Das sind, ebenfalls eine erschreckende Zahl, zwei Drittel jener 339 Millionen.

Bilder hungernder Kinder, verzweifelter Menschen in den Trümmern ihrer Häuser - die allermeisten im Süden des Planeten - wir sehen sie täglich. Sie brechen einem abwechselnd das Herz oder werden nur noch achselzuckend registriert. Es ist einfach zu viel.

Kriege sind ebensowenig Naturkatastrophen, wie es der Hunger ist: Er entsteht durch erzwungene Landflucht, Landraub, schlechte Verteilung, und er wird als Kriegswaffe eingesetzt. Von Dürre, Überschwemmungen, Wetterextremen ganz zu schweigen, die in diesem Ausmaß ebenfalls menschengemacht sind. Sie sind Teil des Klimawandels. Naturkatastrophen sind längst nicht mehr das Werk von Mutter Natur.

Und die Ärmsten sind zugleich auch die, die an alledem am wenigsten schuld sind. Die reichen Länder sind es, deren Verbrauch von Ressourcen am höchsten und klimaschädlichsten ist.

Die märchenhaft Reichen knausern

Ohne die Schuld lokaler Warlords zu schmälern, die ihre Gesellschaften gnadenlos zum eigenen Zweck massakrieren und verhungern lassen: Auch viele der laufenden Kriege haben mit Ressourcenknappheit, mit Wassermangel zu tun, der durch die Klimaveränderungen entstanden ist.

51,5
Milliarden Dollar brauchen die Vereinten Nationen im nächsten Jahr als Nothilfe - noch mehr als im letzten Jahr, als der Betrag von ursprünglich 40 auf 50 Milliarden kletterte.

Die Reichen sind daher in der Pflicht. Und dies keineswegs nur im globalen Norden. Dass sich der Reichtum in einigen Teilen der Welt geradezu obszön häuft, scheint das Problem gerade nicht zu verkleinern. Die WM in Katar kostet astronomische 200 Milliarden Dollar, Saudi-Arabien hat soeben einen einzigen Spieler, Cristiano Ronaldo, für 200 Millionen pro Saison eingekauft.

Wenn die UN in den letzten Jahren rief, stieß sie in beiden Ländern auf taube Ohren. Macht Überfluss Not womöglich unvorstellbar?

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