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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel. 

© AFP/John Thys

Update

Nach monatelanger Blockade: Deutschland stimmt EU-Verordnung zur Migration zu

Die Bundesregierung stimmt der neuen Asyl-Krisenverordnung der EU zu. Innenministerin Faeser spricht von einem „hervorragend ausgehandelten Kompromiss“, äußert aber auch Bedenken.

| Update:

Nach monatelanger Blockade stimmt Deutschland der Krisenverordnung der EU zur Migration zu. Das kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel an und sprach von einem „hervorragend ausgehandelten Kompromiss“.

Damit ist nach Angaben des spanischen Innenministers und amtierenden Ratsvorsitzenden Fernando Grande-Marlaska der Weg frei für den letzten Baustein der europäischen Asylreform.

Anhaltende Bedenken an der umstrittenen Verordnung bestünden laut Faeser dennoch. „Obwohl wir noch weiteren Änderungsbedarf hätten und auch darüber hinaus, werden wir heute unserer Verantwortung gerecht“, sagte die Bundesinnenministerin. 

Die Krisenverordnung sieht deutlich verschärfte Maßnahmen vor, wenn durch besonders viele Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht. Die Grünen in der Ampel-Koalition hatten die deutsche Zustimmung lange blockiert, da sie eine Aushöhlung der Asylstandards fürchteten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gab dann aber offenbar die Zustimmung vor. 

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Scholz hatte am Tag zuvor ein Machtwort im Streit um die geplante EU-Krisenverordnung gesprochen. Ein entsprechender Bericht der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) wurde dem Tagesspiegel bestätigt. Demnach will Deutschland keinen Widerstand mehr leisten und „nichts aufhalten“.

Scholz habe das auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mitgeteilt. Sie hatte sich für eine Blockade ausgesprochen. In Deutschland äußerten Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln „Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland“ setzen könnten.

Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte.

Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine zügige Beilegung des Streits gefordert. Dass es eine schnelle politische Einigung brauche, zeige auch die fortgesetzte Instrumentalisierung von Migranten durch Länder wie Belarus, sagte sie am Mittwoch am Rande eines Treffens mit der neuen lettischen Ministerpräsidentin Evika Silina. Es sei wichtig, gemeinsame Regeln zu haben.

Bundesregierung lehnte spanischen Vorschlag ab

Gestritten wurde insbesondere darum, dass die Bundesregierung einen Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft für eine Krisenverordnung bislang nicht unterstützen wollte. Diese sieht auch gemeinsame Regeln für den Fall vor, dass Nicht-EU-Länder gezielt Migranten in EU-Länder leiten, um diesen zu schaden.

Berlin begründete die Ablehnung des Vorschlags in Brüssel bislang insbesondere damit, dass EU-Staaten über die Verordnung bei einem besonders starken Zustrom von Migranten die Möglichkeit bekämen, die Schutzstandards für diese Menschen in inakzeptabler Weise abzusenken.

Wir müssen das EU-Asylsystem endlich so reformieren, dass wieder geordnete und humanitäre rechtsstaatliche Verfahren und eine faire Verteilung möglich sein wird.

Terry Reintke, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament

So soll etwa in Krisensituationen der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.

Ärger über Stillstand

Aus Ärger über den Stillstand kündigte das Europaparlament in der vergangenen Woche an, andere Teile der Verhandlungen über die geplante Asylreform bis auf Weiteres zu blockieren. Brisant sind die Verzögerungen vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024.

Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern.

Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. Die Reform soll auch dazu beitragen, die illegale Migration zu begrenzen, und dürfte deswegen auch bei anstehenden Wahlen in den Mitgliedstaaten und der Europawahl eine Rolle spielen. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit Langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.

Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, hatte am Mittwoch vor Scholz’ Machtwort ein Ende der Blockade in den Verhandlungen über eine europäische Asylreform gefordert. „Wir müssen das EU-Asylsystem endlich so reformieren, dass wieder geordnete und humanitäre rechtsstaatliche Verfahren und eine faire Verteilung möglich sein wird“, sagte sie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. (Tsp, dpa/AFP)

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