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Antony Blinken , Außenminister der USA, und Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, geben eine gemeinsame Pressekonferenz.

© dpa/AP/AFP Pool/Ronaldo Schemidt

Update

Nach Anschlag in Ost-Jerusalem: US-Außenminister mahnt bei Israel-Besuch zur Deeskalation

Am Freitag erschoss ein 21-Jähriger sieben Israelis, die gerade eine Synagoge verließen. Infolge des Anschlags kündigte die israelische Regierung harte Maßnahmen an.

| Update:

US-Außenminister Anthony Blinken hat bei einem Besuch in Israel „dringende Schritte“ angemahnt, um die Lage nach der jüngsten Gewalteskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt zu beruhigen. Er fordere alle Seiten auf, jetzt Maßnahmen zur „Wiederherstellung der Ruhe und zur Deeskalation zu ergreifen“, sagte Blinken am Montag in Jerusalem nach einem Gespräch mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu.

Sein Gespräch mit Netanjahu bezeichnete Blinken als „sehr offen“. „Wir wollen dafür sorgen, dass ein Umfeld entsteht, in dem wir, so hoffe ich, irgendwann die Voraussetzungen dafür schaffen können, dass Israelis und Palästinenser gleichermaßen ein Gefühl der Sicherheit wiedererlangen“, sagte der US-Außenminister auf einer Pressekonferenz.

Blinken sagte, er habe mit Netanjahu auch über die Aufrechterhaltung des Status quo auf dem für Juden und Muslime heiligen Tempelberg in Jerusalem gesprochen. Anfang Januar hatte der neue rechtsextreme Sicherheitsministers Itamar Ben Gvir den Tempelberg besucht, was von mehreren arabischen Staaten als Akt der Provokation verurteilt worden war.

Am Freitag hatte ein bewaffneter Palästinenser vor einer Synagoge in Ostjerusalem sieben Menschen getötet, am Samstag folgte ein weiterer Anschlag, bei dem ein 13-jähriger Palästinenser in Ost-Jerusalem zwei Israelis schwer verletzte. Zuvor waren am Donnerstag bei einer Razzia in einem Flüchtlingslager im Westjordanland zehn Palästinenser von israelischen Soldaten getötet worden.

An diesem Montag töteten israelische Truppen im besetzten Westjordanland einen palästinensischen Autofahrer, wie Vertreter beider Seiten mitteilten. Nach Angaben der israelischen Armee hatte das Auto zuvor einen Soldaten angefahren. Der 26-Jährige starb an „einer Schusswunde am Kopf“, die ihm israelische Soldaten in Hebron zugefügt hätten, wie das palästinensische Gesundheitsministerium erklärte.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte am Montag, die Bundesregierung verfolge die Lage in Israel „mit sehr großer Sorge“. „Es geht nun wirklich darum, alles daran zu setzen, diese brenzlige Lage, diese angespannte Lage zu entschärfen“, sagte sie. Dazu sei auf beiden Seiten „Bereitschaft zum Dialog“ nötig. Die Sprecherin teilte zudem mit, dass Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) „mit den Partnern in der Region“ in Kontakt stehe.

„Einer der schlimmsten Angriffe der vergangenen Jahre“

Bei dem Anschlag am Freitag seien zudem drei Personen verletzt worden, darunter ein 15-Jähriger, wie die israelische Polizei mitteilte. Unter den Toten sei auch eine Frau, die aus der Ukraine stammte. Laut Behörden sei der Anschlag „einer der schlimmsten Angriffe der vergangenen Jahre“ gewesen.

Die USA bezeichneten den Angriff am Freitag als „absolut entsetzlich“. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „schrecklichen Terrorangriff“, der auch „ein Angriff auf die zivilisierte Welt“ gewesen sei.

Der Attentäter hatte das Feuer in dem Moment eröffnet, als die Menschen das Gotteshaus nach dem Schabbat-Gebet verließen. Nach Polizeiangaben nähert sich der Täter der Synagoge im Viertel Newe Jaakow gegen 20.15 Uhr Ortszeit (19.15 Uhr MEZ) und schoss dann „auf mehrere Menschen in der Umgebung“. Der Täter sei danach in einem Auto geflohen, aber kurz darauf von Polizisten gestellt und erschossen worden.

Polizei geht von terroristischem Hintergrund aus

Bei dem getöteten Täter handelt es sich nach Behördenangaben um einen 21-jährigen Palästinenser aus dem Flüchtlingslager Schuafat. Nach dem Anschlag wurden 42 Menschen zur Befragung festgenommen, darunter Angehörige und Nachbarn des Attentäters.

Der israelische Polizeipräsident Kobi Schabtai sprach von einem „schweren und komplexen Anschlag“. Die Polizei geht von einem terroristischen Hintergrund aus.

Netanjahu kündigt Politik der „harten Hand“ an

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte infolge des Anschlags eine Politik der harten Hand an. „Wir suchen keine Eskalation, aber wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet“, sagte der Regierungschef am Sonntag in Jerusalem. „Unsere Antwort auf Terror sind eine harte Hand und eine starke, schnelle und gezielte Reaktion“, so Netanjahu.

Unsere Antwort auf Terror sind eine harte Hand und eine starke, schnelle und gezielte Reaktion.

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident Israel

Netanjahu kündigte zudem an, härter gegen Angehörige von Attentätern vorgehen. So soll „Familien von Terroristen, die Terrorismus unterstützen“ künftig die Sozialhilfe gestrichen werden.

Auch werde die Regierung über einen Gesetzentwurf beraten, wonach Angehörigen ihre israelischen Ausweise entzogen werden können. Die Minister einigten sich zudem auf einen leichteren Zugang zu Waffen für Zivilisten.

Bereits am Freitagabend besuchten Netanjahu und der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, den Tatort. Aus der Menge ringsum war nach Angaben von AFP-Journalisten der Ruf „Tod den Arabern“ zu hören.

Anschlag als „Vergeltung für den Überfall“ in Dschenin?

Der Anschlag geschah nur einen Tag nach einer Razzia der israelischen Armee in Dschenin, bei der insgesamt zehn Palästinenser getötet wurden – darunter auch Mitglieder der militanten Gruppierung Islamischer Dschihad, die sich ein Feuergefecht mit den Soldaten geliefert hatten.

Auf den Anschlag bei der Synagoge reagierten Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland mit Freudenfeiern. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas bezeichnete ihn als „Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin“.

Palästinenser versammeln sich am 27. Januar 2023 in Gaza-Stadt, nachdem ein palästinensischer Bewaffneter vor einer Synagoge in Ost-Jerusalem um sich geschossen hat. 

© AFP/MAHMUD HAMS

Am Sonntag soll in der Nähe einer jüdischen Siedlung im von Israel besetzten Westjordanland ein Palästinenser von israelischen Sicherheitsleuten erschossen worden sein, wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte. Nach Angaben des israelischen Militärs war der 18-Jährige mit einer Pistole bewaffnet gewesen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde machte Israel für die neu aufgeflammte Gewalt in Nahost verantwortlich. Israel trage die „volle Verantwortung für die gefährliche Eskalation“, erklärte die Behörde.

Israels Siedlungspolitik sorgt für Konfrontationen mit den USA

Im Einklang mit seinen radikalen Partnern kündigte Netanjahu am Sonntag auch eine Ausweitung des israelischen Siedlungsprojekts in den besetzten Gebieten an. Damit wolle man „den Terroristen, die uns aus unserem Land entwurzeln wollen, klarmachen, dass wir hier bleiben“.

Israelische Bürger legen in Tel Aviv eine Schweigeminute für die Opfer eines Anschlags vom Freitag in Jerusalem ein, bei dem sieben Israelis getötet wurden.

© dpa/Tsafrir Abayov

Damit begibt er sich jedoch auf Konfrontationskurs mit Israels wichtigstem Bündnispartner, den USA. US-Außenminister Antony Blinken, der am Montag in Israel erwartet wird, hatte die Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland erst im vergangenen Monat mit deutlichen Worten kritisiert.

„Wir werden uns auch weiterhin unmissverständlich allen Handlungen entgegenstellen, die die Aussichten auf eine Zweistaatenlösung untergraben“, so Blinken.

„Bösartiger Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag“

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sprach auf Twitter von einem „bösartigen Terrorakt gegen Juden am Holocaust-Gedenktag“.

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Am Freitag wurde in vielen Ländern, darunter in Deutschland, der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gedacht.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Tat nach Angaben eines Sprechers scharf. Es sei „besonders abscheulich, dass dieser Angriff auf eine religiöse Stätte und am internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand“. (Sara Lemel/dpa, KNA, AFP)

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