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Luftaufnahme gebrauchter russischer Granathülsen nahe der Stadt Charkiw vergangenen November.

© REUTERS/stringer

Munitions-Not in Russland: „Sie holen Mikrochips aus Waschmaschinen und bauen sie in Raketen ein“

Der Munitionsmangel in der Armee zwingt die russische Kriegswirtschaft dazu, extreme Maßnahmen zu ergreifen. Das zumindest berichtet der Chef des ukrainischen Nachrichtendienstes, Kyrylo Budanow.

Bei ihrer Kriegsführung stützt sich die russische Armee vor allem auf den intensiven Einsatz von Artilleriefeuer. Gegnerische Stellungen werden mitunter tagelang bombardiert, bevor Infanterieeinheiten nachrücken. Ein Vorgehen, das immense Mengen an Munition verbraucht.

Über die Wintermonate, in der sich der Krieg in der Ukraine in einen Abnutzungskrieg verwandelte, reduzierte die russische Armee ihre Artilleriesalven jedoch zunehmend. Militärexperten und Geheimdienste führen das auf einen Mangel an Munition zurück.

Bereits im Dezember schrieben die renommierten Militärexperten Michael Kofman und Rob Lee in einer gemeinsamen Analyse, dass Russland einen Großteil seiner Raketenbestände sowie seiner 152-Millimeter-Projektile in den ersten Kriegsmonaten verfeuert und nun mit Engpässen zu kämpfen hätte.

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Wie schwerwiegend diese sind, darüber äußert sich der Chef der Hauptdirektion des Nachrichtendienstes der Ukraine (GUR), Kyrylo Budanow, in einem Interview mit dem ukrainischen „Forbes“-Magazin.

Munitions-Not in Russland: „Es gibt einfach nicht genug“

Russland könne mit seiner Ausstattung nicht erfolgreich in die Offensive gehen. „Die Tatsache, dass in Russland nun eine Massenproduktion für Artilleriemunition anläuft, macht deutlich, dass es keine Lagerbestände mehr gibt“, übersetzt ihn die Internetseite „Wartranslated“ aus dem Ukrainischen. „Es gibt einfach nicht genug“, sagt er.

Dass die russische Kriegsindustrie die Lücke schließen kann, daran glaubt der Geheimdienst-Chef nicht. „Dazu werden sie niemals in der Lage sein. Russland ist nicht die Sowjetunion. Das haben sie bereits zu spüren bekommen und erkannt.“

Leiter der Hauptnachrichtendirektion des Verteidigungsministeriums der Ukraine, Kyrylo Budanov (l.), und der ukrainische Präsidialamtsleiter Andrii Yermak.

© IMAGO/NurPhoto

Viele der dafür erforderlichen Produktionsstätten hätte Russland in den vergangenen 30 Jahren abgebaut. Zudem hätte man wie alle anderen Post-Sowjet-Staaten große Teile seiner Munitionsbestände verkauft. „Es gibt keine Kapazitäten. Wenn man 30 Jahre lang nichts getan hat, kann man nicht vom einen auf den anderen Tag, während des Kriegs und unter Sanktionen, tun, was man will“, beschreibt Budanow die Situation.

Ukraine-Krieg: Russland schlachtet offenbar Staubsauger und Waschmaschinen für seine Kriegsproduktion aus

Was die russische Kriegsproduktion zusätzlich behindert, ist der Mangel an Halbleitern. Sie sind für die Herstellung vieler Waffensysteme essenziell.

Bereits vergangenen Oktober erklärte das US-Finanzministerium, die westliche Blockade von Halbleitern – „der Lebensader der russischen Waffenproduktion“ – habe die Importe nach Russland um schätzungsweise 70 Prozent einbrechen lassen. Die Produktion von Hyperschallraketen, Boden-Luft-Raketen und fliegenden Radarsystemen werde dadurch massiv eingeschränkt oder sei sogar ganz zum Erliegen gekommen.

In seiner Halbleiter-Not schlachte das russische Militär Spülmaschinen und Kühlschränke aus, „um seine militärische Hardware zu reparieren“, heißt es weiter. Gleichzeitig schnellte der Import von Halbleitern und anderen Gütern aus China rasant in die Höhe: bei Mikro-Chips im Zeitraum zwischen März und Juni laut dem „Mercator Institute for China Studies“ um 209 Prozent.

Im Interview mit „Forbes“ bestätigt Budanow diese Entwicklung: „Die Russen sind inzwischen so weit, dass sie Waschmaschinen und Staubsauger kaufen und die Mikrochips herausholen, die sie dann in Raketen einbauen.“ Der Import von Mikrochips aus China ist laut seinen Angaben mittlerweile sogar um 500 Prozent angestiegen.

Welche Auswirkungen die Munitionsknappheit auf das Geschehen an der Front hat, zeigte sich in den vergangenen Monaten. Dort versuchte die russische Armee, den Nachteil vor allem durch den Einsatz von Infanterie zu kompensieren, was zu massiven Verlusten führte. (Tsp)

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