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A Ukrainian serviceman, of the 10th separate mountain assault brigade of the Armed Forces of Ukraine, fires an anti-tank grenade launcher at his position at a front line, amid Russia's attack on Ukraine, near the city of Bakhmut in Donetsk region, Ukraine July 13, 2023. REUTERS/Sofiia Gatilova     TPX IMAGES OF THE DAY

© REUTERS/stringer

Einschätzung von Militärexperten: Ist die Offensive der Ukrainer tatsächlich im ersten Anlauf gescheitert?

Kiew kann derzeit nur langsam und Stück für Stück besetzte Gebiete zurückerobern. Was das für den weiteren Verlauf der Offensive bedeutet.

Die Ukrainer kommen mit ihrer Gegenoffensive, deren Fokus auf dem Süden des Landes liegt, schrittweise voran. Militärexperten und auch westliche Entscheidungsträger werfen allerdings schon seit Wochen die Frage auf, warum Kiew die Offensive trotz Mangel an Munition und schweren Waffen gestartet und nicht auf weitere Lieferungen aus Nato-Staaten gewartet hat.

Gustav Gressel, Militärexperte beim European Council on Foreign Relations (ECFR), war bis zum vergangenen Wochenende selbst in der Ukraine – und erhielt eine klare Antwort: Die Offensive startete so früh, weil die Russen die Repressionen in den besetzten Gebieten im Süden verstärkt haben.

„Es werden nicht mehr nur die Menschen ausfiltriert, die eindeutig ukrainisch sind, sondern nun auch die, die nicht eindeutige Sympathiebekundungen gegenüber Russland abgeben. Also auch die, die keinen russischen Pass annehmen beispielsweise. Das sind völlig verschiedene Größenordnungen“, berichtet Gressel dem Tagesspiegel. „Diese Leute wollen die Ukrainer nicht zurücklassen.“

Als die Gegenoffensive begann, machten die Ukrainer dann fast keine Fortschritte und änderten schon nach einer Woche die Taktik. Mit dieser hole man sich Gelände immer nun sehr kleinräumig, berichtet Gressel.

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Das Grundziel sei aber gleich geblieben: das Heranschieben an die Hauptverteidigungslinien der Russen, um dort die Stelle für den Durchbruch zu finden. „Da sind die Ukrainer jetzt schon deutlich weiter. An manchen Stellen der Frontlinie könnte es schon bald klappen“, sagt Gressel.

Wie könnte es weitergehen und worauf wird es für die Ukraine ankommen?

Das Problem sei, dass eine Phase, die eigentlich ein paar Wochen in Anspruch nehmen sollte, nun zwei Monate dauern wird, bis vermutlich Ende Juli. „Mit größeren Fortschritten und einem Bewegungskrieg ist erst im August und September zu rechnen. Das ist natürlich vor dem Hintergrund, dass das Ziel die schnelle Befreiung der südlichen Gebiete ist, bitter“, sagt Gressel.

Die Chancen, die Ziele der Gegenoffensive zu erreichen, schätzt Gressel zwar noch als groß ein. Allerdings ist er zunehmend beunruhigt aufgrund der Verluste. „Die Frage, die sich mir stellt, ist deshalb vor allem, inwieweit sie das Durchhaltevermögen über den Winter hinaus beeinflusst.“

Auch der ehemalige Zwei-Sterne-General der australischen Armee und Experte am Center for Strategic and International Studie in Washington, Mick Ryan, sieht den Krieg in den „harten Wochen oder Monaten“ angekommen. Man sei über die Anfangsphase der Gegenoffensive hinaus, nun versuche jede Seite, eine Schwachstelle im taktischen und operativen Manöver-Plan des Gegners zu finden, erklärte er gegenüber dem Tagesspiegel. Die Verluste seien auf beiden Seiten enorm hoch. Auch er rechnet damit, dass die Gegenoffensive erst in einigen Wochen ihren Höhepunkt erreichen werde.

Für die Ukraine sei in den kommenden Wochen insbesondere die Versorgung mit Präzisionsmunition, aber auch normaler Artilleriemunition, von großer Bedeutung. Ebenso die Luftverteidigung und die Kapazitäten, beschädigtes Equipment wieder instand zu setzen. Vor allem der Westen sollte aus Sicht des Ex-Generals mehr leisten. Kampfflugzeuge und mehr taktische Luftabwehrsysteme müssten so schnell wie möglich geliefert werden. Die Bereitstellung von Minenräumfahrzeugen sei ebenso unerlässlich.

Zur Frage, ob die erste Phase der Gegenoffensive gescheitert sei, äußert sich Ryan zurückhaltend: „Niemand weiß genau, welche Ziele die Ukraine in den verschiedenen Phasen ihrer Offensive 2023 tatsächlich verfolgt.“ Aus öffentlich zugänglichen Erklärungen der ukrainischen Regierung und des Militärs sei im Allgemeinen bekannt, dass der Süden und Osten so weit wie möglich befreit werden solle. „Ohne jedoch zu wissen, was die Hauptziele für die Anfangsphasen waren, kann man nicht definitiv von einem Scheitern sprechen“, so Ryan.

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