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Ab sofort soll es mehr Wohnungen für Mieter anstatt für Touristen geben.

© Ulf Lippitz

Mietendeckel, Zwangsvermietung, Verbote: So radikal kämpft Portugal gegen die Wohnungsnot

Auch in Portugal steigen die Mieten, die Regierung will nun mit strikten Maßnahmen gegensteuern. Das werden auch Urlauber zu spüren bekommen.

„Senkt die Mieten“, sprühten Unbekannte auf etliche Hausfassaden in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. „Es reicht“, rufen die Demonstranten, die seit Wochen durch Lissabon und andere Städte marschieren und beklagen, dass ihre Löhne nicht mehr reichen, um die immer höheren Wohnungsmieten zu bezahlen. Mieten, die Sprünge von jährlich zehn Prozent oder sogar mehr machten.

Als Folge rollt derzeit eine Protest- und Streikwelle durch das Land, welche die Regierung zunehmend in Bedrängnis bringt.

Der Druck der Straße bleibt nicht ohne Wirkung: Portugals sozialdemokratischer Regierungschef António Costa, der mit absoluter Mehrheit regiert, kündigte einen Krisenplan an, um die große Wohnungsnot in dem EU-Land zu bekämpfen.

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Verbot von Urlaubsapartments

„Niemand kann die Auswirkungen ignorieren, welche die brutalen Steigerungen der Mietpreise verursachen“, erklärte Costa. „In den vergangenen Jahren stiegen die Mieten sehr viel mehr als die Inflation. Diese Preise sind zu hoch.“

720.000 
Wohnungen in Portugal stehen laut Statistikamt leer.

Das Krisenprogramm „Mehr Wohnraum“, das formal noch vom Parlament gebilligt werden muss, enthält drastische Schritte. Allen voran das Verbot von neuen Touristenapartments, deren Verbreitung die Immobilienpreise und die Spekulation anheizten. In der Innenstadt Lissabons gibt es heute in manchen Vierteln mehr Ferienapartments als normale Mietwohnungen.

Das vergangene Jahr bescherte Portugal Rekordeinnahmen aus dem Tourismus, der das wichtigste Standbein der Nation ist und rund 15 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.

Abschaffung des „goldenen Visa“

Nun also soll ein Moratorium helfen: Es gibt keine Lizenzen mehr für Urlaubsapartments. Wenigstens nicht in den touristischen Hochburgen Lissabon, Porto und an der Algarve-Küste.

Nur noch in ländlichen Gebieten, in denen der Immobilienmarkt noch nicht aus den Fugen geraten ist, soll es noch Ausnahmen geben. Zudem sollen Ferienvermieter mit Steuergeschenken dazu bewegt werden, ihre Apartments wieder in normalen Wohnraum zu verwandeln.

Das Geschäft mit dem Urlaub blüht in Portugal. Bei mittleren Tarifen von 100 Euro pro Tag lohnt sich die Vermietung eines Apartments an Touristen sehr viel mehr als an einen festen Mieter.

In den letzten Jahren stiegen die Mieten sehr viel mehr als die Inflation. Diese Preise sind zu hoch.

António Costa, Portugals Regierungschef

In einem weiteren Schritt werden die „goldenen Visa“ abgeschafft, mit denen Portugal seit zehn Jahren ausländische Immobilieninvestoren ins Land lockt. Es ging bisher an jene Investoren aus Nicht-EU-Ländern, die mehr als 500.000 Euro in Immobilien investierten.

Mehr als 1000 wohlhabende Ausländer machten jedes Jahr davon Gebrauch und erhielten dafür Reisefreiheit im Schengenraum. Dabei handelte es sich vor allem Chinesen, aber auch um Amerikaner, Brasilianer und Russen, die ihr Geld vorzugsweise in Ferienwohnungen anlegten.

Jährliche Mietenbremse

Auch die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt sollen gedeckelt werden. Im Zuge eines Inflationsentlastungspakets war bereits 2022 beschlossen worden, dass bei bestehenden Verträgen die Miete nur um maximal zwei Prozent steigen darf.

Was manche Vermieter dazu verleitete, alte Verträge zu kündigen, um mit einem neuen Vertrag einen dicken Aufschlag fordern zu können. Nun wird auch dieser Lücke ein Riegel vorgeschoben, mit einer jährlichen Mietenbremse, die sich ebenfalls am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent orientieren soll.

Der Wohnungskrisenplan und vor allem der Mietendeckel verärgern die Verbände der Wohnungsbesitzer, die mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht drohen. Auch die Ankündigung der Regierung, leerstehenden Wohnraum notfalls zu beschlagnahmen und zu moderaten Preisen an bedürftige Familien zu vermieten, provozierte den Zorn der Vermieterbranche.

100
Euro pro Tag kostet ein Urlaubsapartment durchschnittlich.

In Portugal, ein Land mit 10,5 Millionen Einwohnern stehen nach der jüngsten Ergebung des Statistikamtes mehr als 720.000 Wohnungen leer. Ein Grund dafür ist der verbreitete Mietwucher.

In Lissabon zum Beispiel sind in manchen Vororten ganze Wohngebäude ohne Bewohner. Warum? Weil die Mieten, die schon bei einer Einzimmerwohnung oft bei über 1000 Euro liegen, so explodiert sind, dass sich keine Mieter mehr finden, die diese Wohnungen noch bezahlen können.

Dabei muss man wissen, dass Portugal zu den ärmsten Ländern der alten Europäischen Union gehört. Der gesetzliche Mindestlohn, berechnet mit 12 Zahlungen pro Jahr, beträgt nur 887 Euro – rund ein Viertel der portugiesischen Arbeitnehmer hat nicht mehr in der Tasche.

Dieser Mindestlohn ist weniger als die Hälfte dessen, was zum Beispiel in Deutschland als Minimum gezahlt wird – und das bei Mietpreisen, die sich nur wenig von jenen in Berlin unterscheiden.

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