zum Hauptinhalt
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Felix Maradiaga ist nach seiner Freilassung mit seiner Frau und seiner Tochter in den USA wieder vereint.

© IMAGO / Agencia EFE

Massen-Freilassung in Nicaragua: Über 200 politische Gefangene gehen ins Exil in die USA

Die Abschiebung von politischen Gegnern des autoritären Präsidenten Ortega nach Washington kam überraschend. Doch die Freude über das Ende ihrer Haft bleibt nicht ungetrübt.

Nicaraguas autoritäre Regierung hat 222 Gefangene in die USA abgeschoben, die Menschenrechtlern zufolge aus politischen Gründen inhaftiert gewesen waren. Unter ihnen sind Politiker, Priester und Studentenführer, die praktisch alle als Gegner von Präsident Daniel Ortega gelten.

Die US-Regierung begrüßte die Freilassung am Donnerstag (Ortszeit). Der Schritt ermögliche einen weiteren Dialog zwischen den USA und dem zentralamerikanischen Land, ließ US-Außenminister Antony Blinken mitteilen. Die USA hätten den sicheren Transport der Freigelassenen von Nicaragua nach Washington ermöglicht.

Die Justiz des Landes machte die Freilassung erst bekannt, als die früheren Häftlinge bereits im Flugzeug saßen. „Sie wurden auf einem Privatflug nach Washington geschickt“, sagte Berta Valle, Ehefrau des ebenfalls aus der Haft entlassenen Ex-Präsidentschaftskandidaten Félix Maradiaga. Gleichzeitig billigte am Donnerstag das Parlament in Nicaragua eine Verfassungsreform, um den Abgeschobenen die nicaraguanische Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Freilassung der „zu Unrecht Inhaftierten“ sei das Ergebnis gezielter amerikanischer Diplomatie und ein „konstruktiver“ Beitrag zur Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua, erklärte Blinken. Wegen der Aushöhlung der Demokratie unter Ortega hatten die USA und die Europäische Union mehrmals Sanktionen gegen die Führung des Landes und Angehörige des Präsidenten verhängt.

Auf der offiziellen Liste mit den Namen der Freigelassenen standen auch die Ex-Präsidentschaftskandidatin Cristiana Chamorro, Tochter der früheren Staatschefin Violeta Barrios de Chamorro, und der Studentenführer Lesther Alemán.

Daniel Ortega, der Präsident von Nicaragua, bei einer Rede 2019 (Archivbild).

© dpa / Alfredo Zuniga

In einer Ansprache, die im Fernsehen ausgestrahlt wurde, sagte Ortega in der Nacht auf Freitag, es habe keine Verhandlungen mit der US-Regierung gegeben. Er erwarte auch keine Gegenleistung. Seine Regierung habe auf eigene Initiative die US-Botschaft in Managua kontaktiert, um die Ausreise der Häftlinge vorzuschlagen. Die Details seien nachfolgend mit der US-Regierung koordiniert worden.

Der regierungskritische Bischof Rolando Álvarez flog nicht mit nach Washington. Er sei zwar ursprünglich auf der Liste gewesen, sagte Ortega. Der Geistliche habe das Flugzeug aber nicht besteigen wollen, ohne zuvor mit den anderen Bischöfen Nicaraguas zu sprechen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die neue Entwicklung wurde in Nicaragua mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Freilassung, prangerten aber die Abschiebungen und Ausbürgerungen an. Der 80 Jahre alte nicaraguanische Schriftsteller Sergio Ramírez schrieb auf Twitter: „Heute ist ein großer Tag für den nicaraguanischen Kampf um Freiheit“. Die einstigen Häftlinge gingen zwar ins Exil, aber auch in die Freiheit. Ramírez hatte das Land 2021 ebenfalls verlassen und kehrte nicht mehr zurück, weil ihm dort die Inhaftierung drohte.

Gegner des Präsidenten Ortega demonstrieren 2019, damit Gefangene freigelassen werden (Archivbild).

© AFP / INTI OCON

Nach Angaben der Opposition gab es in Nicaragua bislang rund 250 politische Gefangene. Die Regierung von Ortega ging zuletzt mit immer härteren Mitteln gegen ihre Kritiker vor, demokratische Institutionen und Bürgerrechte waren schon zuvor ausgehöhlt worden. Bei Protesten gegen die Regierung waren im Jahr 2018 mehr als 350 Menschen ums Leben gekommen. Vor seiner umstrittenen Wiederwahl 2021 ließ Ortega sieben konkurrierende Kandidaten festnehmen. Diese wurden nun alle in die USA abgeschoben.

Tausende Regierungskritiker hatten in den vergangenen Jahren das mittelamerikanische Land verlassen, oft aus Furcht vor Repressionen oder gar Verhaftungen. Viele von ihnen zog es in die USA. Neben fehlenden politischen Freiheiten trieben auch Armut und Naturkatastrophen zahlreiche Menschen aus dem flächenmäßig größten Land Zentralamerikas, das rund 6,7 Millionen Einwohner hat.

Der frühere sandinistische Revolutionär Ortega war erstmals nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza 1979 an die Macht gekommen. Er gehörte zunächst der regierenden Junta an und stieg dann zum Präsidenten auf, wurde 1990 aber abgewählt. 2007 kehrte er als Staats- und Regierungschef zurück. Eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten wurde später per Verfassungsreform abgeschafft. Seit 2017 ist Ortegas Ehefrau Rosario Murillo Vizepräsidentin. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false