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Dina Boluarte, Übergangspräsidentin von Peru, geht zu ihrem Auto, nachdem sie mit der Presse gesprochen hat, als sie ihr Haus verlässt.

© dpa / Martin Mejia

Machtwechsel in Peru: Trümmerfrau im Andenstaat

Perus entmachteter Präsident Pedro Castillo hat sich verpokert. Nun muss seine Vizepräsidentin den Scherbenhaufen aufkehren – als erste Frau in diesem Amt.

Sie war kaum vereidigt, da wandte sich Dina Boluarte mit eindringlichen Worten an ihre Landsleute: „Ich fordere einen politischen Waffenstillstand zur Einsetzung einer Regierung der nationalen Einheit.“ Es sei die Zeit gekommen, dass nun alle Verantwortung übernehmen müssten.

Die bisherige Vizepräsidentin hat nun zuallererst die Aufgabe, ihr Heimatland aus einer seiner tiefsten politischen Krisen zu führen. Boluarte hat, was Castillo in den allen den 17 chaotischen Monaten seiner Regierungszeit fehlte: Ein Mindestmaß an Umgangsformen und Professionalität.

Ob die 60-jährige Juristin nun tatsächlich bis 2026 im Amt bleibt, ist fraglich. Angesichts der turbulenten Ereignisse werden Rufe nach Neuwahlen laut. Peru steht wieder einmal am Scheideweg. Erstmals aber mit einer Frau an der Spitze. Sie muss einen Scherbenhaufen zusammenkehren.

Ein Staatsstreich, der missglückte

Der historische Tag begann mit einem Paukenschlag: Castillo eröffnete der verdutzten Öffentlichkeit, dass er das freigewählte Parlament aufzulösen gedenke – wenige Stunden, bevor es über einen Misstrauensantrag gegen ihn abstimmen sollte. Doch die Aktion war so schlecht vorbereitet, dass nicht nur seine Vizepräsidentin, sondern auch nahezu das gesamte Kabinett sofort den Rücktritt erklärte.

80
Kabinettsmitglieder wechselte Castillo in 17 Monaten aus

Kaum jemand war bereit, Castillo zu folgen. Er verlor die Abstimmung im Parlament und versuchte, in die mexikanische Botschaft zu fliehen. Vergeblich. Seine eigenen Leibwächter verhinderten die Flucht.

Das Ende einer Amtszeit, die Castillo als Hoffnungsträger der Armen begonnen hatte. Den hauchdünnen Sieg in der Stichwahl über die rechtsgerichtete Diktatorentochter Keiko Fujimori verdankte Castillo vor allem den Stimmen aus den ländlichen Regionen, die von der etablierten Politik allein gelassen wurden.

Ministerwechsel im Wochentakt

Castillos Wahlkampf war holprig, er machte in Interviews haarsträubende Fehler, doch der „Dorfschullehrer“ wie er sich selbst volksnah nannte, kam gut an bei denen, die von der Politik schwer enttäuscht waren. Castillo war definitiv anders als die herrschende Elite.

In insgesamt 17 Monaten tauschte Castillo die Ministerinnen und Minister praktisch im Wochentakt aus, am Ende brachte er es auf 80 Kabinettsmitglieder. Es folgten schwere Korruptionsvorwürfe der Behörden gegen Castillo, enge Familienmitglieder und Mitstreiter.

Der größte Gefallen, den er uns tun könnte, ist beiseitezutreten.

Pedro Barreto, peruanischer Kardinal

Zum Chaos im Kabinett kamen massive Attacken auf die Presse. Castillos Minister und Vertrauter Anibal Torres beleidigte die TV-Journalistin Sol Carreno, weil sie über Missstände berichtet hatte. „Die Frau hat ein schlechtes Herz, sie ist eine schlechte Mutter, eine schlechte Ehefrau, eine schlechte Tochter“, erklärte er. Frauenrechtsorganisationen warfen Castillo und Torres daraufhin Frauenfeindlichkeit vor.

Haft, Selbstmord – das Ende der Präsidenten Perus

„Die Castillo-Regierung ist zu einem Feind der Meinungs- und Pressefreiheit geworden“, kommentierte die Interamerikanische Pressegesellschaft.

Ende Oktober forderte der populäre Kardinal Pedro Barreto: „Der große Gefallen, den er uns tun könnte, besteht darin beiseitezutreten, angesichts der Realität, in der wir leben, und angesichts der Beweise für Korruption.“

Castillos Ende reiht sich damit nahezu reibungslos in die Reihe seiner Vorgänger ein. Rechtsaußen Alberto Fujimori sitzt wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis.

Alan Garcia entzog sich vor wenigen Jahren einer Festnahme wegen Korruptionsvorwürfen durch Selbstmord. Auf Alejandro Toledo wartet derzeit in Peru eine Haftstrafe von 35 Jahren - wenn die USA ihn denn ausliefern.

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