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(FILES) In this file photo taken on February 16, 2023, member of the center-right "Libertes, Independants, Outre-mer et Territoires" parliamentary group Charles de Courson raises his hands as he attends to a session to discuss the government's pensions reform plan at the National Assembly, in Paris. - The centrist Charles de Courson, has become at age 70 a fierce opponent of the pensions reform, manoeuvring to attempt to censure the government. (Photo by Ludovic MARIN / AFP)

© AFP/LUDOVIC MARIN

Machtkampf in Frankreichs Parlament: Der Mann, der die Premierministerin stürzen könnte

Charles de Courson ist ein besonnener Mensch – nun will er die Demokratie retten. Dazu präsentiert er einen der beiden Misstrauensanträge gegen Macrons Regierungschefin.

Der distinguierte ältere Mann sucht eigentlich nicht das Rampenlicht. Charles de Courson, seit 1993 französischer Abgeordneter eines Wahlkreises im Departement Marne im Osten Frankreichs, ist für seine ruhige Art und als kompetenter Finanzexperte geschätzt.

Seine Stunde kommt eigentlich immer bei den Haushaltsverhandlungen. Eigentlich wollte er dieser Tage seine 30 Jahre Parlamentszugehörigkeit feiern. Doch jetzt ist alles anders. Er will Premierministerin Elisabeth Borne und ihre Regierung stürzen.

Als Vertreter der kleinen parlamentarischen Gruppe in der Assemblée Nationale, LIOT (Libertés, Indépendants, Outre-Mer et Territoires) präsentiert er den Misstrauensantrag, dem die meisten Gegner der Rentenreform und deren Validierung ohne Abstimmung in der Nationalversammlung zustimmen wollen.

Le Pens Antrag hat noch weniger Chancen

Der zweite Misstrauensantrag, eingebracht von Marine le Pen von der rechtspopulistischen Rassemblement National. kann dagegen auf keine Stimmen außerhalb ihrer Fraktion hoffen.

Der über alle Parteigrenzen hinaus respektierte Charles de Courson empfindet es als „unerhört“, die umstrittene Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchzusetzen und damit „das Land in Brand zu stecken“. Das sei eine Verweigerung der Demokratie“, kritisierte der Mann mit der ausgesprochen politischen Familiengeschichte.

Die Polizei umzingelt eine Spontandemonstration in Paris. teilweise kommt es zu brutalen Maßnahmen.

© dpa/Lewis Joly

Vater und Großvater waren in der Resistance und auch der Revolutionär Lepeletier de Saint-Fargeau ein direkter Vorfahre: Dieser hatte sich für die Hinrichtung von Louis XVI. ausgesprochen und ist selbst von einem Royalisten ermordet worden.

Altersbezüge der Parlamentarier nicht betroffen

De Courson selbst ist durchaus für eine Rentenreform: Aber sie müsse die vielen Sonderkonditionen verschiedener Breufsgruppen einbeziehen – wie es Präsident Macron in seinem ersten Anlauf vor Corona eigentlich vorhatte. De Courson hat dabei auch die vorteilhaften Regelungen der Altersbezüge von Parlamentariern und Senatoren vor Augen: „ Wir können unseren Mitbürgern keine Anstrengungen abverlangen, ohne diese auf uns selbst anzuwenden“, sagte er im Februar bei France Inter.

Allerdings hat Charles de Courson es selbst mit der Unterstützung von Linken, Grünen und Liberalen nicht in der Hand, die Regierung zu stürzen: Für eine absolute Mehrheit von 287 Stimmen bräuchte es fast die Hälfte der Stimmen der Republikaner, deren Parteichef die Misstrauensanträge bereits abgelehnt hat: Denn alle Gegner dieser Rentenreform, wenn sie denn alle vor Ort wären, brächten es laut Berechnungen von „Libération“ nur auf 262 Stimmen. Gäbe es keine Mehrheit, wäre die Rentenreform angenommen.

Macron könnte auch die Nationalversammlung auflösen

Sollte aber ein Misstrauensvotum Erfolg haben, könnte Präsident Emmanuel Macron die Premierministerin entlassen – oder sie dennoch im Amt belassen und dafür die Nationaleversammlung auflösen. Den Fall hat es in der V. Republik ein einziges Mal unter Charles de Gaulle 1962 gegeben.

Doch selbst wenn Borne und ihre Regierung die Misstrauensvoten überleben, geht der mittlerweile erbitterte Kampf weiter: Das links-grüne Bündnis Nupes erwägt, ein Referendum über das Gesetz zur Rentenreform anzustreben: Dazu müßten sich ein Fünftel der Parlamentarier (185 der insgesamt 925 Abgeordneten und Senatoren der zweiten Parlamentskammer) anschließen.

4,87
Millionen Wahlberechtigte müssen für ein referendum unterschreiben

Zudem müßten Unterschriften von einem Zehntel der Wahlberechtigten (4,87 Millionen) innerhalb von neun Monaten eingesammelt werden. Solange läge das Gesetz auf Eis und könnte nicht angewandt werden.

Daneben gibt es auch noch die Möglichkeit, den Verfassungsrat anzurufen. Neben dem Abgeordneten de Courson erwägen auch die Linken diesen Schritt: Zumal dieses Gremium die Regierung bereits verwarnt hatte, dass einzelne Maßnahmen womöglich gegen die Verfassung verstießen, insbesondere die anfängliche Mangel an konkreten Zahlen.

Unterdessen setzen die Gewerkschaften ihre Streiks und Protestaktionen fort. Im Departement Bouches-du-Rhone mangelt es bereits an der Hälfte der Tankstellen an Benzin.

Die vielen spontanen Proteste bringen die Sicherheitskräfte an ihre Grenzen. Immer öfter wird von brutalem Vorgehen und Übergriffen berichtet. Der Forschungsleiter Fabien Jobard, der am Zentrum für soziologische Forschung zu Recht und Gefängnissen forscht, spricht von einer „noch relativen Brutalisierung“.

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