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Kremlsprecher Dmitri Peskow

© REUTERS/Sputnik

Update

Legt eigene Schwächen offen: Warum berichtet der Kreml so prominent über den Drohnen-Angriff?

Am Mittwoch wurde das Senatsgebäude im Kreml von zwei Drohnen angegriffen, behauptet die Regierung in Moskau. Der Umgang mit dem Vorfall ist ungewöhnlich.

| Update:

Am Mittwochmorgen kam es nach Angaben aus Moskau zu Explosionen von zwei Drohnen über dem Kreml-Dach, die auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zielten. Während die Explosionen in Videos zu sehen sind, ist der Hintergrund der Vorfälle bisher unklar. Laut Putins Sprecher Dmitri Peskow war der Kremlherrscher zu der Zeit allerdings nicht im Regierungspalast.

Wer hinter dem vermeintlichen Angriff steht, scheint für Russland klar zu sein. Die Ukraine sei schuld – und das sollen alle wissen. Kiew weist die Vorwürfe zurück.

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Erstaunlich an dem Vorfall ist, dass der Kreml sich offenbar bewusst entschieden hat, den Vorgang möglichst schnell öffentlich zu machen, wie unter anderem der Moskau-Korrespondent der „New York Times“ (NYT) feststellt (derzeit arbeitet Anton Trojanowski aus Sicherheitsgründen von Berlin aus).

Die Explosion über dem Kreml

© Reuters/Ostorozhno Novosti

In einer langen Mitteilung schrieb die russische Regierung auf ihrer Website: „Wir betrachten diese Handlungen als einen geplanten Terrorakt und Anschlag auf das Leben des Präsidenten der Russischen Föderation.“ Und weiter: „Die russische Seite behält sich das Recht vor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wo und wann sie es für angebracht hält.“

Die Mitteilung ist aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich. Der offensichtlichste ist vielleicht, dass Moskau damit auf eigene Schwächen aufmerksam macht: Zwar kam es nach Kreml-Aussagen zu keinen großen Schäden, dennoch sind nach dieser Darstellung zwei Drohnen von der Ukraine über mehrere Hundert Kilometer durch die Verteidigungsanlagen in Zentral-Moskau gelangt. Die NYT sieht darin eine weitere Blamage für das russische Militär.

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Der russische Oppositionelle und Vertraute des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny, Leonid Wolkow, ordnete das in einer Telegram-Nachricht so ein: „Die Entscheidung (so mit diesem Vorfall umzugehen, Anm. d. Red.) ist untypisch. Sie verweisen auf die fehlende Luftabwehr, die Verwundbarkeit, die Schwäche, die Hilflosigkeit. Das alles sind offensichtliche Nachteile.“

Auch der Ton und die Länge der Mitteilung seien ungewöhnlich. Sie würden sich von vorherigen Statements des Kremls klar unterscheiden, analysiert die NYT. Das falle vor allem im Vergleich zu anderen Anschlägen auf russischem Territorium auf.

Neben der Explosion auf der Krimbrücke im Oktober wurde im August die Tochter eines russischen Ultranationalisten durch eine Autobombe getötet. Und erst vergangenen Monat kam ein regierungsnaher Militärblogger durch ein Attentat in St. Petersburg um. In all diesen Fällen hätte der Kreml kein langes Statement auf seiner Website veröffentlicht – auch wenn sie nicht zu leugnen waren.

Will der Kreml größere Angriffe rechtfertigen?

Internationale Militärexperten eines US-Think-Tanks halten es gar für möglich, dass Russland die angeblichen ukrainischen Drohnenangriffe auf den Kreml selbst inszeniert hat. Damit sollten der russischen Öffentlichkeit der Krieg näher gebracht und die Voraussetzungen für eine breitere gesellschaftliche Mobilisierung geschaffen werden, schrieb das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) in seinem Bericht am Mittwoch. Mehrere Indizien deuteten darauf hin, dass der Angriff von innen geführt und gezielt inszeniert worden sei.

Das alles kommt zu einer Zeit, in der nach 14 Monaten Angriffskrieg immer wieder über die hohen Verluste der Russen berichtet wird. Sowohl Personal als auch Munition scheint zur Neige zu gehen. In der Ukraine sind derweilen fast alle versprochenen Waffenlieferungen der westlichen Partner angekommen und international wird mit einer Gegenoffensive gerechnet.

Die Veröffentlichung oder gar Inszenierung des Drohnenangriffes könnte also dazu dienen, zukünftige Angriffe auf die Ukraine zu rechtfertigen. Auch Wolkow hält das für möglich. Er schreibt: „Russland könnte beschlossen haben, auf die ukrainische Gegenoffensive mit einer ernsthaften Eskalation zu reagieren, zum Beispiel mit einem massiven Angriff auf Kiew, und haben jetzt den Boden dafür bereitet.“

Der Kreml-Politiker Wjatscheslaw Wolodin jedenfalls scheint genau das im Sinn zu haben. Er schreibt auf Telegram: „Wir werden den Einsatz von Waffen fordern, die in der Lage sind, das Kiewer Terrorregime zu stoppen und zu zerstören.“

Es gebe aber auch ein weiteres mögliches Motiv, erklärt Wolkow: In Russland steht am 9. Mai der „Tag des Sieges“ an – der Tag, an dem die Sowjetunion gegen das nationalsozialistische Deutschland siegte. Seit Beginn der Ukraine-Invasion nutzt Putin den Tag auch als Legitimation für seinen Krieg. Das Bild des brennenden Kremls hinter dem bereits dekorierten roten Platz könnte zur patriotischen Mobilisierung dienen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Anschuldigungen aus Moskau derweil zurückgewiesen. „Wir haben Putin nicht angegriffen“, sagte Selenskyj am Mittwoch während seines Besuchs in Finnland. „Wir kämpfen auf unserem Territorium, wir verteidigen unsere Dörfer und Städte“, fügte der ukrainische Staatschef bei einer Pressekonferenz in Helsinki hinzu.

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