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Wagner-Söldner in Soledar (Archivbild).

© IMAGO/SNA

„Keine richtige Taktik“ bei Ukraine-Invasion: Ex-Söldner schildert Innenleben der Wagner-Gruppe

Seine Flucht führte Andrej Medwedew nach Norwegen. Von dort aus sprach er nun über seine Zeit als Wagner-Kämpfer in der Ukraine. Seinen Ex-Chef Prigoschin nennt der „den Teufel“.

Ein geflohener Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe hat erstmals öffentlich und ausführlich über seine Erfahrungen bei den russischen Paramilitärs im Angriffskrieg gegen die Ukraine berichtet, und dabei erneut über seine Flucht nach Norwegen gesprochen.

In einem Interview mit CNN, das dem US-Sender zufolge in der norwegischen Hauptstadt Oslo aufgezeichnet wurde, schilderte Andrej Medwedew das Vorgehen der Wagner-Kämpfer als äußerst brutal und skrupellos, zugleich als mitunter planlos.

„Es gab überhaupt keine richtige Taktik“, sagte der 26-Jährige. „Es gab keine konkreten Befehle.“ Demnach hätten die Söldner lediglich Hinweise auf gegnerische Positionen erhalten und daraufhin spontan das weitere Vorgehen geplant: „Wer das Feuer eröffnen würde, das war unser Problem“, sagte er.

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Das Vorgehen gegen kampfunwillige Mitglieder der Wagner-Gruppe beschrieb Medwedew als brutal. „Sie trieben diejenigen zusammen, die nicht kämpfen wollten, und erschossen sie vor den Augen der Neuankömmlinge“, sagte er.

Der ehemalige Wagner-Söldner Medwedew.
Der ehemalige Wagner-Söldner Medwedew.

© AFP/Gulagu.net/UTA TOCHTERMANN

Rekruten hätten demnach Gräben ausheben müssen, in denen Gefangene nach ihrer Erschießung begraben worden seien. Allgemein behauptete Medwedew, dass viele in der Ukraine gefallene Russen anschließend „einfach für vermisst erklärt“ worden seien.

Kein Wort zu eigenen Kriegstaten

Etwaige selbst begangene Kriegsverbrechen erwähnte Medwedew nicht. Der russische Ex-Soldat war Mitte Januar nach Norwegen geflohen, wo er Asyl beantragte. Nach einer kurzzeitigen Festnahme kam er unter Auflagen wieder frei, wie die norwegische Einwanderungseinheit der Polizei mitteilte.

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Norwegens Kriminalpolizei Kripos hatte Medwedew nach dessen Ankunft im Land als „Zeugen“ befragt. Sie erhofft sich demnach Informationen, die bei internationalen Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine nützlich sein könnten.

Zwar sind die Ausführungen in dem CNN-Interview nicht verifiziert, doch Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin bestätigte selbst Medwedews einstige Zugehörigkeit zu der Miliz. Zudem warf der Unternehmer seinem ehemaligen Kämpfer Misshandlungsversuche an Gefangenen vor. Auch diese Behauptung kann aktuell nicht unabhängig bestätigt werden.

Wagner-Chef Prigoschin bei einer Beerdigung eines seiner Söldner auf einem Friedhof außerhalb von St. Petersburg.
Wagner-Chef Prigoschin bei einer Beerdigung eines seiner Söldner auf einem Friedhof außerhalb von St. Petersburg.

© picture alliance/dpa/AP/Uncredited

Medwedew, der Prigoschin in dem Interview als „den Teufel“ bezeichnete, war eigenen Angaben zufolge ebenjenem Oligarchen sowie dem Wagner-Gründer Dmitri Utkin unterstellt. Demnach habe er schon wenige Tage nach seinem freiwilligen Wagner-Eintritt im Juli 2022 nahe der ostukrainischen Stadt Bachmut für die Söldnergruppe gekämpft.

Die Frontstadt in der Region Donezk ist seit ebenjenem Sommer hart umkämpft. Aufseiten der russischen Truppen sind dort auch zahlreiche Wagner-Söldner im Einsatz. Nach ukrainischen Angaben werden dabei auch rekrutierte Häftlinge als Kanonenfutter eingesetzt.

Dies behauptete nun auch Medwedew. So habe er bereits am sechsten Tag seines Einsatzes in der Ukraine erlebt, wie Truppen als Kanonenfutter verbraten worden seien. Seien ihm zunächst zehn Soldaten unterstellt gewesen, so habe sich die Zahl im Kampfverlauf einerseits durch hinzugekommene Gefangene vergrößert – und andererseits durch Verluste stark verringert.

„Es gab immer mehr Leichen und immer mehr Leute, die zu uns kamen. Am Ende hatte ich eine Menge Leute unter meinem Kommando“, sagte Medwedew. „Ich konnte nicht zählen, wie viele es waren. Es zirkulierte ständig: Tote, mehr Gefangene, mehr Tote, mehr Gefangene.“

Wagner-Miliz soll Vertrag eigenmächtig verlängert haben

Letztlich habe er sich aufgrund der Erlebnisse in der Ukraine zur Flucht über die arktische Grenze von Russland nach Norwegen entschieden, behauptete Medwedew. Dabei sei er, in weißer Kleidung getarnt, „mindestens zehn Mal“ der Verhaftung entgangen. Inklusive Überquerung eines zugefrorenen Flusses.

Vergangene Woche hatte Medwedew in einem Interview mit der Menschenrechtsorganisation Gulagu.net erklärt, r würde bei einer Rückkehr nach Russland um sein Leben fürchten. Bislang hatte Norwegen jedoch nicht angedeutet, ihn des Landes verweisen zu wollen.

Bereits am Mittwoch hatte Medwedes Anwalt erklärt, dass sein ohne seine Zustimmung verlängerter Vertrag mit der Wagner-Gruppe ausschlaggebend für die Desertation gewesen sei. „Ihm wurde klar, dass es keinen einfachen Weg raus gibt, also hat er beschlossen, davonzulaufen“, sagte Brynjulf Risnes der Nachrichtenagentur AFP.

In dem CNN-Interview behauptete Medwedew nun, er wolle mit seinen Schilderungen zu Gerichtsprozessen gegen Wagner-Chef Prigoschin und den russischen Präsidenten Wladimir Putin beitragen. Früher oder später werde die Propaganda in Russland aufhören zu funktionieren und das russische Volk gegen die Führung aufbegehren, sagte er.

Wagner-Chef und Geschäftsmann Prigoschin ist wegen seiner guten Beziehungen zu Staatschef Putin auch als „Putins Koch“ bekannt. Seine als besonders brutal geltende Miliz ist US-Angaben zufolge mit etwa 50.000 Söldnern in der Ukraine im Einsatz.

Unter den Wagner-Kämpfern sollen sich etwa 40.000 Häftlinge befinden, die aus russischen Gefängnissen rekrutiert worden seien. Vor dem Ukraine-Krieg wurden Wagner-Söldner bereits in Syrien, Libyen, Mali und der Zentralafrikanischen Republik gesichtet. (Tsp mit AFP)

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