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Schon mehrfach hat das Bundesverfassungsgericht europäische Integrationsschritte überprüfen müssen - nun auch den EU-Coronafonds.

© picture alliance/dpa/dpa/POOL

Karlsruhe genehmigt EU-Schulden: Solidarität ist nicht illegal

Das Ja zum milliardenschweren Coronafonds verhindert die nächste europäische Krise. Mehr aber geht mit dem ausgereizten EU-Vertragswerk kaum.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

| Update:

Vier Tage und Nächte haben Europas Staats- und Regierungschefs im Sommer 2020 verhandelt, um einen Zerfall der EU zu verhindern. Vorausgegangen waren die bitteren ersten Coronamonate mit Grenzschließungen und wirtschaftlichen Verwerfungen, ein Zeichen gegenseitiger Solidarität tat not.

Am Ende stand das 750 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbauprogramm „Next Generation EU“. Leicht lässt sich ausmalen, was passiert wäre, wenn das Verfassungsgericht Deutschland nachträglich die Beteiligung untersagt hätte.

Zum Glück ist es so nicht gekommen. Die Karlsruher Richter, die in der Vergangenheit nie um Kritik an europäischen Integrationsschritten verlegen waren, haben diesen am Dienstag ausdrücklich gebilligt. Weder hat sich die EU etwas angemaßt, was ihr nicht zustand, noch ist das Haushaltsrecht des Bundestags verletzt worden.

Auch der Bundestag hatte den Fonds ausdrücklich gebilligt

Denn auch das deutsche Parlament hat den Fonds nicht nur ausdrücklich per Beschluss gebilligt, sondern erhält Einblick in die schuldenfinanzierten Ausgaben einzelner Mitgliedstaaten und kann reagieren. Nur Peter Müller, der frühere saarländische Ministerpräsident, sah das in seiner abweichenden Meinung kritischer.

Wer wie der damalige Finanzminister Olaf Scholz im Coronafonds einen „Hamilton-Moment“ sah, der den Beginn einer eigenen europäischen Staatlichkeit markierte, so wie die erste gemeinsame Kreditaufnahme durch Finanzminister Alexander Hamilton einst die Vereinigten Staaten von Amerika begründete, wird vom Karlsruher Urteil dennoch enttäuscht sein.

Die Regierung von SPD-Kanzler Scholz ist längst auf die Linie von Unionsvorgängerin Angela Merkel eingeschwenkt, wonach es sich bei den Gemeinschaftsschulden um einen einmaligen Akt in einer Notlage handelte - und überzeugte Karlsruhe genau damit. Von einer dauerhaften Transferunion mag man dort auch weiter nichts wissen.

Das ändert freilich nichts daran, dass die europäischen Aufgaben größer und nicht kleiner werden. Das Urteil bestätigt daher nicht zuletzt, dass das jetzige EU-Vertragswerk ausgereizt ist und für weitergehende Schritte Vertragsänderungen notwendig sind. Die Debatte darüber läuft schon lange, der Appetit darauf bleibt gering.

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