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Israel sieht die Notwendigkeit, das Atomprogramm und weitere Aufrüstung des Iran aufzuhalten.

© dpa/Jim Hollander

Update

Irans Atomprogramm: Warum ein israelischer Angriff wahrscheinlicher wird

Die Kooperation Teherans mit Russland bedroht europäische Interessen. Außerdem reichert Teheran Uran immer höher an. Wie werden Israel und der Westen reagieren?

| Update:

In den vergangenen Monaten hat sich – weitgehend unbemerkt von der internationalen Aufmerksamkeit – der Konflikt zwischen Israel und Iran weiter zugespitzt. Zugleich hat sich die Haltung der USA und der Europäer gegenüber dem Iran verändert. Damit ist das Risiko einer militärischen Eskalation deutlich gestiegen. Ihre Folgen würden nicht nur Israel und Iran betreffen, sondern auch westliche Sicherheitsinteressen direkt berühren.

Ende Januar wurde ein Militärkomplex in der Stadt Isfahan im Zentrum des Iran durch bewaffnete Helikopterdrohnen angegriffen. Zwar hat Israel den Angriff weder dementiert noch bestätigt. Aber vieles deutet darauf hin, dass ihm der Vorfall zuzuschreiben ist.

Dies würde eine Ausweitung israelischer Angriffe auf iranische Ziele bedeuten. Denn mit dem Angriff wurde eine militärische Einrichtung im Iran ins Visier genommen, er fand im Zentrum des Landes und inmitten einer Stadt statt, und es waren lokale Agenten beteiligt. Die Botschaft ist klar: Israel kann das Nuklear- und Waffenprogramm Irans an jedem Ort und zu jeder Zeit treffen.  

So will Israel die Aufrüstung Irans aufhalten

In den vergangenen Jahren verfolgte Israel zwei Hauptziele gegenüber Iran – dessen Führung Israel nicht anerkennt, sondern ein klares Feindbild pflegt und es im Rahmen der „Achse des Widerstands“ bekämpft:

Erstens ging es darum, die Lieferung von Präzisionswaffen an verbündete Gruppierungen in Syrien und Libanon sowie den dortigen Aufbau von Waffenproduktionsanlagen durch gezielte Militärschläge gegen Konvois, Stellungen alliierter Gruppierungen und Waffenfabriken zu verhindern.

Zweitens sollte das iranische Atomprogramm aufgehalten werden, durch Sabotageakte (etwa im Cyberraum) und indem iranische Atomwissenschaftler und -einrichtungen ins Visier genommen wurden.

Diese Maßnahmen erklären sich durch die iranischen Aktivitäten, durch die sich Israel hauptsächlich bedroht sieht: die Unterstützung von Milizen, insbesondere der Hisbollah, die in der Nähe der israelischen Grenzen operieren, und das Atomprogramm Teherans.  

Iranische Rakete bei Parade. Neuerdings will Israel durch Angriffe auch die iranische Produktion von Raketen und Drohnen verindern – nicht nur von Atomwaffen.
Iranische Rakete bei Parade. Neuerdings will Israel durch Angriffe auch die iranische Produktion von Raketen und Drohnen verindern – nicht nur von Atomwaffen.

© AFP

In den vergangenen Monaten hat sich nun ein drittes Element des israelischen Ansatzes herauskristallisiert, nämlich Angriffe auf militärische – nicht-nukleare – Ziele auf iranischem Gebiet. Diese Angriffe zielen offenbar darauf ab, die Produktion moderner Raketen und Drohnen durch die Islamische Republik zu verhindern. 

Das iranische Atom- und Rüstungsprogramm ließe sich durch gezielte Militärschläge zurückwerfen. Aufgehalten würde es jedoch kaum.

Muriel Asseburg und Hamidreza Azizi

Denn die israelische Kalkulation hat sich verändert: Vor allem hat sich für Israel die Dringlichkeit erhöht, das iranische Atomprogramm zumindest zurückzuwerfen und das Rüstungsprogramm zu schwächen.

Schon seit März 2022 stecken die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Wiener Atomabkommens von 2015 zwischen dem Iran und dem Westen in einer Sackgasse. Nach Aussagen westlicher Diplomaten blockiert Teheran eine Einigung. 2018 waren die USA unter der Trump-Administration aus dem Abkommen ausgestiegen.

Seit 2019 hält sich Teheran nicht mehr an die vereinbarten Beschränkungen und hat die Kontrollmöglichkeiten der IAEA weiter reduziert. Einem Medienbericht zufolge sollen Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde im Iran auf 84 Prozent angereichertes Uran gefunden haben. Der Iran bestreitet das.

Zum Bau von Atombomben ist auf rund 90 Prozent angereichertes Uran notwendig. Damit ist die Zeit, die er bräuchte, um atomwaffenfähiges Material zu produzieren, erheblich gesunken. Die IAEA wolle nun feststellen, ob der Iran das Material absichtlich produziert hat oder ob die Konzentration das Ergebnis einer unbeabsichtigten Anhäufung ist, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Auch Militärschläge können das Atomprogramm nicht aufhalten

Insgesamt ist eine militärische Option heute deutlich wahrscheinlicher geworden. In diesem Sinne ist auch das bislang größte gemeinsame Manöver von Israel und den USA im Januar dieses Jahres zu sehen.

Der Stillstand in den Verhandlungen über ein neues Atomabkommen, Irans enge Kooperation mit Russland und die Lieferungen von Drohnen zum Einsatz in der Ukraine sowie die brutale Niederschlagung der iranischen Protestbewegung haben nicht nur Irans Ansehen im Westen weiter verschlechtert. Die enge Kooperation mit Russland in der Ukraine bedroht auch direkt US-amerikanische und europäische Sicherheit.  

Eine direkte militärische Vergeltung des Iran gegen Israel wäre nicht zu erwarten.

Muriel Asseburg und Hamidreza Azizi

Das iranische Atom- und Rüstungsprogramm ließe sich durch gezielte Militärschläge sicherlich zurückwerfen. Aufgehalten würde es dadurch jedoch kaum. Im Gegenteil, eine Eskalation von Angriffen dürfte die Motivation in Teheran noch verstärken, das zivile und atomare Programm zu forcieren und effektiver gegen Angriffe zu schützen.  

Ende Januar wurde eine Munitionsfabrik nahe der Metropole Isfahan im Zentrum des Iran angegriffen.
Ende Januar wurde eine Munitionsfabrik nahe der Metropole Isfahan im Zentrum des Iran angegriffen.

© REUTERS / Reuters/West Asia News Agency

Aufgrund des Kräfteungleichgewichts wäre eine direkte militärische Vergeltung des Iran gegen Israel nicht zu erwarten. Auch dürfte es Iran zunächst nicht unbedingt gelingen, seine nicht-staatlichen Verbündeten zu größeren Angriffen auf Israel zu bewegen. Denn Gruppierungen wie Hamas und Hisbollah agieren, auch wenn sie von Teheran unterstützt werden, nicht als reine Stellvertreter der Islamischen Republik, sondern in erster Linie auf der Basis eigener, in der Regel lokaler Interessen.

Eine Ausnahme ist hier der Palästinensische Islamische Jihad (PIJ). Allerdings dürften sich die Kalküle der Führungen von Hamas und Hisbollah verändern, sollte es zu einer Ausweitung der israelisch-palästinensischen Konfrontationen kommen. Das Risiko ist hoch, dass sich dann die israelisch-iranische und die israelisch-palästinensische Konfliktdimension potenzieren. 

Zu erwarten sind zudem, wie schon in der Vergangenheit, iranische Cyberattacken in Israel sowie Angriffe auf US-Basen und zivile Einrichtungen, vor allem in Syrien und Irak, sowie auf den internationalen Schiffsverkehr im Persischen Golf und der Straße von Hormuz, nicht zuletzt auf Schiffe, die israelische Eigner haben.  

Deutschland hat wenige Möglichkeiten, direkt deeskalierend auf Israel und Iran einzuwirken. Wichtig ist aber, die Unterstützung der Protestbewegung im Iran nicht mit der Unterstützung für eine militärische Eskalation zu verknüpfen, die weder für einen friedlichen Übergang noch für europäische Sicherheit zielführend wäre. 

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