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In vielen Orten im Irak fehlen Zukunftsperspektiven für die mehrheitlich junge Bevölkerung.

© dpa / DPA/Khalid Mohammed

Irak hofft auf Stabilisierung: Bagdad setzt auf Berlin

Der neue Premierminister Al Sudani besucht in Europa als Erstes Deutschland. Wirtschaftskrise, Terror und Korruption hat er zu bekämpfen.

Der neue irakische Ministerpräsident Mohammed Shia al Sudani hat sich Berlin als erstes Besuchsziel in Europa ausgewählt. Das ist ein wichtiges politisches Zeichen, dass Bagdad langfristig auf die Unterstützung Deutschlands setzt. Am Freitag wird er Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen.

Al Sudani kommt in einer Zeit, in der sich die Sicherheitslage im Irak – auch dank internationaler Unterstützung – nach Jahrzehnten der Gewalt zuletzt verbessert und das Land an Stabilität gewonnen hat.

Aktuell richtet der Irak mit dem Golfpokal in Basra erstmals wieder ein großes, in der Region vielbeachtetes Fußball-Event aus. Nicht zuletzt damit kann das Land seine neu gewonnene Stabilität unter Beweis stellen – für viele Iraker ein Moment des nationalen Stolzes.

Ein Premier in Bedrängnis

Gleichzeitig steht fest, dass die Herausforderungen im Irak auch 2023 groß bleiben. Zwar konnte das territoriale Kalifat des sogenannten Islamischen Staates zerschlagen und die Organisation aus Bagdad und anderen urbanen Zentren verdrängt werden.

Der IS verfügt aber weiterhin über Zellen und Strukturen im Land, die aus dem Untergrund agieren und Anschläge verüben. Politisch ist das junge demokratische System im Irak auch 20 Jahre nach dem Regimewechsel von 2003 volatil.

Der Ernennung al Sudanis zum neuen Ministerpräsidenten Ende Oktober 2022 war eine etwa einjährige politische Krise nach einem gescheiterten Regierungsbildungsversuch vorausgegangen, die den politischen Prozess blockiert hatte.

So war es der größten Fraktion im irakischen Parlament um den schiitischen Kleriker Muqtada al Sadr nicht gelungen, eine Mehrheitsregierung auf die Beine zu stellen. Im Juni traten die Sadristen geschlossen aus dem Parlament aus und verlegten ihre Opposition – teilweise gewaltsam – auf die Straße.

80
Millionen Iraker könnte es bis 2050 geben.

Nach mehrmonatiger Zurückhaltung hat das Lager um Sadr nun neue Proteste angekündigt. Daher steht Ministerpräsident al-Sudani bereits unter Druck – zumal die Iraker nach Jahren des staatlichen Missmanagements und aufgrund der teilweise prekären Lebensumstände schnelle Ergebnisse der Regierung erwarten.

Vielerorts fehlen wirtschaftliche Perspektiven für die mehrheitlich junge Bevölkerung, die sich Prognosen zufolge bis 2050 von jetzt 40 Millionen Irakern auf 80 Millionen verdoppeln könnte.

Al Sudani hat zu seiner Amtseinführung ein ambitioniertes Reformprogramm vorgelegt – gerade, was die Korruption im Land angeht. Es bleibt abzuwarten, ob er dieses mit seiner Regierung, die beinahe alle im Parlament vertretenen Parteien umfasst, wird umsetzen können.

Deutschland als zweitgrößter Geber

Bislang navigiert der erfahrene al-Sudani, der bereits in zwei Vorgängerregierungen als Minister vertreten war, professionell und geschickt – auch mit Blick auf das Austarieren des Einflusses des Iran und der USA, den wichtigsten externen Akteuren im Land.

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Gerade Teheran versucht durch Iran-nahe Milizen seine Interessen im Irak durchzusetzen. In den vergangenen Jahren hat der Iran immer wieder aktiv in die irakische Politik eingegriffen und seine machtvolle Stellung im Nachbarland ausgebaut.

Auch vor diesem Hintergrund sollte die Bundesregierung den Reformkurs des Irak weiter unterstützen. Deutschland ist der zweitgrößte Geber an Entwicklungshilfe des Landes. Nicht zuletzt durch den Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur gelang auch mit deutscher Hilfe die Rückführung von Millionen Binnenvertriebenen.

Iraks Ministerpräsident al-Sudani

© AFP / AFP

Zudem unterstützen Soldaten der Bundeswehr die irakischen und irakisch-kurdischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS. Der seit 2015 laufende Ausbildungseinsatz kann – bei allen Herausforderungen – durchaus als erfolgreich gewertet werden, im Oktober wurde das Mandat um ein weiteres Jahr verlängert.

Der Besuch al Sudanis in Berlin ist Ausdruck dessen, dass der Irak Deutschland mittlerweile als wichtigsten europäischen Verbündeten wahrnimmt. Dieser Erwartungshaltung sollte Deutschland auch in Zukunft gerecht werden.

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