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Vor gut einem Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz die deutschen Truppen im Niger besucht – die Ausbildung der dortigen Armee galt als beispielhaft.

© dpa/Michael Kappeler

Im Niger droht das Mali-Szenario : Die Bundeswehr muss eine unangenehme Frage beantworten

Nach dem Putsch in Mali galt Niger als stabiler Standort, um mit einem kleinen Bundeswehreinsatz deutsches Interesse in der Sahelzone zu wahren. Das könnte sich nun ändern.

Die Operation, die dem Kanzler so viel Hoffnung machte, trug den Namen „Gazelle“. Im Frühsommer 2022 ließ sich Olaf Scholz in der Wüstenstadt Tillia von deutschen Kampfschwimmern erklären, wie sie ihre nigrischen Kollegen für den Anti-Terror-Kampf im Grenzgebiet zu Mali rüsten.

Nachdem sich dort das Militär an die Macht geputscht und die Zusammenarbeit immer schwieriger gestaltet hatte, galt die Kooperation mit dem demokratischen Niger, inzwischen in eine feste EU-Militärmission übergegangen, als beispielgebend für die Zukunft.

Nun, ein gutes Jahr später, muss die Bundeswehr die unangenehme Frage beantworten, ob unter den Putschisten im Niger auch Offiziere oder Einheiten sind, die ihr Handwerk von deutschen Ausbildern gelernt haben.

Den eigenen Erkenntnissen zufolge befindet sich das fragliche Bataillon noch in Tillia, rund 800 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Niamey. Wirklich ausschließen kann es die Bundeswehr aber auch nicht, dass die Berichterstattung des „Spiegel“ zutrifft, wonach Brigadegeneral Barmou Batoure, ein „Gazelle“-Teilnehmer, zu den Aufständischen zählt.

Das wäre zwar durchaus peinlich, aber nicht das größte Problem der Bundeswehr wie der deutschen Außenpolitik, wenn der Militärcoup wirklich erfolgreich sein sollte. Er könnte schwerwiegenden Konsequenzen für den geordneten Abzug der Bundeswehr aus Mali haben, der bisher zu einem Gutteil über den Lufttransportstützpunkt in Niamey läuft.

Einsatz im deutschen Interesse

Letztlich könnte sich die Frage stellen, ob die Bundeswehr nach Mali bald auch Niger verlassen muss und das gesamte Militärengagement im Sahel endet, dessen Krisen laut Bundestagsmandat „außen- und sicherheitspolitische Interessen Deutschlands und Europas unmittelbar“ berühren. Die Stichworte lauten Drogen, Migration und Terror.

Bis 4. August soll der Luftraum über dem Niger einer Armeeankündigung zufolge noch gesperrt sein. Sollte das Flugverbot länger andauern, hätte das Konsequenzen für die Dauer des Materialrücktransports aus Mali oder auf die Menge dessen, was im Feldlager Gao – eine dreiviertel Flugstunde nordwestlich von Niamey – zurückgelassen werden müsste.

Eventualfallplanung für den Abzug

Die Start- und Landebahn dort entspricht nicht den Standards eines internationalen Flughafens, weshalb nicht vollgetankt und auch nicht voll beladen werden kann, um in der großen Hitze abheben zu können. So kommt das Material in kleineren Portionen im bisher sicheren, gut ausgestatteten „Hub“ Niamey an, wo es umgepackt und auf die große Reise geschickt wird. Die Bundeswehr hat bereits mit der Suche nach Alternativstandorten angefangen.

In den Eventualplanungen, die die Bundeswehr ohnehin immer betreibt, nehmen die für ein mögliches Ende der noch in den Kinderschuhen befindlichen EU-Mission nun größeren Raum ein. „Auch wenn viele Fragen noch offen sind“, so die Grünen Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, „ist klar, dass man hier nicht so tun kann und wird, als sei nichts geschehen“.

Für „zu früh“ hält es auch Nils Schmid als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, um die Konsequenzen aus den Ereignissen in Niger abzusehen: „Wichtig ist, dass sich Bundesregierung und Bundeswehr auf alle denkbaren Szenarien vorbereiten – auch auf das eines Abzugs aus Niger.“

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