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Premier Albanese ist in Australien immer beliebter.

© IMAGO/AAP/IMAGO/MARK EVANS

Hohe Zustimmung nach einem Amtsjahr: Australiens Premier versöhnt Nation und Nachbarn

Anthony Albanese punktet mit Sozialpolitik, Klimaschutz und besseren Beziehungen zu China und Pazifik-Staaten. Doch ganz ohne Widersprüche ist seine Politik nicht.

Eines hat Australiens Premierminister Anthony Albanese auf alle Fälle erreicht: Seine ersten 365 Tage im Amt werden in die Geschichtsbücher eingehen.

Nicht zuletzt, weil er gleich bei mehreren geschichtsträchtigen Ereignissen zu Gast war wie der Beerdigung von Queen Elizabeth II. oder der Krönung ihres Sohnes Charles III. Letzterer ist nun das offizielle Staatsoberhaupt Australiens. Dabei ist der Sozialdemokrat Albanese selbst überzeugter Republikaner.

Im eigenen Land war Albanese, der am 23. Mai 2022 ins Amt kam, in den vergangenen Monaten bedacht darauf, so viele Wahlversprechen einzulösen wie nur möglich. Vielen gefiel dabei, dass sein Ton deutlich ruhiger und besonnener war – die teils polarisierende Rhetorik seiner Vorgänger verfolgt Albanese nicht.

Weltmännischer als viele Premiers vor ihm

Auch auf außenpolitischem Terrain sind die Australier zufrieden: Als Albanese mit US-Präsident Joe Biden und seinem britischen Kollegen Rishi Sunak bei der Verkündung der Details des Sicherheitsbündnisses Aukus in San Diego auf der Bühne stand, wirkte er weltmännischer als manch anderer australischer Premier vor ihm. Seine Zustimmungswerte sind seit der Wahl dann auch gestiegen: Sie liegen bei über 55 Prozent.

„Das ist ein starkes Ergebnis für Australien“, wie die Politikwissenschaftlerin Marija Taflaga von der Australian National University in Canberra sagt. „Albaneses parlamentarische Erfahrung und seine Fähigkeit zu strategischem Denken spiegeln sich im maßvollen und systematischen Regierungsansatz seiner Regierung wider.“ Für eine Regierung in der ersten Amtszeit sei dies „die am besten geführte und methodischste Regierung“ seit Jahrzehnten.

Tatsächlich steht Albanese seit Beginn seiner politischen Karriere für Beständigkeit. Vor seiner Wahl zum Premierminister saß er bereits über 25 Jahre im Parlament in Canberra und hat extreme Höhen und Tiefen seiner Labor Party miterlebt. Zwischenzeitlich war diese intern so zerstritten, dass sie sich für fast eine Dekade in der Opposition wiederfand.

Schwierige Kindheit in Armut

Albanese fiell in den vergangenen Jahren das schwierige Los zu, die einstigen „Parteifreunde“ wieder zu vereinen und Brücken zu bauen, wo zuvor tiefe Gräben gezogen worden waren. Letzteres ist dem freundlichen 60-Jährigen mit viel Geduld und Hartnäckigkeit gelungen.

Diese Eigenschaften hat er vermutlich früh gelernt, denn seine Kindheit war eher schwierig: Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Westen Sydneys auf. Seine Mutter war alleinerziehend, schwer krank und lebte mit ihrem Sohn in einer Sozialwohnung. Den Vater, einen Italiener, lernte Albanese erst im Erwachsenenalter kennen. Seine Kindheit verbrachte er in dem Glauben, der Vater sei bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Schon während seines Wirtschaftsstudiums trat er in die Labor Party ein und engagierte sich früh für die Sozialdemokraten. „Ich habe den Wert eines Dollars schätzen gelernt. Ich habe gelernt, wie wichtig Resilienz ist“, schrieb Albanese einst auf Twitter.

Ich habe den Wert eines Dollars schätzen gelernt. Ich habe gelernt, wie wichtig Resilienz ist.

Anthony Albanese, Premierminister Australiens

In den ersten zwölf Monaten seiner Amtszeit als Regierungschef hat er mit der Labor Party einiges erreicht: Er hat ein Klimagesetz verabschiedet und Australien zu ehrgeizigeren Emissionszielen bis 2030 verpflichtet. Auch das Verhältnis zu China, zu Frankreich und zu den pazifischen Nachbarn hat er nach Jahren der Dissonanz befriedet.

Ganz in sozialdemokratischer Manier hat er den Fokus verstärkt auf Sozialpolitik gelegt: Der Anfang Mai vorgelegte Haushalt versucht, die Wohn- und Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen und sieht eine Aufstockung der Mittel für Gesundheits- und Sozialausgaben vor.

Kontrovers diskutiert wird dagegen die sogenannte „indigene Stimme“, ein Gremium, mit dem Albanese den Ureinwohnern mehr Mitspracherecht im Parlament geben will. Ein Volksentscheid dazu soll noch in diesem Jahr stattfinden.

Bei den Themen Klima und Umwelt agiert die Regierung widersprüchlich. Denn trotz Klimagesetz genehmigte die Regierung im Mai ihr erstes Kohlebergwerk und das auch noch in einer Region, die in den Lebensraum der Koalas eingreift. Deren Überleben ist im Osten des Landes ohnehin schon gefährdet.

Laut Stewart Jackson, Politikwissenschaftler an der University of Sydney, hat Albanese daher doch nicht alle Erwartungen erfüllt. Aber er habe „Australiens internationales Ansehen und die Binnenwirtschaft in einer Zeit erheblicher Unsicherheit und Polarisierung aufrechterhalten“, findet der Experte. Dies mache ihn zu einem der bisher zentristischsten Parteichefs der Sozialdemokraten.

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