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Einsatzkräfte tragen einen Überlebenden aus den Trümmern.

© REUTERS/ YAGIZKAN KARAHAN

Update

„Es geht um Hilfe in der Not“: Erdbebenopfer können mit Visa zu deutschen Verwandten reisen – Zahl der Toten erreicht 25.000

Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt haben sich geeinigt: Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien können unbürokratisch bei Angehörigen in Deutschland unterkommen.

| Update:

Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien können bei Verwandten und Angehörigen in Deutschland unterkommen und unbürokratisch mit Visa einreisen. Darauf einigten sich am Samstag das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt, wie die „Bild am Sonntag“ berichtete.

„Es geht um Hilfe in der Not“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Zeitung. „Wir wollen ermöglichen, dass türkische oder syrische Familien in Deutschland ihre engen Verwandten aus der Katastrophenregion unbürokratisch zu sich holen können.“ Faeser fügte hinzu: „Mit regulären Visa, die schnell erteilt werden und drei Monate gültig sind.“

Das werde das Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt möglich machen. Es gehe darum, dass die Menschen in Deutschland „Obdach finden und medizinisch behandelt werden können“. Die Bundesregierung hatte am Freitag schnelle Lösungen für die Einreise von Erdbeben-Betroffenen zugesagt. 

Mehr als 25.000 Tote

Die Zahl der Toten ist unterdessen auf mehr als 25.000 gestiegen. Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem am Samstag im Fernsehen übertragenen Auftritt in der Provinz Sanliurfa sagte, liegt die Zahl allein für die Türkei nun bei 21.848. Aus Syrien wurden zuletzt 3553 Tote gemeldet. Überlebende dürfte es unter den tonnenschweren Trümmerhaufen eingestürzter Gebäude nur noch wenige geben. Manche davon wurden bisher gefunden.

Es werden auch immer wieder Überlebende gefunden

Und doch gibt es sie noch: berührende Einzelschicksale, die nimmermüden Rettungskräften und verzweifelten Angehörigen Hoffnung machen. Laut einem Medienbericht wurde am Samstag ein zwei Monate altes Baby lebend aus Trümmern geborgen worden.

Der Säugling in der Mittelmeer-Gemeinde Iskenderun sei 128 Stunden lang unter Schutt begraben gewesen, bevor er herausgezogen und in ein Krankenhaus gebracht wurde, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Samstag.

Obwohl sich das eigentlich kritische 72-Stunden-Fenster für die Rettung Verschütteter längst geschlossen hat, werden in der Katastrophenregion im türkisch-syrischen Grenzgebiet weiter Überlebende unter den Trümmern gefunden. 

Insgesamt mehr als 1800 Nachbeben

Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben der Stärke 7,7 das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert, gefolgt von einem weiteren Beben der Stärke 7,6 am Mittag.

Bis Samstagmorgen wurden insgesamt 1891 Nachbeben in der Grenzregion gemessen. Das teilte die türkischen Katastrophenschutzbehörde Afad mit.

Da Menschen im Regelfall kaum länger als drei Tage ohne Wasser überleben können und die Vermisstenzahlen noch immer sehr hoch sind, ist zu befürchten, dass die Opferzahlen noch drastisch steigen werden.

Doch auch in Kahramanmaras zogen Helfer 112 Stunden nach dem Beben einen 46 Jahre alten Mann aus der Ruine eines siebenstöckigen Gebäudes, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

In der Provinz Gaziantep wurde zudem eine verschüttete Schwangere nach 115 bangen Stunden vor dem Tod bewahrt. Ebenfalls in Gaziantep bargen Retter ein neunjähriges Mädchen nach 108 Stunden aus dem Schutt - für ihre beiden Eltern und ihre Schwester kam jedoch jede Hilfe zu spät.

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„Deutschland trauert mit den Menschen in Türkiye“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in das Kondolenzbuch in der türkischen Botschaft in Berlin, wie er über Twitter mitteilte. „Wir werden jede mögliche Unterstützung leisten, um in diesen schweren Stunden zu helfen.“

Nach Angaben des türkischen Vize-Präsidenten Fuat Oktay sind inzwischen mehr als eine Million Menschen in Behelfsunterkünften untergebracht. Rund 160.000 Such- und Rettungskräfte seien im Einsatz, teilte die Katastrophenschutzbehörde Afad mit. Aus dem Ausland seien mehr als 7700 Helfer ins Erdbebengebiet geschickt worden.

Rettungsarbeiten wegen Sicherheitsbedenken unterbrochen

Das Technische Hilfswerk (THW) und die Hilfsorganisation I.S.A.R Germany unterbrechen aber derweil wegen Sicherheitsbedenken ihre Rettungsarbeiten im Erdbebengebiet in der Türkei. In den vergangenen Stunden habe sich nach verschiedenen Informationen die Sicherheitslage in der Region Hatay geändert, teilten die Organisationen am Samstag mit.

Such- und Rettungsteams blieben vorerst im gemeinsamen Basislager in der Stadt Kirikhan. Wenn es einen konkreten Hinweis gebe, dass man jemand lebend retten könne, werde man aber dennoch hinausfahren, sagte die THW-Sprecherin Katharina Garrecht vor Ort der Deutschen Presse-Agentur.

Ein Helfer des Technisches Hilfswerks (THW) steht neben seinem Hund im Erdbebengebiet der türkischen Provinz Hatay.

© dpa

THW und I.S.A.R teilte weiter mit: „Grund dafür scheinen unter anderem die Verknappung von Lebensmitteln und die schwierige Wasserversorgung im Erdbebengebiet.“ I.S.A.R-Einsatzleiter Steven Bayer sagte: „Es ist festzustellen, dass die Trauer langsam der Wut weicht.“

Auch das österreichische Bundesheer hat seinen Rettungseinsatz wegen der aktuellen Sicherheitslage ausgesetzt.

Diskussionen um Visa-Erleichterungen

Bundesagrarminister Cem Özdemir sprach sich für rasche Einreise-Erleichterungen aus, damit Betroffene des Erdbebens zu Angehörigen nach Deutschland kommen können. „Viele Menschen in Deutschland haben Verwandte in der Katastrophenregion und sorgen sich verzweifelt um sie“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung hatte eine „pragmatische Lösung“ bei der Visa-Vergabe an Überlebende der Erdbebenkatastrophe in Aussicht gestellt.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte am Freitag an, vom Erdbeben betroffenen Menschen mit Verwandten in der Hauptstadt die Einreise nach Deutschland zu erleichtern. Sie sollen schneller als sonst das nötige Visum erhalten können. Dazu erließ die Berliner Senatsinnenverwaltung eine sogenannte Globalzustimmung, die sonst erforderliche Beteiligung des Berliner Landesamts für Einwanderung entfällt.

Auf den Nachweis von Deutschkenntnissen werde verzichtet, hieß es. Die Regelung betreffe nahe Angehörige wie minderjährige Kinder sowie Ehepartner und -partnerinnen. Die Beschleunigung der Visa-Erteilung gilt demnach bis zum 31. Juli 2023. (dpa/AFP)

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