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Der Unabhängigkeitsbefürworter William Lai gewann die Wahl in Taiwan. Die Regierung in China reagiet scharf. 

© dpa/AP/Louise Delmotte

Update

Nach Wahl in Taiwan: China empört über Glückwünsche für Lai – der will am Status quo nicht rütteln

Der Kandidat der bisher regierenden Fortschrittspartei ist neuer Präsident Taiwans. Der Westen gratuliert dem Unabhängigkeitsbefürworter Lai. Aus Peking kommen scharfe Töne.

| Update:

Nach dem Wahlsieg des Unabhängigkeitsbefürworters William Lai von der in China kritisch beäugten Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan haben westliche Staaten gratuliert – aus Peking kamen scharfe Töne. „Egal wie sich die Situation auf der Insel Taiwan verändert, kann sich die grundlegende Tatsache, dass es nur ein China auf der Welt gibt und dass Taiwan ein Teil Chinas ist, nicht ändern“, so die Regierung in Peking der Nacht zum Sonntag (Ortszeit).

Das US-Außenministerium in Washington teilte mit, das taiwanische Volk habe mit der Wahl einmal mehr die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt. Man freue sich, die langjährigen inoffiziellen Beziehungen im Einklang mit der Ein-China-Politik zu fördern.

China will „Wiedervereinigung“ mit Taiwan

US-Präsident Joe Biden unterstrich allerdings, dass die USA eine Unabhängigkeit Taiwans nicht unterstützten. Die sogenannte Taiwan-Frage, sorgt immer wieder für Verstimmungen zwischen den USA, die ein Verbündeter der Insel sind, und China, das Taiwan zu seinem Territorium zählt.

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Am Sonntag wurde außerdem bekannt, dass eine informelle US-Delegation am Abend zu einem Besuch in Taiwan erwartet wurde. Wie schon bei vorherigen Wahlen habe die US-Regierung frühere US-Regierungsbeamte gebeten, privat nach Taiwan zu kommen, hieß es vom American Institute in Taiwan, die inoffizielle Vertretung der USA in Taipeh.

Demnach machten sich der frühere Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley und der ehemalige Vize-Außenminister James Steinberg auf den Weg. Für Montag seien Treffen mit führenden Politikern geplant. 

Die chinesische Regierung beschwerte sich bei den USA offiziell über die Erklärung Washingtons zur Wahl in Taiwan. Die USA verstießen damit gegen ihre eigene Zusage, nur Kultur- und Handelsbeziehungen oder anderen inoffiziellen Austausch mit Taiwan zu unterhalten, teilte das Außenministerium am Sonntag in Peking mit.

Das sende „ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte“ in Taiwan. Die Taiwan-Frage stehe im Zentrum der Kerninteressen Chinas und stelle die „erste rote Linie“ dar, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht überschritten werden dürfe. 

Die chinesische Botschaft in Japan reagierte auch verärgert über die Glückwünsche Japans an Taiwans neuen Präsidenten. Wie die Botschaft mitteilte, sprach man sich entschieden gegen die Erklärung der japanischen Außenministerin Yoko Kamikawa aus, die zuvor in einer Mitteilung auf der Website des japanischen Außenministeriums Lai gratulierte und erklärte: „Wir erwarten, dass die Taiwan-Frage durch einen Dialog friedlich gelöst wird und so zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt.“

China auch empört über Glückwünsche aus Japan an Taiwan

Die chinesische Botschaft bezeichnete die Äußerung der Ministerin als „ernsthafte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas“, wie die Behörde über ihr offizielles Konto beim chinesischen Chat-Dienst „WeChat“ mitteilte.

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Millionen Menschen leben in dem Inselstaat Taiwan

Lai dankte den Wählern für das „neue Kapitel der Demokratie“ auf der Insel. Sie hätten allen Versuchen zur Beeinflussung der Wahl widerstanden, sagte er. Auch international werde Taiwan stets „auf der Seite der Demokratie stehen“. Gleichzeitig kündigte der künftige Präsident an, sich weiter für Frieden und Stabilität in der Region einzusetzen. Er werde am Status quo nicht rütteln. Lai tritt sein neues Amt am 20. Mai an.

Der 64-jährige Lai holte bei der Präsidentenwahl am Samstag 40,05 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung war mit 72 Prozent nur geringfügig niedriger als 2020. Lais engster Verfolger Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang erhielt 33,49 Prozent Zustimmung. Der Kandidat der populistischen Taiwanischen Volkspartei, Ko Wen-je, kam auf 26,46 Prozent.

Die Menschen in dem Inselstaat mit mehr als 23 Millionen Einwohnern stimmten damit im Hinblick auf die Politik zu China für eine Fortsetzung. Lais Partei steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, obwohl Lai diese nach eigenen Worten nicht offiziell erklären will. Unter seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, stiegen deshalb die Spannungen in der Taiwanstraße, der Meerenge zwischen China und Taiwan.

Peking brach 2016 den Kontakt zu Taipeh ab. Die Kommunistische Partei argumentiert historisch, dass Taiwan zu China gehört, obwohl sie die Insel bislang nie regierte und dort seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung sitzt. Der DPP wirft sie immer wieder Separatismus vor.

China will eine „Wiedervereinigung“ und diese notfalls militärisch herbeiführen. Ein Krieg in der für die internationale Schifffahrt wichtigen Taiwanstraße würde jedoch den Welthandel sehr hart treffen und könnte die USA involvieren.

China mit Wahlergebnis in Taiwan unzufrieden

Der Sprecher der chinesischen Behörde für Angelegenheiten mit Taiwan, Chen Binhua, sagte, das Wahlergebnis in Taiwan zeige, dass die Fortschrittspartei nicht die Mehrheit der vorherrschenden öffentlichen Meinung auf der Insel repräsentiere. China werde sich „separatistischen Handlungen zu einer Unabhängigkeit Taiwans“ widersetzen.

Auf Taiwan konterte die dortige Behörde für Angelegenheiten mit China, Peking solle das Wahlergebnis respektieren und „sich vernünftig der neuen Lage in der Taiwanstraße stellen“. China solle mit Taiwan ohne Vorbedingungen kommunizieren, um Stabilität in der Region zu schaffen.

Die EU begrüßte den Verlauf der Wahlen. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.

Die Zeichen könnten nun in Richtung Spannungen in der Taiwanstraße deuten. „Es gibt die Erwartung, dass Peking damit antworten wird, den Druck auf Taiwan zu erhöhen“, sagte Helena Legarda, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik am China-Forschungsinstitut Merics in Berlin. Möglich seien weitere Drohungen und Militärübungen, aber auch handelspolitische Zwänge.

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Einen Krieg hielt die Expertin allerdings für „höchst unwahrscheinlich“. Schon vor der Wahl schickte Peking seine Luftwaffe und Marine beinahe täglich als Machtdemonstration in Richtung Taiwan. Auch sanktionierte China viele Produkte der Insel.

Lai steht in Taiwan vor innenpolitischen Hürden

Obendrein könnte es für Taiwans künftige Regierung, die Präsident Lai ernennt, innenpolitisch schwieriger werden. Die DPP gewann zwar als erste Partei seit 1996 zum dritten Mal in Folge die Präsidentenwahl. Im Parlament büßte sie jedoch die absolute Mehrheit ein und benötigt damit in Zukunft für politische Vorhaben die Unterstützung anderer Parteien

Auf die DPP entfielen nur 51 der 113 Sitze, während die KMT mit 52 einen mehr holte. Die TPP erhielt acht Sitze, zwei gingen an unabhängige Kandidaten. Lai kündigte bereits an, Politiker anderer Lager bei seinen Personalentscheidungen berücksichtigen zu wollen.

Manche Experten rechnen damit, dass die Fortschrittspartei mehr die Beziehungen zu den USA suchen, die Taiwan für den Konfliktfall Unterstützung zugesagt haben. Zudem will Lais weiter in die Verteidigung Taiwans investieren, um China abzuschrecken, überhaupt eine Invasion zu beginnen. Auch die anderen Präsidentschaftsbewerber hatten dies gefordert.

Schon länger bezieht die Inselrepublik Waffen aus den USA, was Peking stets kritisiert. Im Inland werden Lai hohe Mieten, kaum gestiegene Löhne und die Verbesserung des Gesundheitssystems für Senioren beschäftigen. (dpa, AFP)

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