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Nawalnys Mutter.

© dpa/Uncredited

„Sie erpressen mich, wann und wie er beerdigt wird“: Nawalnys Mutter durfte wohl die Leiche ihres Sohnes sehen

Zunächst hatte der Kreml der Mutter des gestorbenen Alexej Nawalny den Zugang zu dessen Leiche versagt. Nun durfte sie ihn offenbar im Leichenschauhaus ein letztes Mal sehen.

| Update:

Die Mutter des im russischen Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny hat nach tagelangem Warten Zugang zu seiner Leiche erhalten. Sie habe den Körper ihres Sohnes in der Leichenhalle zu sehen, aber nicht ausgehändigt bekommen, teilte Ljudmila Nawalnaja am Donnerstag in einem Video mit.

„Gestern Abend haben sie mich heimlich zur Leichenhalle gebracht, wo sie mir Alexej gezeigt haben“, schilderte Nawalnaja in dem Video. Die russischen Behörden drängten sie demnach, einer geheimen Bestattung ihres Sohnes zuzustimmen. „Sie erpressen mich, sie stellen mir Bedingungen, wo, wann und wie Alexej beerdigt werden soll“, sagte die Mutter. „Das ist illegal.“

Nawalanja führte mit Blick auf die Behörden aus: „Sie wollen, dass alles im Geheimen geschieht, ohne Zeremonie, sie wollen mich an den Rand eines Friedhofs bringen, in die Nähe eines frischen Grabes und mir sagen: ,Hier ruht Dein Sohn’. Ich bin damit nicht einverstanden.“

Sie wolle, „dass diejenigen von Ihnen, denen Alexej am Herzen liegt, alle, für die sein Tod zu einer persönlichen Tragödie wurde, die Möglichkeit haben, sich von ihm zu verabschieden“, sagte Nawalnaja. Sie habe das Video aufgenommen, weil die Ermittler sie „bedroht“ hätten.

Auch möchte sie erreichen, „dass mir die Leiche meines Sohnes sofort übergeben wird.“ Die Ermittler hätten ihr mitgeteilt, dass sie die Todesursache kennen, aber nicht sagen würden, worum es sich handelt.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmisch sagte, ein Nawalnaja gezeigter medizinischer Bericht besage, dass die Todesursache „natürlich“ sei.

Der Tod des seit Jahren in Russland inhaftierten Nawalny war am Freitag vergangener Woche bekannt geworden. Er starb in einem Straflager am Polarkreis im Alter von 47 Jahren. Nawalnys plötzlicher Tod löste international Bestürzung aus. Zahlreiche westliche Politiker sowie Nawalnys Witwe machten die russische Führung und Präsident Wladimir Putin für seinen Tod verantwortlich. Moskau wies die Anschuldigungen zurück.

Oppositionelle rufen zu Entschlossenheit auf

Unterdessen riefen russische Oppositionelle nach dem Tod Nawalnys zur Entschlossenheit auf. Der zu 25 Jahren Gefängnis verurteilte Wladimir Kara-Mursa sprach seinen Landsleuten Mut zu. „Alexej sagte: Gebt nicht auf. Es ist unmöglich, aufzugeben“, erklärte Kara-Mursa aus der Isolationshaft in einer Strafkolonie in Sibirien. „Wenn wir uns der Düsternis und Verzweiflung hingeben, ist das genau das, was sie wollen.“

Den Kampf für Demokratie nach Nawalnys Tod aufzugeben, ist laut Kara-Mursa keine Option. „Wir haben kein Recht dazu, das sind wir unseren gefallenen Kameraden schuldig“, appellierte Kara-Mursa an die Menschen in Russland. Der unter schweren gesundheitlichen Problemen leidende Oppositionspolitiker äußerte die Hoffnung, „Russland zu einem normalen, freien, europäischen und demokratischen Land zu machen“.

Kara-Mursa war im vergangenen Jahr für schuldig befunden worden, „falsche Informationen“ über die russische Armee verbreitet und Verbindungen zu einer „unerwünschten Organisation“ unterhalten zu haben. Er hatte sich jahrelang für westliche Sanktionen gegen den Kreml eingesetzt. Er stand sowohl Nawalny als auch dem 2015 getöteten Oppositionspolitiker Boris Nemzow nahe.

Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow forderte härtere Sanktionen gegen Putin-Verbündete. Es gebe „noch immer Menschen, die beträchtliche Vermögen im Westen haben, und die Putin lieb und teuer sind“, sagte Wolkow vor dem Außenausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Die bisherigen Sanktionen der EU reichten nicht aus. „Die bestmögliche Reaktion wäre, Putins Freunde zu verfolgen und ihre Vermögen zu beschlagnahmen.“

Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja rief demokratische Regierungen derweil dazu auf, den Tod von Nawalny mit Taten und nicht nur mit „Worten der Unterstützung“ zu einer „roten Linie“ zu machen. „Nawalnys Tod könnte ein grünes Licht oder eine rote Linie für weitere Morde sein“, sagte sie vor Reportern in Wien. Die Regierungen sollten ein „starkes Signal“ in Form von „Sanktionen oder Rechenschaftsmechanismen“ senden, um sicherzustellen, dass „diejenigen, die ihre Gegner töten, vor Gericht gestellt werden“. (AFP)

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