zum Hauptinhalt
Der russische Präsident Putin bei einem Treffen mit Chinas Staatschef Xi im Jahr 2022.

© REUTERS / Sputnik/Aleksey Druzhinin/Kremlin via REUTERS

China zum Ukraine-Krieg: Das steht in dem Zwölf-Punkte-Papier

Ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine legt China seine Strategie für eine Beendigung des Konflikts vor. Hier lesen Sie die Vorschläge des russischen Verbündeten in der Übersetzung.

Die Überraschung war groß, als Chinas oberster Diplomat Wang Yi eine Friedensinitiative für die Ukraine ankündigte. „Wir werden etwas vorlegen. Und zwar die chinesische Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise“, sagte Wang Yi am vergangenen Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Die Spannung stieg, insbesondere nachdem Wang vier Tage später nach Moskau reiste, um Russlands Staatschef Wladimir Putin höchstpersönlich von den chinesischen Vorschlägen zu unterrichten.

Der chinesische Top-Diplomat reiste ab, ohne eindeutige Vermittlungserfolge bei seinen russischen Verbündeten verkündet zu haben.

Es wuchsen Zweifel an der Existenz eines detaillierten Friedensplans – zumal China den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis heute nicht verurteilt hat und im Verdacht steht, Russland mit Waffen – darunter wohl auch Kamikazedrohnen – zu beliefern.

Nun – exakt am ersten Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine – hat China ein Positionspapier vorgelegt, das eher allgemein gehalten und in zwölf Punkte gegliedert ist.

Das Außenministerium in Peking veröffentlichte den Plan am Freitag um 9 Uhr (2 Uhr MESZ) auf seiner Website. Es trägt den Titel „Chinas Position zur politischen Lösung der Ukraine-Krise“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Hier dokumentieren wir das Zwölf-Punkte-Papier in wörtlicher Übersetzung:


1. Respektierung der Souveränität aller Länder

„Das allgemein anerkannte Völkerrecht, einschließlich der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, muss strikt eingehalten werden. Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Länder muss wirksam gewahrt werden. Alle Länder, ob groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft.“

„Alle Parteien sollten gemeinsam die grundlegenden Normen für die internationalen Beziehungen aufrechterhalten und für internationale Fairness und Gerechtigkeit eintreten. Die gleichmäßige und einheitliche Anwendung des Völkerrechts ist zu fördern, während doppelte Standards abgelehnt werden müssen.“

2. Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges

„Die Sicherheit eines Landes sollte nicht auf Kosten anderer Länder angestrebt werden. Die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken erreicht werden. Die legitimen Sicherheitsinteressen und -belange aller Länder müssen ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden. Es gibt keine einfache Lösung für ein komplexes Problem.“

„Alle Parteien sollten gemäß der Vision einer gemeinsamen, umfassenden, kooperativen und nachhaltigen Sicherheit und mit Blick auf den langfristigen Frieden und die Stabilität in der Welt dazu beitragen, eine ausgewogene, effektive und nachhaltige europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen.“

„Alle Parteien sollten sich dem Streben nach eigener Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer widersetzen, eine Blockkonfrontation verhindern und sich gemeinsam für Frieden und Stabilität auf dem eurasischen Kontinent einsetzen.“

3. Einstellung der Feindseligkeiten

„Konflikte und Kriege sind für niemanden von Vorteil. Alle Parteien müssen rational bleiben und Zurückhaltung üben, es vermeiden, die Flammen zu schüren und die Spannungen zu verschärfen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder gar außer Kontrolle gerät.“

„Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine dabei unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, um die Situation schrittweise zu deeskalieren und schließlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen.“

4. Wiederaufnahme der Friedensgespräche

„Dialog und Verhandlungen sind die einzig gangbare Lösung für die Ukraine-Krise. Alle Bemühungen, die zu einer friedlichen Beilegung der Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden.“

„Die internationale Gemeinschaft sollte sich weiterhin für den richtigen Ansatz zur Förderung von Friedensgesprächen einsetzen, den Konfliktparteien dabei helfen, so bald wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen. China wird in dieser Hinsicht weiterhin eine konstruktive Rolle spielen.“

5. Lösung der humanitären Krise

„Alle Maßnahmen, die zur Linderung der humanitären Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden. Humanitäre Maßnahmen sollten den Grundsätzen der Neutralität und Unparteilichkeit folgen, und humanitäre Fragen sollten nicht politisiert werden.“

„Die Sicherheit der Zivilbevölkerung muss wirksam geschützt werden, und es sollten humanitäre Korridore für die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Konfliktgebieten eingerichtet werden.“

„Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die humanitäre Hilfe in den betroffenen Gebieten zu verstärken, die humanitären Bedingungen zu verbessern und einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu gewährleisten, um eine humanitäre Krise größeren Ausmaßes zu verhindern. Die Vereinten Nationen sollten bei der Koordinierung der humanitären Hilfe für die Konfliktgebiete unterstützt werden.“

6. Schutz von Zivilisten und Kriegsgefangenen (POWs)

„Die Konfliktparteien sollten sich strikt an das humanitäre Völkerrecht halten, Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen vermeiden, Frauen, Kinder und andere Opfer des Konflikts schützen und die Grundrechte der Kriegsgefangenen achten.“

„China unterstützt den Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Russland und der Ukraine und fordert alle Parteien auf, günstigere Bedingungen für diesen Zweck zu schaffen.“

7. Kernkraftwerke sicher halten

„China lehnt bewaffnete Angriffe auf Kernkraftwerke oder andere friedliche kerntechnische Anlagen ab und fordert alle Parteien auf, das Völkerrecht, einschließlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, einzuhalten und von Menschen verursachte nukleare Unfälle entschlossen zu vermeiden.“

„China unterstützt die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) dabei, eine konstruktive Rolle bei der Förderung der Sicherheit friedlicher Nuklearanlagen zu spielen.“

8. Verringerung strategischer Risiken

„Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt und Atomkriege dürfen nicht geführt werden. Die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen sollte abgelehnt werden. Die Weiterverbreitung von Kernwaffen muss verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden.“

„China lehnt die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab.“

9. Erleichterung der Getreideexporte

„Alle Parteien müssen die von Russland, der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen unterzeichnete Schwarzmeer-Getreide-Initiative in ausgewogener Weise vollständig und wirksam umsetzen und die Vereinten Nationen dabei unterstützen, eine wichtige Rolle in dieser Hinsicht zu spielen. Die von China vorgeschlagene Kooperationsinitiative zur globalen Ernährungssicherheit bietet eine praktikable Lösung für die globale Nahrungsmittelkrise.“

10 Stopp einseitiger Sanktionen

„Einseitige Sanktionen und maximaler Druck können das Problem nicht lösen; sie schaffen nur neue Probleme. China lehnt einseitige, vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigte Sanktionen ab.“

„Die betroffenen Länder sollten aufhören, einseitige Sanktionen und die ‚Langwaffengerichtsbarkeit‘ gegen andere Länder zu missbrauchen, um ihren Teil zur Deeskalation der Ukraine-Krise beizutragen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft ausbauen und die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung verbessern können.“

11 Stabilisierung der Industrie- und Versorgungsketten

„Alle Parteien sollten sich ernsthaft für den Erhalt des bestehenden Weltwirtschaftssystems einsetzen und sich dagegen wehren, die Weltwirtschaft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu missbrauchen.“

„Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um die Auswirkungen der Krise abzumildern und zu verhindern, dass sie die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Finanzen, Lebensmittelhandel und Verkehr stört und die weltweite wirtschaftliche Erholung untergräbt.“

12 Förderung des Wiederaufbaus

„Die internationale Gemeinschaft muss Maßnahmen ergreifen, um den Wiederaufbau nach Konflikten in Konfliktgebieten zu unterstützen. China ist bereit, dabei Hilfe zu leisten und eine konstruktive Rolle zu spielen.“


Da China auch ein Jahr nach der russischen Invasion den Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verurteilt hat, bleiben Zweifel an der Aufrichtigkeit der nun gestarteten Bemühungen.

US-Außenminister Blinken hatte vergangenen Sonntag erklärt, Washington sei in Sorge, dass China „die Bereitstellung tödlicher Unterstützung“ für Moskau im Ukraine-Krieg erwäge. Das Dementi aus Peking folgte umgehend.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zumindest am Tag vor Veröffentlichung des Papiers angekündigt, den Friedensplan gerne mit Vertretern Pekings erörtern zu wollen.

„Wir werden einige Schlüsse ziehen, nachdem wir Details ihres Vorschlags gesehen haben“, sagte er. Demnach sei es grundsätzlich gut, „dass China angefangen hat, über die Ukraine zu sprechen, und einige Signale ausgesendet hat“.

Den Dialog mit Russland lehnt Selenskyj allerdings nach wie vor ab. Mehrfach hatte er betont, dass Gespräche nur möglich seien, wenn Russland seine Soldaten aus der gesamten Ukraine einschließlich der Krim abziehe.

Direkte Verhandlungen mit Putin schließt Selenskyj ebenfalls aus, da er diesem nicht traue. Ende September 2022 hatte er per Dekret Gespräche mit dem Kremlchef verboten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false