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Joe Biden in Warschau.

© REUTERS/SLAWOMIR KAMINSKI/AGENCJA WYBORCZA

Bidens kraftvolle Ansprache in Warschau: „Die Demokratien dieser Welt sind stärker geworden, nicht schwächer“

Nach dem Überraschungsbesuch in Kiew reiste der US-Präsident nach Polen. Vor symbolträchtiger Kulisse geht er Putin in einer Rede direkt an.

Diesem 80-jährigen Mann sieht man die Strapazen der vergangenen Tage nicht an. Einen Tag nach seinem Überraschungsbesuch in Kiew steht US-Präsident Joe Biden vor Tausenden von jubelnden Zuhörern im Garten des Warschauer Königspalast – und lächelt.

Um ihn herum sind Dutzende Kinder gruppiert, die polnische, ukrainische und amerikanische Fähnchen schwenken. Der Präsident ist in die Knie gegangen, um auf ihre Höhe zu gelangen. Gerade hat er seine Rede beendet, in der er der Ukraine versichert hat, dass Amerika und seine Verbündeten des Angriffskriegs von Wladimir Putins nicht müde würden.

Was Biden am Vortag im historischen Stadtzentrum der ukrainischen Hauptstadt über beeindruckende Bilder transportiert hat, untermauert er am Dienstagnachmittag mit einer kraftvollen 20-minütigen Ansprache vor symbolträchtiger Kulisse: Der Königspalast gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst weitgehend zerstörten und später wiederaufgebauten polnischen Hauptstadt.

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„Putin dachte, dass wir weich wären“, sagt Biden. Doch der russische Machthaber erlebe nun etwas, das er nicht für möglich gehalten hätte: „Die Demokratien dieser Welt sind stärker geworden, nicht schwächer.“ Russland werde in der Ukraine niemals siegen. Der Kremlchef habe alle westlichen Demokratien auf die Probe gestellt mit der Frage, ob seine Aggression unbeantwortet bleibe. Nun sei klar, wie die Antwort laute: „Wir waren stark.“ Die Welt habe nicht weggeschaut, sagt Biden.

Putin habe sich getäuscht: „Als er seine Panzer in die Ukraine beorderte, dachte er, wir würden wegschauen.“ Aber: Die Demokratien hätten sich als widerstandsfähig erwiesen, und anstelle eines einfachen Sieges bleibe Putin mit russischen Streitkräften zurück, die sich in Auflösung befinden. „Putin hat gedacht, er könne die Nato finnlandisieren. Was er bekommen hat, ist die Natoisierung Finnlands“, ruft Biden aus.

Fern-Duell mit Putin?

Der russische Präsident hat wenige Stunden zuvor selbst eine Rede gehalten. Darin schob er dem Westen die Schuld für den Ukraine-Krieg zu und kündigte an, den Atomkontrollvertrag „New Start“ auszusetzen.

Im Vorfeld hatte das Weiße Haus dementiert, dass Bidens Rede als Fern-Duell mit dem russischen Präsidenten geplant sei. Der Zeitpunkt von Bidens Ansprache sei nicht wegen Putins Auftritt gewählt worden, sondern wegen des nahenden Jahrestages des Kriegsbeginns am 24. Februar, hatte sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan erklärt. „Dies ist kein rhetorischer Wettstreit mit irgendjemandem.“ Dem US-Präsidenten gehe es vielmehr darum, ein Jahr nach dem Beginn des Krieges über die Stärke der Demokratie zu sprechen.

Er hat Putin richtiggehend verdroschen.

CNN-Korrespondentin Clarissa Ward

Doch in seiner Rede geht Biden Putin dann direkt an. Immer wieder nennt er seinen Namen, sagt, der Kremlchef sei alleine verantwortlich für diesen Krieg und könne ihn „mit nur einem Wort“ beenden. Und er wendet sich einmal mehr direkt an die Menschen in Russland: Russland werde nicht angegriffen, die russische Bevölkerung sei kein Feind. Dieser Krieg sei „keine Notwendigkeit, sondern eine Tragödie“. Die CNN-Korrespondentin Clarissa Ward wird am Ende fast erstaunt kommentieren: „Er hat Putin richtiggehend verdroschen.“

Vor einem Jahr sagte er, Putin könne nicht an der Macht bleiben

Da kommen Erinnerungen an Bidens letzten Auftritt im Warschauer Königspalast auf. Einen Monat nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine vor einem Jahr hatte der US-Präsident – abweichend vom Redemanuskript – am Ende seiner Rede den Satz ausgerufen: „Um Himmels willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben.“ 

Ob Biden zum Sturz von Kremlchef Wladimir Putin aufgerufen hatte oder nicht, wurde anschließend heftig diskutiert. Denn eigentlich lautet die Maßgabe: Die USA wollen eine direkte Konfrontation mit Russland und damit einen möglichen dritten Weltkrieg vermeiden. Erklärt wurde sein „spontaner“ Einschub vom Weißen Haus daher mit den Worten: Der Präsident sei von einem vorangegangenen Treffen mit ukrainischen Flüchtlingen sehr angefasst gewesen.

Am Montag traf US-Präsident Joe Biden überraschend mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj in Kiew zusammen.

© Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

An das Leid dieser Flüchtlinge erinnert er auch am Dienstag und lobt die Polen für ihre „außerordentliche Großzügigkeit“ in deren dunkelster Stunde. In Kiew erklärte er am Vortag, die Ukraine habe mit ihrem mutigen Überlebenskampf „sein Herz erobert“.

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Der bis zuletzt geheim gehaltene, durchaus riskante Abstecher des 80-Jährigen in die ukrainische Hauptstadt, wo er mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und begleitet von Luftalarm demonstrativ auf offener Straße spazieren ging, wurde als Zeichen der Entschlossenheit interpretiert. Die USA, so die Botschaft, werden an der Seite der Ukraine bleiben, „solange es nötig ist“ – und Putin nicht gewinnen lassen.

Biden hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Allianz zu schmieden, den Westen zusammenhalten und alle Zweifel an der Frage auszuräumen, ob das Nato-Bündnis widerstandsfähig ist. Mit dieser Reise verdeutlicht er aber auch: Die USA sind entschlossen, den Plan des Kremlchefs nicht aufgehen zu lassen.

Biden will Befürchtungen entgegentreten, die Unterstützung Kiews könne angesichts eines sich länger hinziehenden Krieges schwinden – darauf hatte Putin gesetzt, und bisher sieht es danach aus, dass er sich verkalkuliert hat.

Zweimal zehn Stunden Zugfahrt nahm Biden auf sich

Bidens Route, für die er gleich zweimal eine zehnstündige Zugfahrt von Polen in die Ukraine auf sich genommen hat, ist Teil eines größeren Paketes: Ende vergangener Woche traten Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken bei der Münchner Sicherheitskonferenz auf, zusammen mit der nach Veranstalterangaben größten US-Delegation aller Zeiten. In ihrer Rede in München erklärte Harris, die USA hätten formell festgestellt, dass Russland in der Ukraine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen.

Am Montag hat Biden noch auf der Fahrt mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni telefoniert, die am Dienstag ebenfalls Kiew besuchte. Wie das Weiße Haus erklärte, plane Biden in den kommenden Tagen mehrere Telefonate mit europäischen Partnern. Am 3. März empfängt Biden zudem Bundeskanzler Olaf Scholz in Washington.

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Am Mittwoch trifft er sich mit den Staats- und Regierungschefs der „Bukarest neun“. Die Gruppe der osteuropäischen Nato-Länder hatte sich 2014 nach der russischen Annexion der Krim gegründet. Ihnen will der amerikanische Präsident versichern, dass die Unterstützung der USA nicht wackelt. John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, hatte es auf den Punkt gebracht: Die osteuropäischen Länder stellen demnach die „vorderste Front unserer kollektiven Verteidigung“.

Dass Biden bereits zum zweiten Mal in einem Jahr Polen besucht, gilt als Anerkennung für die zentrale Bedeutung des Nato-Mitglieds im Ukraine-Krieg. Vor seiner Rede traf er mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zusammen.

10.000 amerikanische Soldaten sind dort stationiert, von hier aus werden Waffen in die Ukraine geliefert. Das Land hat zudem mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

Duda dankte Biden für seinen Kiew-Besuch und erklärte, dies sei „ein sehr strategischer Schritt“, der die „Moral“ der Ukrainer befeuere. Putin habe „Millionen Menschen, die aus ihrem Land flüchten mussten, zum Untergang verdammt“. Der Besuch Bidens sei „ein Zeichen, dass die freie Welt sie nicht vergessen hat“. Polen glaube fest daran, „dass Amerika in der Lage ist, die globale Ordnung zu bewahren“.

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