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Australiens Ureinwohner werden auch in Zukunft kein größeres politisches Mitspracherecht bekommen. Dies ist das Ergebnis einer historischen Volksbefragung.

© dpa/Steven Saphore

Australien sagt „Nein“: Enttäuschung bei Ureinwohnern nach Referendum

Das „Voice“-Referendum wurde als wichtiger Schritt zur Versöhnung gewertet. Aber die Mehrheit der Australier hat den Aborigines eine Absage erteilt.

Von Carola Frentzen, dpa

Das „Nein“ der australischen Wähler zu mehr politischem Mitspracherecht für die Ureinwohner hat bei großen Teilen der indigenen Bevölkerung für Enttäuschung und Bestürzung gesorgt. Beim historischen „Voice“-Referendum sprach sich am Samstag eine klare Mehrheit von rund 60 Prozent der Teilnehmer gegen das Vorhaben aus, den Aborigines eine in der Verfassung verankerte Mitsprache im Parlament einzuräumen.

Auch in allen sechs Bundesstaaten waren die Gegner in der Überzahl – für ein Inkrafttreten der Reform hätten es aber höchstens zwei sein dürfen. Wahlberechtigt waren 18 Millionen Menschen, darunter 530.000 Indigene.

„Das „Nein“ zeigt meinen Kindern, die stolze Mitglieder des Birpai-Volkes sind, dass die Welt um sie herum sie nicht darin haben will oder dass es ihr egal ist, was sie zu sagen haben“, schrieb der indigene Journalist Jack Latimore am Sonntag im „Sydney Morning Herald“. Die Ministerin für indigene Australier, Linda Burney, sprach unter Tränen von einem „traurigen Tag für Australien“.

Letztlich ist das Referendum auch eine Abstimmung über das Existenzrecht indigener Völker in ihrem eigenen Land gewesen, und unsere australischen Landsleute stimmten dafür, uns abzulehnen.

Indigene Kommentatorin Lorena Allam im australischen „Guardian“.

Im Erfolgsfall hätte ein von Ureinwohnern gewähltes Gremium namens „Aboriginal and Torres Strait Islander Voice“ das Parlament künftig in Fragen beraten, die die Indigenen direkt betreffen. De facto wären die Ureinwohner damit in der Verfassung anerkannt worden.

Auswirkungen der Absage

Es werde vermutlich Jahre dauern, bis die Auswirkungen dieser Absage in voller Gänze klar würden, schrieb die indigene Kommentatorin Lorena Allam im australischen „Guardian“. „Aber es ist bereits jetzt völlig klar, dass das Ergebnis für die Bevölkerung der First Nations zutiefst verletzend ist.“

Letztlich sei das Referendum auch eine Abstimmung über das Existenzrecht indigener Völker in ihrem eigenen Land gewesen, „und unsere australischen Landsleute stimmten dafür, uns abzulehnen“, so Allam. „Stellen Sie sich vor, wie sich das heute anfühlt.“ Anders als im Nachbarland Neuseeland hat Australien bis heute keinen Vertrag mit seinen Ureinwohnern.

Vor allem die konservative Opposition um Frontmann Peter Dutton hatte in den vergangenen Monaten massiv Stimmung gegen die Pläne gemacht und die Meinung im Land gedreht, nachdem die Mehrheit der Bevölkerung zunächst zu einem „Ja“ tendiert hatte. Aber auch einige Indigene waren dagegen. Ihnen ging das Vorhaben nicht weit genug.

Für Premierminister Anthony Albanese, der mit dem Referendum – dem ersten in Australien seit 24 Jahren – ein Wahlversprechen eingelöst hatte, ist das „Nein“ eine schwere Schlappe. Er respektiere das Ergebnis, werde aber weiter für Versöhnung und eine Überwindung der Kluft in der Gesellschaft arbeiten, sagte er in einer emotionalen Ansprache.

Erklärtes Ziel seiner sozialdemokratischen Labor-Regierung ist es, die Lebensrealität der bis heute stark diskriminierten Ureinwohner zu verbessern. Indigene machen etwa vier Prozent der Bevölkerung aus und leben vielerorts am Rande der Gesellschaft. Ihre Lebenserwartung ist deutlich geringer als die der weißen Australier und die Kindersterblichkeit höher, gleichzeitig haben sie einen schlechteren Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt.

Die Aborigines gelten als die älteste noch bestehende Kultur weltweit und bevölkern den Kontinent seit mehr als 65.000 Jahren. Mit der Kolonisierung durch die Briten begann für sie aber eine Zeit der Unterdrückung. In der 1901 verabschiedeten Verfassung werden sie nicht einmal erwähnt. Erst 1967 wurden ihnen Bürgerrechte eingeräumt.

Bis in die 1970er Jahre wurden zudem indigene Kinder ihren Familien weggenommen, um sie in christlichen Missionen oder bei weißen Familien „umzuerziehen“. Erst 2008 entschuldigte sich die Regierung unter dem damaligen Premier Kevin Rudd für das Leid, das den Opfern der „Stolen Generation“ zugefügt wurde.

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