zum Hauptinhalt
Am Tag nach der Anklageerhebung gegen Donald Trump gibt es nur eine Schlagzeile.

© REUTERS/David Dee Delgado

Anklage gegen Donald Trump: Kein Mensch steht über dem Gesetz – auch kein ehemaliger Präsident

Zum ersten Mal in der mehr als 200-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten wird gegen einen Ex-Präsidenten ein Strafrechtsverfahren eröffnet. Diese Nachricht ist eine Zäsur.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Donald Trump gehört hinter Gitter. Dieser Aussage würde in Deutschland wohl fast jeder zustimmen. Und selbst in den USA, wo er trotz allem noch immer viele glühende Anhänger hat, will Umfragen zufolge zumindest eine Mehrheit, dass er sich aus der Politik zurückzieht.

Nun ist klar: Erstmals in der mehr als 200-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten wird gegen einen ehemaligen US-Präsidenten ein Strafrechtsverfahren eröffnet. Diese Nachricht ist eine Zäsur, und alles, was in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten passieren wird, kann daran nichts ändern.

Trump wird sich in New York einfinden, er wird sich Fingerabdrücke nehmen und ein Fahndungsfoto von sich machen lassen müssen. Möglicherweise wird er in Handschellen zu sehen sein. Vielleicht kommt es zum gewalttätigen Protest seiner Anhänger. Trump hat sie dazu bereits vor zwei Wochen aufgerufen.

Wird er im Gefängnis enden? Das kann zu diesem Zeitpunkt keiner wissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn die Affäre um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin im Wahlkampf 2016 zu Fall bringen wird, ist nicht allzu groß.

Aber der 76-Jährige hat sich vielfach schuldig gemacht. Sein Versuch, den demokratischen Machtransfer durch eine mafiöse Druckkampagne aufzuhalten, seine Gleichgültigkeit, ob dabei Menschenleben zu Schaden kommen, ist Grund genug, ihn vor Gericht zu stellen. Und es gibt noch mehr.

Zu weiteren Anklagen kann es durchaus kommen. Die juristische Aufarbeitung der Ära Trump läuft auf vielen Ebenen und ist noch länger nicht abgeschlossen.

Bis dahin ist Trump aber auch Präsidentschaftsbewerber von einer der zwei großen Parteien in den USA. Drei Viertel der republikanischen Anhänger sind nicht der Meinung, dass ihn der Fall Stormy Daniels von einer erneuten Kandidatur abhalten sollte. Sie finden, es sei eine Privatsache.

Diese Wähler folgen der Behauptung Trumps, die regierenden Demokraten würden die Justiz dafür benutzen, einen gefährlichen Wettbewerber aus dem Spiel zu nehmen – genauso wie sie Wahlen fälschten, um an die Macht zu kommen. Wie Sektenanhänger haben diese Wähler sich in ihrer alternativen Realität eingebunkert und trauen der anderen Seite alles zu.

Sie glauben diese Verschwörungstheorien auch, weil Trump ihnen jahrelang vorgeführt hat, wie leicht und scheinbar folgenlos Einfluss auf die Justiz genommen werden kann. Trump griff zu Drohungen und Entlassungen, wenn man sich seinen Wünschen widersetzte. Er verletzte alle erdenklichen Regeln und Normen und brüstete sich damit auch noch. Und kam damit viel zu lange durch.

Diesen parteipolitischen Bunker aufzubrechen, wird für die USA eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre sein. Sollte die Republikanische Partei das Rennen um das Weiße Haus tatsächlich mit einem Kandidaten antreten, gegen den eine oder mehrere Anklagen laufen, wäre das die nächste Zäsur.

Das alles ist aber kein Grund, die Justiz an ihrer Arbeit zu hindern oder die Motivation von Staatsanwälten, Richtern und Geschworenen anzuzweifeln. Kein Mensch steht über dem Gesetz, auch kein ehemaliger Präsident. Das ist die wichtigste Botschaft dieser Woche. Trump hat lange so getan, als ob diese Regel nicht für ihn gilt.

Der amerikanischen Demokratie wäre es zu wünschen, dass das Urteil über ihn eindeutig ausfällt. Dass die Beweisführung ausreichend ist und er zur Rechenschaft gezogen wird. Und: dass die Wähler der Argumentation folgen können, egal, welcher politischen Überzeugung sie anhängen.

Demokratien beruhen auf der Gewaltenteilung, auf der Unabhängigkeit der Justiz. Werden diese Elemente infrage gestellt, ist etwas faul im Staate. Um nichts weniger geht es.

Dabei ist die Wahrheit eigentlich so einfach. Trumps erneute Kandidatur erfolgt aus einem wesentlichen Grund: Als Präsident hätte er wieder politische Immunität. Diese Rechnung darf nicht aufgehen. Das Weiße Haus darf nicht zu einem Zufluchtsort für Straftäter werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false