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Krokodile sind gute Zuhörer. Sie nehmen den Stress im Geschrei von Babys besser wahr als Menschen.

© IMAGO/Design Pics/Hedrus van der Merwe

Hören Säuglingen besser zu als Menschen: Krokodile sind Baby-Versteher

Auf die impertinente Frequenz von Baby-Geschrei reagieren Eltern früher oder später. Krokodile allerdings auch, sogar besser als Menschen. Und das ist durchaus sinnvoll.

Wer „Krokodilstränen weint“, täuscht Trauer nur vor. Die Redensart zeigt, wie wenig echtes Mitgefühl den großen Reptilien zugetraut wird. Doch nun zeigt eine Studie der Universität Lyon, dass Krokodile am Geschrei von Menschenbabys erkennen können, wie sehr diese unter Stress stehen. Aber ist das ein Indiz für Empathie?

Für ihre Untersuchung flog das Forschungsteam um den Verhaltensforscher Nicolas Mathevon extra ins marokkanische Agadir. Im dortigen Zoo werden 300 Nil-Krokodile gehalten, die man leicht beobachten kann – etwa wie sie auf verschiedene Lautäußerungen von Schimpansen-, Bonobo- und Menschensäuglingen reagieren. So hatten die Forscher beispielsweise das wohlige Glucksen von Menschen-Babys beim Vollbad oder das empörte Geschrei nach einer Impfung mitgeschnitten und den Echsen per Lautsprecher vorgespielt.

Es zeigte sich, dass überraschend viele Krokodile auf die Säuglingsgeräusche reagierten, obwohl beide evolutiv weit voneinander entfernt sind. Allerdigns variierten Quote und Heftigkeit der Antworten in Abhängigkeit davon, aus welcher Situation das Gebrüll stammte. War sie stressfrei, dann reagierte ungefähr jedes fünfte Krokodil. War sie hingegen mit Stress verknüpft, reagierte etwa jedes dritte – etwa mit Bissen in die Lautsprecher.

Je gestresster, umso leichtere Beute

Erwachsene und babyerfahrene Menschen erkannten in den Aufnahmen den Stressfaktor deutlich seltener als die artfremden Krokodile. Und das ist durchaus sinnvoll.

Die Reptilien erkennen an dem Geschrei, wie verzweifelt ihre potenzielle Beute ist. Und je größer der Grad der Verzweiflung ist, umso leichter ist sie zu erlegen. „Das ist eine kluge Strategie für ein Tier, das ein opportunistischer Jäger ist“, erläutert Mathevon. Solche Raubtiere suchen ihre Beute dort, wo sie diese am leichtesten finden kann.

Krokodile sind also eher keine empathischen Baby-Versteher, sondern eher erfolgsorientierte Verzweiflungsdetektoren.

Allerdings wollen die französischen Forscher – wissenschaftlich korrekt – nicht ausschließen, dass einige der Tiere aus elterlichen Motiven und nicht aus Fressgier handelten. So weiß man, dass Krokodilmütter ihren Nachwuchs oft im Maul umhertragen, weswegen man die Bisse in den Lautsprecher als versuchte Fürsorge interpretieren könnte. Dagegen spricht allerdings, dass Krokodil-Babys nicht schreien, sondern allenfalls leise fiepen oder quaken können.

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