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Gesundheit: Was können, was dürfen wir? Ein Vortrag von Ernst Ludwig Winnacker

Wenn einer durch seine verständliche Sprache die Voraussetzungen dafür schaffen könnte, dass die Debatte über Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnologie geführt wird, dann ist es derzeit Ernst-Ludwig Winnacker. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sprach am Dienstag in der Reihe "Erbschaft unserer Zeit" über "Gentechnik - Eingriffe am Menschen.

Wenn einer durch seine verständliche Sprache die Voraussetzungen dafür schaffen könnte, dass die Debatte über Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnologie geführt wird, dann ist es derzeit Ernst-Ludwig Winnacker. Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sprach am Dienstag in der Reihe "Erbschaft unserer Zeit" über "Gentechnik - Eingriffe am Menschen. Was wir dürfen und was wir nicht dürfen". Winnacker, der das Laboratorium für Molekulare Biologie am Genzentrum der Universität München leitet, begann mit einer Bestandsaufnahme: Einzelne Gene lassen sich längst problemlos isolieren, die Landkarte des gesamten menschlichen Genoms ist für Ende 2001 in Aussicht gestellt, immer mehr Informationen über genetische Grundlagen von Krankheiten werden zusammengetragen.

Prinzipiell können Gene von außen in Körperzellen oder in ihrer Entwicklung noch nicht festgelegte Keimzellen übertragen werden. Umstrittene Perspektiven sind das Klonen, also das Herstellen erbgleicher Organismen, und die Arbeit mit embryonalen Stammzellen. Und was dürfen wir?

Was der Karlsruher Philosoph Peter Sloterdijk unter dem Schlagwort "Codex der Anthropotechniken" forderte, daran arbeitet unter Mitwirkung von Winnacker in München längst eine Gruppe von Natur- und Geisteswissenschaftlern: Auf der Grundlage der vier Kategorien ärztliches Standesethos, Menschenwürde, Begriff der Krankheit und Transparenz des Wissenschaftsprozesses diskutieren sie über ethische Grenzen.

Dass "züchterische Verbesserungen des Menschen" als Irrweg abzulehnen sind, ist für Winnacker offensichtlich. Aber auch das utopische Ziel, mit Gentechnik generell eine "Ausweitung der Lebensspanne" zu erreichen, ist durch das ärztliche Standesethos und den Krankheitsbegriff nicht gedeckt. Dass gerade dieser Begriff durch die moderne Gendiagnostik dehnbar werden könnte, verdeutlichte in der Diskussion allerdings der Philosoph und Gen-Ethiker Kurt Bayartz aus Münster: Sind wir nicht alle nur "vorläufig gesund", wenn genetische Tests unsere Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten und die Gefahr, in uns schlummernde Anlagen für Erbleiden an unsere Nachkommen weiterzugeben, entlarven? "Der Begriff der Gesundheit zerrinnt uns unter den Händen".

Auch Winnacker sieht die neuen diagnostischen Möglichkeiten als Problem: Wie soll der Einzelne damit umgehen, wenn bei ihm unheilbare Krankheiten oder familiäre Belastungen erkannt werden? Und: Wie gehen wir damit um, dass vor allem die Versicherungen die Diagnosen kennen möchten?

Wenn im Zusammenhang mit Gentechnik vom "Dürfen" die Rede ist, geht es um das deutsche Embryonenschutzgesetz, das solche Forschung verbietet. In den USA jedoch laufen Forschungen mit embryonalen Stammzellen, die gegen die Parkinson-Krankheit eingesetzt werden könnten.

Winnacker rechnet mit Anträgen von Wissenschaftlern, die Zellen aus den USA importieren wollen. "Wir sind Heuchler, denn die Risiken übertragen wir nach England und in die USA." Dnnoch plädiert er nicht für eine Gesetzesänderung, denn die Wissenschaft schreitet so schnell voran, dass es vielleicht bald elegante Methoden gibt. So kann man statt mit den Zellen von Embryonen mit organspezifischen Vorläuferzellen arbeiten, die auch Erwachsene in sich tragen.

Adelheid Müller-Lissner

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