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In Deutschland sind über 900.000 Menschen vom Grünen Star betroffen.

© Getty Images

Sehnerv unter Druck: Ein Glaukom kommt schleichend, kann aber plötzlich zum Notfall werden

Wenn Flüssigkeit im Auge nicht richtig abläuft, kann der Augeninnendruck gefährliche Höhen erreichen und bleibende Schäden verursachen. Eine frühe Diagnose kann das Sehvermögen retten.

Ausufernde einseitige Kopfschmerzen, eine vernebelte Sicht, dazu Übelkeit und Erbrechen: Viele Menschen würden diese Symptome wohl im ersten Moment auf eine Migräneattacke zurückführen. Doch nicht immer steckt tatsächlich auch eine Migräne dahinter. In seltenen Fällen können diese Krankheitszeichen auch Ausdruck eines plötzlichen, dramatischen Anstiegs des Augeninnendrucks sein, auch Glaukom-Anfall genannt. Dieser augenärztliche Notfall muss schnellstmöglich von einer Augenärztin oder einem Augenarzt behandelt werden, weil sonst Schäden am Sehnerv das Gesichtsfeld auf Dauer stark einschränken können.

Allerdings sind die Zeichen für eine solche Sehnerv-Schädigung nicht in jedem Fall so eindeutig. Stattdessen kann der sogenannte Grüne Star lange unentdeckt bleiben.

Wie entsteht die Augenkrankheit?

Mit einem Durchmesser von etwa 2,4 Zentimetern ist das Auge ein vergleichsweise kleines Organ im menschlichen Körper – und doch verfügt es über einen ziemlich komplexen Aufbau: Zu unserem Sehorgan gehören neben feinen Rezeptoren, Muskeln und Blutgefäßen auch die sogenannte hintere und vordere Augenkammer. Durch sie fließt eine als Kammerwasser bezeichnete Flüssigkeit, die unter anderem Strukturen im Auge mit Nährstoffen versorgt und den Druck im Sehorgan reguliert.

Das Kammerwasser wird in der hinteren Augenkammer gebildet, gelangt durch die Pupille in die Vorderkammer und kann dort über einen kleinen Kanal (den sogenannten Schlemm-Kanal) im Kammerwinkel aus dem Augeninneren abfließen, ähnlich einem Regenwasserabfluss am Straßenrand. Ist dieser Abfluss gestört, staut sich das Kammerwasser und der Druck im Auge steigt. Das kann zu unumkehrbaren Schäden am Sehnerv führen, besser bekannt als Glaukom oder eben Grüner Star.

© Tagesspiegel/Christian Renner

In Deutschland sind mehr als 900.000 Menschen von dieser ernst zu nehmenden und fortschreitenden Krankheit betroffen. Sie zählt zu den häufigsten Erblindungsursachen hierzulande.

Welche Symptome haben die betroffenen Patienten?

Das Tückische am Grünen Star ist, dass er in der Regel über einen längeren Zeitraum von bis zu mehreren Jahren ohne Beschwerden verläuft und Betroffene nicht rechtzeitig reagieren können. Mit der Zeit entwickeln sich bei vielen von ihnen jedoch sogenannte „blinde Flecken“, meist zuerst am Rande des Gesichtsfeldes. Die Patienten können dann bestimmte Sehbereiche nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wahrnehmen, was die Orientierung im Alltag mitunter erschwert. Nur rund jeder zwanzigste Patient erleidet einen akuten Glaukom-Anfall mit starken Schmerzen.

Um die Krankheit trotzdem rechtzeitig zu erkennen und bleibende Beeinträchtigungen im Gesichtsfeld zu verhindern, empfehlen viele Fachleute regelmäßige Kontrolluntersuchungen des Augenhintergrundes und Augeninnendruckmessungen ab dem 40. Lebensjahr. Mit zunehmendem Alter wird unter anderem die Linse des Auges dicker, wodurch das Risiko steigt, dass die vor ihr im Kammerwinkel liegenden Abflusskanälchen abgedrückt werden.

Sind bereits mehrere Familienmitglieder am Grünen Star erkrankt, ist das eigene Risiko ebenfalls erhöht. Auch Vorerkrankungen wie ein Diabetes mellitus oder eine längere Einnahme von Cortisonpräparaten sind Risikofaktoren. Von einem seltenen akuten Glaukom-Anfall wiederum sind insbesondere Menschen mit kleinen Augen und einer Weitsichtigkeit bedroht, denn sie haben anatomisch bedingt meist sehr enge Abflusskanäle für das Kammerwasser.

Wie können Mediziner die Krankheit erkennen?

Bei der Untersuchung des Augeninnendrucks orientierten sich Ärzte lange Zeit hauptsächlich an Referenzwerten zwischen 14 und 18 bis hin zu 21 Millimetern Quecksilbersäule (mmHg) – einer Einheit, mit der auch der Blutdruck gemessen wird. Heutzutage zählen laut Experten nicht mehr nur die Druckwerte allein, vielmehr müsse man sie im Zusammenhang mit potenziellen Veränderungen am Sehnerv bewerten.

Paul David Hewson (Bono), Sänger der irischen Rockband U2, ist seit etwa 30 Jahren vom Glaukom betroffen. 2014 enthüllte er, dass seine Augen durch die Erkrankung sehr lichtsensitiv sind und er deshalb immer eine Sonnenbrille trägt.
Paul David Hewson (Bono), Sänger der irischen Rockband U2, ist seit etwa 30 Jahren vom Glaukom betroffen. 2014 enthüllte er, dass seine Augen durch die Erkrankung sehr lichtsensitiv sind und er deshalb immer eine Sonnenbrille trägt.

© dpa/Paul Zinken

Einzig und allein von den Referenzwerten auszugehen, ist auch deshalb irreführend, weil bei bis zu 30 Prozent aller Betroffenen ein sogenanntes Normaldruckglaukom vorliegt – also eine Form der Sehnervschädigung, bei der man einen eigentlich „normalen“ Augeninnendruck misst.

Zur umfassenden Untersuchung bei einem fraglichen Glaukom zählen üblicherweise zunächst eine Sehschärfenbestimmung und eine Beurteilung beider Augen an der Spaltlampe. Das ist das große Untersuchungsmikroskop, mit dem die Augenärztin oder der Augenarzt bei einer durch spezielle Tropfen geweiteten Pupille den Augenhintergrund und den Sehnerv der Patientin oder des Patienten einsehen und beurteilen kann.

In dieser auch als Funduskopie bezeichneten Untersuchung fahnden die Fachärztinnen und -ärzte nach glaukomtypischen Veränderungen am Sehnervkopf und beurteilen auch die Netzhaut. Zudem kann man an der Spaltlampe den Augendruck und an einem halbkugelförmigen Automaten, in dem Lichtpunkte aufblitzen, das Gesichtsfeld des Patienten messen.

Auch moderne berührungslose Laseruntersuchungen, die zum Beispiel Schnittbilder der Netzhaut aufnehmen, die Hornhautdicke messen oder den Sehnerv scannen, stehen heute zur Diagnose und vor allem zur Früherkennung und Verlaufsbeurteilung zur Verfügung.

Kann man vorsorgen, um Grünen Star zu verhindern?

Je eher also ein Glaukom erkannt und behandelt wird, umso besser sind die Aussichten, noch möglichst lange das Augenlicht zu erhalten – in diesem Punkt sind sich die Fachleute einig. Die Frage, ob zur Früherkennung ein flächendeckendes Screening des Augeninnendrucks in Deutschland eingeführt werden sollte, sorgt in Expertenkreisen immer wieder für Diskussionen. Derzeit rechnen viele Ärztinnen und Ärzte die Augendruckmessung als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) mit um die 20 Euro ab. Nur wenn bereits ein ärztlicher Verdacht auf einen Grünen Star besteht, kommt die Kasse für Augeninnendruckmessung, Gesichtsfelduntersuchungen und Sehnervenuntersuchung auf.

Eine präventive Untersuchung empfiehlt sich unter anderem, wenn starke Druckschwankungen im Tagesverlauf bekannt sind oder wenn der Grüne Star in der Familie bereits gehäuft aufgetreten ist. Übrigens: Ein Bluthochdruck sorgt nicht automatisch auch für erhöhte Augendruckwerte, er kann aber das Risiko für ein Normaldruckglaukom erhöhen. Gleiches gilt für einen sehr niedrigen Blutdruck mit einer Durchblutungsstörung der peripheren Körperpartien, was sich beispielsweise über anhaltend kalte Hände bemerkbar machen kann.

Wie bekommt man den Augeninnendruck wieder in den Griff?

Anders als der prognostisch günstigere Graue Star lässt sich der Grüne Star nicht mit einer kurzen Operation heilen. Bereits erlittene Schädigungen des Gesichtsfeldes und der Sehkraft sind nicht mehr umkehrbar. Immerhin lässt sich jedoch das Fortschreiten der Krankheit eindämmen.

Dafür wird der Augeninnendruck mithilfe von Medikamenten – meist handelt es sich dabei um Augentropfen – auf Normalniveau abgesenkt. Die Medikamente müssen dafür ein Leben lang je nach Präparat ein- bis dreimal täglich zu festen Uhrzeiten eingenommen werden. Dabei können manchmal auch Nebenwirkungen entstehen, zum Beispiel Bindehautreizungen, Wimpernwachstum, Trockenheits- und Druckgefühle oder gar Kreislaufbeeinträchtigungen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, zu einem Medikament mit einem anderen Wirkstoff zu wechseln.

Oft ist es für eine erfolgreiche Behandlung notwendig, mehrere verschiedene drucksenkende Augentropfen gleichzeitig zu benutzen. Fachleute empfehlen, möglichst Tropfen ohne Konservierungsmittel zu verwenden.

Reichen die Präparate zur Drucksenkung nicht aus, kann eine Augenoperation notwendig werden. In den meisten Fällen werden die chirurgischen Eingriffe stationär unter lokaler Betäubung durchgeführt. Viele der möglichen Operationsverfahren zielen darauf ab, den Abfluss des Kammerwassers zu verbessern und so den Augeninnendruck zu senken.

Operateure können den Abfluss zum Beispiel mithilfe von Lasern oder chirurgischen Schnitten weiten, Katheter oder Stents einführen oder aus Strukturen des Auges eine Art Ventil bilden. Eine andere Möglichkeit ist es, den Ziliarkörper, der das Kammerwasser produziert, mit einem Laser oder Kälte zu veröden. Die Drucksenkung kann über Jahre anhalten, sodass zunächst oft keine oder weniger Tropfen erforderlich sind. Trotzdem müssen sich die Patientinnen und Patienten regelmäßig nachuntersuchen lassen.

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