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MEDIZIN Männer: „Ehrlich färbt am längsten“

PAUL EHRLICH (1854-1915) Eines Tages meldet sich der Gymnasiallehrer Rudolf Tardy zu Wort, um die Geschichte zurechtzurücken: Sein ehemaliger Schüler Paul „Ehrlich schien ein Lernkopf zu sein, bei durchschnittlichem Verstande und größter Gewissenhaftigkeit. Wohl befähigt aufzunehmen, aber nicht zu schaffen“, schreibt er 1914 im Leserbriefteil der Zeitschrift „Naturwissenschaften“.

PAUL EHRLICH (1854-1915)

Eines Tages meldet sich der Gymnasiallehrer Rudolf Tardy zu Wort, um die Geschichte zurechtzurücken: Sein ehemaliger Schüler Paul „Ehrlich schien ein Lernkopf zu sein, bei durchschnittlichem Verstande und größter Gewissenhaftigkeit. Wohl befähigt aufzunehmen, aber nicht zu schaffen“, schreibt er 1914 im Leserbriefteil der Zeitschrift „Naturwissenschaften“. Da hatte Ehrlich bereits die Grundlagen der Chemotherapie gelegt, einen Syphiliswirkstoff entdeckt und den Nobelpreis für Medizin erhalten.

Ehrlich, geboren 1854 in Strehlen bei Breslau, habe miserable Aufsätze produziert, schrieb Tardy. Nur zwei zugedrückten Augen sei es zu verdanken, dass der stille Junge überhaupt versetzt wurde. „Als drückende Last“ erlebt dagegen Ehrlich seine Schulzeit, der er ein unliterarisches Medizinstudium anhängt. Schon früh setzt er sich mit Farbstoffen zur Färbung von Gewebe auseinander und entwickelt dabei eine Theorie: Eine fremde Substanz wie Farbe kann im Körper nur dann Wirkung entfalten, wenn sie sich mit Zellen verbinden kann. Die Verbindungspunkte nennt er Rezeptoren. Die Theorie wird er später zur „Seitenkettentheorie“ weiterentwickeln – Ausgangspunkt für alle weiteren Forschungen.

Nach seiner Promotion 1878 wird Ehrlich Assistent an der Charité. Dort befindet er sich im Zentrum einer neuen, experimentellen Medizin. Auch hier konzentriert sich Ehrlich auf die Färbung, jetzt der Bestandteile des Blutes. „Ehrlich färbt am längsten“, kommentieren seine Mitarbeiter die unendlichen Versuchsreihen im Labor. Ehrlich liefert damit die Grundlagen für die diagnostische Nutzung des Blutes: das „Blutbild“. Als er Robert Kochs Vortrag „Über Tuberkolose“ hört, macht er sich noch in derselben Nacht an die Einfärbung des Bazillus, ohne die Kochs Entdeckung weitgehend unsichtbar geblieben wäre. Es ist der Beginn einer Forscherfreundschaft.

Unterstützt von Koch beginnt er die Arbeit an der Immunisierung, dem Thema der Stunde. Emil von Behrings Diphterieserum bringt keinen durchgängigen Erfolg. Erst als Ehrlich die Zahl der Antikörper im Serum erhöhen kann, indem er Pferde „überimpft“, wirkt es verlässlich. Für Ehrlich ist es der Sieg gegen die Kinderlähmung – doch der mündet in einen Urheberrechtsstreit. 1899 zieht Ehrlich nach Frankfurt am Main und arbeitet an dem für ihn eingerichteten Institut an der Chemotherapia specifica: „Wir suchen Mittel die einerseits bestimmte Parasiten zu töten imstande sind, die aber andererseits (…) von dem Organismus ohne zu großen Schaden ertragen werden“, erklärt Ehrlich. Salvarsan, das er 1908 entdeckt, ist so ein Mittel. Es ist das erste gegen Syphilis. 1915, ein Jahr nach dem Leserbrief des Lehrers, starb Ehrlich in Bad Homburg. Markus Langenstrass

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