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Die Erotik der Gerüche: „Sandelholzduft stimuliert das Wachstum der Haare“

Wie die Nase die Partnerwahl beeinflusst, was Spermien riechen können und warum die meisten Menschen den Duft nach Vanille mögen, weiß der Duftforscher Hanns Hatt.

Von Nina Schmedding, KNA

Duftende Rose und wohlriechender Lavendel auf der einen Seite – stinkender Achselschweiß und abstoßende Knoblauchausdünstungen auf der anderen. Warum wir das eine mögen und das andere nicht, hat vor allem mit unserem Kulturkreis zu tun. Über „Die Lust am Duft“ hat der Zellphysiologe und Duftforscher Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit der Autorin Regine Dee jetzt ein Buch geschrieben. Wie Gerüche heilen können, die Partnerwahl beeinflussen – und warum wir unser Riechorgan grundsätzlich nicht unterschätzen sollten.

Herr Professor Hatt, Sie brechen in Ihrem Buch eine Lanze für das Riechen...
Für mich ist der Geruchssinn der wichtigste von allen. Durch die Corona-Pandemie haben viele Menschen gemerkt, wie sehr dieser Sinn eigentlich in unser Leben eingreift, wo wir es eben gar nicht so wahrnehmen oder nicht in Zusammenhang bringen. Ob wir uns wohlfühlen oder nicht, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht, ob wir eine Speise oder ein Getränk sehr gern mögen – das hat alles auch mit Riechen zu tun. Durch den Corona-Geruchsverlust haben sehr viele Menschen mehr Achtung und Respekt vor dem Riechen gewonnen.

Der Geruchssinn ist der erste Sinn, der sich vollständig entwickelt.

Hanns Hatt, Duftforscher

Ab welchem Alter kann der Mensch riechen?
Es ist der erste Sinn, der bei uns sich überhaupt vollständig entwickelt. Wir können ab der 26. Schwangerschaftswoche riechen, der Embryo riecht also die letzten Wochen vor der Geburt mit der Mutter mit. Da ist die Nase dann schon mit dem Gehirn verbunden, und er lernt Gerüche kennen, an die er sich erinnern wird, wenn er auf der Welt ist.

Dabei speichert der Embryo sogar die Empfindungen, die eine Mutter bei einem Duft hat, mit dem Geruch ab. Man kommt also bereits mit gewissen Duftvorlieben auf die Welt. Wenn eine Mutter etwa in der Schwangerschaft Essiggurken bevorzugt, überträgt sich diese Vorliebe auf ihr Kind. Die Gurkenmütter bringen dann sozusagen Essiggurkenkinder zur Welt, die Knoblauchmütter Knoblauchkinder und so weiter.

Gibt es Gerüche, die alle unwiderstehlich finden?
Es gibt, glaube ich, keinen Duft in der Welt, den alle Menschen mögen oder nicht mögen. Aber es gibt natürlich welche, die statistisch die meisten Menschen mögen, und dazu gehört zum Beispiel Vanille, weil Vanille eben auch in der Muttermilch vorkommt.

Insofern gehört Vanille zu den Düften, die in den meisten Kulturkreisen überwiegend als positiv empfunden werden. Grundsätzlich hängt es von der persönlichen Erfahrung und der Erziehung ab, wie ein Duft bewertet wird. Das ist nichts Genetisches. Ob er in den Lebensmitteln vorkommt, die wir essen, und ob der Duft von den Eltern und im Kulturkreis geschätzt wird oder nicht...

In anderen Kulturkreisen wird Schweißgeruch als etwas Positives empfunden – und früher war das auch bei uns anders.

Hanns Hatt, Duftforscher

...wie zum Beispiel Schweißgeruch?
Der ist in unserem Kulturkreis deswegen so schlecht bewertet, weil wir bereits in der Jugend lernen, dass man stinkt, wenn man nach Schweiß riecht und dass man sich deshalb waschen muss. So werden wir erzogen. In anderen Kulturkreisen ist das nicht so, da wird Schweißgeruch als etwas Positives empfunden – und früher war das auch bei uns anders. Da galt es als etwas Schönes, wenn man den Duft von einem anderen Menschen wahrgenommen hat.

Welche Rolle spielt das Riechen bei der Partnerwahl?
Das läuft auf zwei Ebenen ab. Wenn ich jemanden kennenlerne, nehme ich unbewusst auch dessen Geruch wahr – einmal den künstlichen Duft, wenn derjenige Parfum verwendet. Das kann je nach Geschmack positiv oder negativ ausgehen. Und dann den körpereigenen Duft, der jeden Menschen unverwechselbar macht. Besonders attraktiv finden wir die Menschen, die ganz anders als wir selbst riechen, also genetisch ziemlich weit von uns entfernt sind. Das ist evolutionär bedingt, um etwa Inzest auszuschließen.

Gibt es so etwas wie ein Geruchsgedächtnis?
Ja. Jeder Duft, den wir mit der Nase aufnehmen, wird im Gedächtnis abgespeichert. Gleichzeitig werden mit diesem Duft auch die Emotionen behalten, die wir in dem Moment haben. Das ist fest miteinander verknüpft. Das heißt also, ob ich mich gerade wohl oder unwohl fühle, das wird mitgespeichert. Und wenn ich den Duft wieder rieche, dann wird auch diese Emotion erneut hervorgerufen. Wenn ich also Lavendel rieche, kann ich mich wieder in die Urlaubsstimmung in der Provence versetzen.

Durch die Reizung über bestimmte Düfte kann man versuchen, das Wachstum von Krebszellen zu beeinflussen.

Hanns Hatt, Duftforscher

Sie sagen, dass Ihre Untersuchungen etwa auch in der Krebsforschung gewinnbringend sein könnten. Inwiefern können Gerüche heilen?
Duftrezeptoren sitzen nicht nur in der Nase, sondern auch in vielen anderen Körperzellen – im Darm etwa oder in Spermien. Die Spermien können sozusagen die Eizelle riechen und bewegen sich entsprechend in deren Richtung. Und auch in Krebszellen gibt es Duftrezeptoren. Durch deren Reizung über bestimmte Düfte kann man also versuchen, das Zellwachstum zu beeinflussen – zu stimulieren oder zu reduzieren.

Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass man etwa durch Sandelholzduft das Wachstum der Haare stimulieren kann: Das heißt, Haare wachsen dann 35 Prozent länger, bevor sie ausfallen. Über die Aktivierung der Duftrezeptoren in der Haut können wir zudem das Hautwachstum anregen und so Wunden um 40 Prozent schneller heilen lassen.

Sind Sie als Duftforscher ein besonders guter Riecher?
Nein, gar nicht. Meine Frau riecht viel besser als ich.

Können Frauen grundsätzlich besser als Männer riechen?
Wissenschaftlich ist das nicht belegt. Aber da die Fähigkeit, wie gut jemand riechen kann, vor allem auch mit Üben zusammenhängt, hat es vielleicht damit etwas zu tun. Frauen beschäftigen sich – traditionell jedenfalls – von Jugend an mehr mit Düften. Jungs, die spielen halt Fußball, die kennen Grasduft und Lederballgeruch, aber Mädchen verbringen mehr Zeit mit der Mutter, und die beduftet sich vielleicht, cremt sich ein oder kocht in der Küche.

Wenn man älter wird, hört und sieht man in der Regel schlechter. Ist das beim Riechen genauso?
Ja, bei der Hälfte der über 70-Jährigen ist das Riechen bereits deutlich schlechter geworden. Wir haben 20 Millionen Riechzellen, und die erneuern sich grundsätzlich lebenslang: Alle vier Wochen werden die in der Nase neu gemacht, aber im Alter lässt das bei einigen nach. Und das merkt man nicht, weil man immer vermutet, die Qualität der Lebensmittel habe nachgelassen. Die Erdbeeren schmecken nicht mehr so wie früher in der Jugend. Aber daran liegt es nicht, sondern daran, dass man nicht mehr so gut riechen kann.

Was kann man dagegen tun?
Man kann das verzögern, indem man bestimmte Übungen macht. Das trainiert nicht nur die Nase, sondern auch das Gehirn, weil durch Düfte Emotionen hervorgerufen und dadurch größere Teile des Gehirns aktiviert werden. Konkret: jeden Tag mit geschlossenen Augen versuchen, vier bis fünf unbekannte Düfte zu identifizieren – das kann Handcreme sein oder ein Gewürz. Und dann versuchen, diesen Geruch auch in sehr kleinen Mengen zu erkennen.

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