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Gesundheit: Berliner Knoblauch-Untersuchung soll erhebliche Mängel haben

Knoblauch schützt nicht nur vor Vampiren. Auch viele gesundheitsfördernde Wirkungen werden ihm nachgesagt.

Knoblauch schützt nicht nur vor Vampiren. Auch viele gesundheitsfördernde Wirkungen werden ihm nachgesagt. Die Gewürzknolle soll den Körper gegen Krebs und Keime wappnen und zudem den Blutdruck und das Blutcholesterin senken. Und im Mai erschien in einem Extraheft der Fachzeitschrift "Atherosclerosis" eine Studie, nach der Knoblauchpulver die Gefäßverkalkung bei gefährdeten und vorgeschädigten Patienten bremsen kann. Ausgerechnet diese Studie ist aber wegen möglicher Mängel in die Kritik geraten. Nun prüft die Charité, ob sie eine offizielle Untersuchung gegen Holger Kiesewetter, den Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin, einleitet. Kiesewetter leitete die Knoblauch-Studie.

280 Personen nahmen an der vierjährigen Studie teil. Die eine Hälfte bekam Knoblauchpulver, die andere ein Scheinmittel (Placebo). 152 Versuchspersonen waren am Ende der Studie noch dabei, 61 in der Knoblauch- und 91 in der Placebo-Gruppe. Nach Angaben der Forscher wuchsen die Gefäßablagerungen ("Plaques") unter Scheinmedikament um 15,6 Prozent, unter Knoblauch schrumpften sie dagegen um 2,6 Prozent. Überprüft wurde dies mit Ultraschallaufnahmen der Hals- und Beinschlagadern.

Finanziert wurde die Studie vom Hersteller des Knoblauchpräparats, der Berliner Lichtwer Pharma AG. Auf einer aus Anlass der Untersuchung einberufenen Pressekonferenz sprach sich der Studienleiter Kiesewetter dafür aus, dass Männer schon vor dem 40. Lebensjahr, Frauen spätestens mit dem Eintritt der Wechseljahre Knoblauchpräparate einnehmen sollten.

Nach Ansicht des Statistikers Jürgen Windeler von der Universität Heidelberg haben die Autoren der Studie jedoch den wissenschaftlichen Standard nicht eingehalten. Es fehlten wichtige Zahlenangaben, so dass die behaupteten Ergebnisse nicht nachvollziehbar seien. "Ich wundere mich, dass die Arbeit überhaupt von einer Fachzeitschrift abgedruckt wurde", sagte Windeler der "Süddeutschen Zeitung". Auch der Chefredakteur von "Atherosclerosis", James Shepherd, distanzierte sich von der Studie.

Bei seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften bewerten unabhängige Gutachter die Qualität einer Studie und sprechen sich für oder gegen den Abdruck aus. Der Abdruck selbst ist dann bereits ein Beweis für Qualität. In diesem Fall hat jedoch laut Shepherd das Gutachter-System versagt. Das Recht der Auswahl der Artikel für das Mai-Sonderheft von "Atherosclerosis" hatte die Marketing-Abteilung des Elsevier-Verlags für 20 000 Mark an die Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung vergeben. Als Gast-Redakteur übernahm der Physiologe Günter Siegel von der Freien Universität Berlin als Präsident der Arteriosklerose-Gesellschaft die Auswahl der Arbeiten für das Heft. Siegel ist jedoch selbst einer der Autoren der Knoblauch-Studie. Nach Ansicht Shepherds sind die Mängel der Studie so folgenschwer, dass "sie in dieser Form nicht hätte erscheinen dürfen", wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagte.

Zu den Problemen der Untersuchung zählt die große Zahl an Studien-Abbrechern. Wegen des Knoblauch-Geruchs waren bei Studien-Ende von 140 Personen in der Knoblauch-Gruppe nur noch 61 dabei. Diese Tatsache hätte in der Studien-Auswertung nach Ansicht von Kritikern stärker berücksichtigt werden müssen.

Auffällig sind zudem zwei in der Studie abgedruckte Utraschall-Aufnahmen der Halsschlagader eines Patienten, die einen Rückgang der Verkalkung in vier Jahren dokumentieren sollen. Beide Aufnahmen sind sehr ähnlich. Eine vollkommen identische "Schnittführung" der Ultraschall-Sonde zu verschiedenen Zeitpunkten sei jedoch "praktisch nicht möglich", sagte der Hamburger Neurologe Christian Barning zu den Aufnahmen. Und gegenüber dem Wissenschaftsjournal "Nature" sprach Ulf Rapp, Biologe an der Universität Würzburg, von der Möglichkeit, dass es sich um Aufnahmen handeln könnte, die bei der gleichen Untersuchung entstanden sind. Rapp hat als Untersucher der Bild-Manipulationen durch die Krebsforscher Herrmann und Brach Erfahrungen gesammelt.

Gegenüber dem Tagesspiegel wiesen sowohl Kiesewetter als auch Siegel die Vorwürfe zurück. Alles sei "ordnungsgemäß" gelaufen, sagte Kiesewetter, Berichte in der "Süddeutschen Zeitung" seien "haltloses Geschwätz". Nach Angaben Siegels wäre der Trend zugunsten des Knoblauchs auch dann noch sichtbar, wenn die Studienabbrecher eingerechnet würden, allerdings weniger ausgeprägt. Für das Sonderheft seien drei Gutachter tätig gewesen, die die 28 Fachartikel unter die Lupe genommen hätten. Zudem sei danach alles noch einmal über den Tisch des Chefredakteurs Shepherd gegangen. Die deutschen Arteriosklerose-Forscher hätten nur den ersten Gutachter gestellt, der zweite Schiedsrichter sei Sache der britischen Herausgeber gewesen. Das bestätigt auch Shepherd.

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