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Ernst und eigenwillig. Neven Subotic legt, anders als viele seiner Fußballkollegen, keinen Wert auf Luxus.

© Sven Darmer

Zukunft stiften: „Ich will etwas bewirken in meinen Leben“

Auf dem Rasen verteidigt der Fußballspieler Neven Subotic die Bälle seiner Gegner. Mit seiner Stiftung ist er in der Offensive – und hilft in Äthiopien.

Profi-Fußballer fahren gern in PS-starken Edelboliden vor. Neven Subotic kommt zu Fuß zum Interview in Köpenick. Der Serbe besitzt nicht mal einen Kleinwagen. Während etliche seiner Kollegen Luxus zelebrieren, bleibt er bodenständig. Was ihn umtreibt? „Ich will etwas bewirken in meinem Leben“, sagt er. Ende 2012 hat er seine Stiftung (nevensuboticstiftung.de) gegründet, die Wasser- und Brunnenprojekte in Äthiopien fördert. Damals war er 23 Jahre alt und stand bei Borussia Dortmund unter Vertrag.

Zuvor hatte er sich „hier und da engagiert“, mal in der Nachbarschaft, mal in einem Krankenhaus oder in irgendeinem Projekt. Wenn eine Anfrage kam, hat er zugesagt. Aber das, erkannte er, war nur so eine Art Gießkannenprinzip. Er suchte nach etwas anderem, nach langfristigem Engagement.

Wie wichtig Zuwendung war, hatte er als Kind erlebt. Seine Eltern waren 1990 mit dem Zweijährigen und seiner Schwester vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien geflüchtet. In einem Schwarzwalddorf kamen sie unter. „Wir hatten Glück, weil es immer Menschen gab, die uns unterstützt haben“, erzählt Neven Subotic. „Da war zum Beispiel Familie Egle, die hat uns regelmäßig zu sich nach Hause zu Kaffee und Kuchen eingeladen.“ Er empfand das nicht nur als nette Geste, sondern spürte echtes Interesse. „Die wollten uns nicht erklären, wie die Welt funktioniert, das war ein Austausch auf Augenhöhe“, sagt er.

"Ein bisschen Hilfe" genügte ihm nicht mehr

Er habe auch erlebt, wie sich seine Eltern für andere eingesetzt haben. „Das war für mich normal.“ Auch ein Grund, warum ihm „ein bisschen Hilfe“ bald nicht mehr genügte. Unterstützung in der Nachbarschaft in einem reichen Land wie Deutschland war eine Sache, aber irgendwann wollte er die Dinge aus „globaler Perspektive“ betrachten. Ein Freund der Familie brachte die Idee von einer Stiftung ein. „Ein komischer Begriff“ fand er und hat das erstmal vom Tisch gewischt. Und sich dann weiter mit dem Vorschlag beschäftigt. „Ich hinterfrage die Dinge“, sagt er.

Ein Drittel der Menschen lebt von 1,90 Dollar pro Tag

Warum sich in A und nicht in B engagieren? Warum nicht umgekehrt? Wo konnte Hilfe wirklich etwas bewirken? Man ahnt, dass es ein langwieriger Prozess war. Äthiopien rückte aus verschiedenen Gründen in den Fokus. Rund 110 Millionen Menschen leben in dem ostafrikanischen Land. 27 Prozent von ihnen haben nicht mehr als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung, 85 Prozent müssen mit 5,50 Dollar auskommen.

Sauberes Wasser ist rar. Provisorisch wird es über lange Strecken in die Dörfer transportiert.
Sauberes Wasser ist rar. Provisorisch wird es über lange Strecken in die Dörfer transportiert.

© Neven Subotic Stiftung

Das große Dilemma: Nur jeder dritte Bewohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diese Situation zu verbessern schien ein guter Weg. Zudem war die Lage in der Region stabil, der Gesundheitssektor war vergleichsweise gut aufgestellt. Eine Basis, auf der man aufbauen konnte, fand Subotic.

In den vergangenen acht Jahren hat seine Stiftung einiges geschafft. 133 Brunnen in Gemeinden konnten gebaut werden sowie 79 Brunnen und Sanitäranlagen in Schulen. 151 Projekte befinden sich derzeit in Bearbeitung. Ein Ende ist nicht abzusehen. „Es gibt immer noch Bezirke, in denen weniger als fünf Prozent der Schulen Wasser haben“, sagt Subotic. Nur wenn Schulen entsprechend ausgestattet seien, könne Bildung funktionieren und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bieten.

Nun ist Corona als Bedrohung hinzugekommen. „Doch Corona ist nur eins von vielen Problemen“, sagt Subotic. Zwei Ernten in Folge sind von Heuschrecken aufgefressen worden, die komplette Lebensgrundlage wurde zerstört. Jetzt, durch Corona, erlebten die Menschen auch in Europa, wie das ist, mit etwas konfrontiert zu sein, das man selbst nicht verschuldet hat.

Wasser marsch! Ein funktionierender Brunnen macht nicht nur Kinder glücklich.
Wasser marsch! Ein funktionierender Brunnen macht nicht nur Kinder glücklich.

© Neven Subotic Stiftung

In Äthiopien arbeitet die Stiftung mit einer lokalen Organisation zusammen, die besonders bedürftige Gemeinden aussucht und auch prüft, ob die einmal gebauten Brunnen noch funktionieren. „Es geht um ein langfristiges Engagement“, betont Subotic. Dass ein paar Deutsche irgendwo hingingen, etwas machten und dann wieder abrückten, wäre keine Option. „Und am Ende geben sie den Einheimischen noch die Schuld, wenn etwas nicht klappt“, sagt er. Diese Art von Entwicklungshilfe komme leider immer noch vor.

Er geht die Dinge anders an. Zweimal im Jahr fährt der Fußballer in das ostafrikanische Land. Und dann wird er eingeladen in den Präsidentenpalast? Er schüttelt den Kopf, so, als sei schon die Frage unangebracht. Er bliebe nicht in der Hauptstadt Addis Abeba. Zunächst ginge es weiter mit dem Flugzeug, dann mit dem Truck, dann Stunden weiter abseits der Straße und erst dann erreichten sie „ihre“ Gemeinden.

"Kinder sind kreativ. Die brauchen keine Fußballplätze" .

Natürlich bohrt er nicht eigenhändig einen Brunnen. „Wir machen Qualitätskontrollen, sprechen mit den Menschen, mit den Mitarbeitern.“ Und für die Kinder bringt er Fußbälle mit? Wieder so eine Frage, die Neven Subotic seltsam finden mag. „Kinder sind immer kreativ, dazu brauchen sie keine Fußballplätze“, sagt er. Und außerdem sei zu hinterfragen, ob man eine europäische Sportart unbedingt exportieren müsse. „Wenn ich eine bestimmte Summe Geld habe, kaufe ich davon keine Fußbälle, solange die Leute nicht einmal sauberes Wasser haben.“

Er geht seinen Weg. Missionieren will er nicht

Neven Subotic ist ein eigenwilliger Mensch. Einer, der alles sorgsam abwägt und den Dingen auf den Grund geht.Dass manche Kollegen ihn wegen seiner Ernsthaftigkeit womöglich belächeln, sei ihm egal, sagt er. „Manche denken, okay, der ist krass. Einige wollen dann auch so etwas tun und tun es dann nicht. Und einige tun es dann doch.“ Er geht einfach seinen Weg, missionieren will er nicht.

Wenn Prominente eine Stiftung gründen, unterstellt man ihnen auch Imagegründe. „Ich kann diese Kritik nachvollziehen“, sagt Subotic. „Es gibt Stiftungen, wo der Gründer einmal im Jahr zur Vorstandssitzung kommt, die trinken dann Kaffee und damit hat sich’ s erledigt“, hat er erfahren. Für ihn, so scheint’s, ist die Stiftung eine Herzensangelegenheit, in die er sich voll und ganz einbringen will.

Die Verwaltungskosten zahlt der Fußballer aus eigener Tasche

Sämtliches Stiftungsgeld fließt in die Projekte. „100 Prozent Zukunft spenden“ ist das Motto. Im Stiftungsbericht ist alles transparent aufgeschlüsselt. 2018 betrug das Spendenaufkommen 2.344,873,94 Millionen Euro. Die Verwaltungskosten beliefen sich auf 395 794,57 Euro. Die bezahlt Subotic von seinem eigenen Geld.

Liebling der Fans. Ende Januar 2020 kehrte Subotic als "Unioner" für ein Spiel zu seinem alten Club BVB zurück.
Liebling der Fans. Ende Januar 2020 kehrte Subotic als "Unioner" für ein Spiel zu seinem alten Club BVB zurück.

© Andreas Gora/dpa

Im Sommer 2019 war der Fußballer zum 1. FC Union Berlin gekommen. Sein Vertrag wurde vom Verein nicht verlängert, nun sucht er einen neuen Verein. Subotic ist 31, er könnte mit dem Sport aufhören. Die Ex-Weltmeister André Schürrle (29) und Benedikt Höwedes (32) haben es gerade vorgemacht, auch Hertha-Keeper Thomas Kraft (31) macht Schluss. Wegen gesundheitlicher Probleme. Auch bei Neven Subotic zwickt der Rücken ab und zu. In den letzten Jahren nutzt der 1,93 Meter große Sportler deshalb die Businessclass, wenn er seine Eltern in den USA besucht. Es geht ihm nicht darum, es sich leisten zu können. Er denkt dabei an seinen Körper.

Der 31-Jährige will noch ein paar Jahre Profi-Fußballer bleiben

Der Serbe will noch einige Jahre im Profifußball bleiben. Sein aktueller Marktwert liegt bei zwei Millionen Euro. Was treibt ihn an? Einer, dem Luxus nichts bedeutet, kommt doch auch ohne den Lohn eines namhaften Clubs über die Runden. Subotic lächelt. Das Geld, so sagt er, könne er gut für die Stiftung verwenden.

Einem anderen würde man diese Antwort kaum abnehmen. Zu aufgesetzt. Bei Neven Subotic klingt sie wahrhaftig.

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