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Die futuristischen Gardens by the Bay in Singapur haben einen kühlenden Effekt auf den Stadtstaat.

© imago images/Andia

Heißzeit als Alltag: Wie Metropolen auf der ganzen Welt Hitze überstehen

Städte wie Singapur, Doha oder Neu-Delhi sind hitzeerfahren. Manche Sachen könnte sich Deutschland für die Zukunft abgucken – und dazulernen. Ein Überblick.

Das Umweltbundesamt dringt angesichts der Hitzewelle darauf, deutsche Städte besser gegen hohe Temperaturen und auch gegen Starkregen zu wappnen. „Wir müssen unsere Städte umbauen, um mit dem Klimawandel leben zu können“, sagte Präsident Dirk Messner. 

Während hierzulande kaum Städte auf extreme Hitze vorbereitet sind, gibt es in anderen Teilen der Welt Vorkehrungen, die Heißzeiten in Metropolen erträglicher machen. Der Blick ins Ausland kann hier Inspiration für den Städtebau der Zukunft in Deutschland liefern.

Bangkok setzt auf Einkaufszentren

Im klimatisierten Einkaufszentrum Siam Paragon lässt es sich gut während der Hitze aushalten.
Im klimatisierten Einkaufszentrum Siam Paragon lässt es sich gut während der Hitze aushalten.

© dpa

In Thailands Hauptstadt sind die Menschen an Hitze gewöhnt, eine „kühle Jahreszeit“ gibt es nicht. Viele Thais ziehen sich deshalb aber nicht aus, sondern vermummen sich – und tragen lange Ärmel, Hüte und Schirme. Das schützt vor Hitze und Sonne, aber auch vor unerwünschter Bräune: Möglichst weiße Haut gilt in Thailand als Schönheitsideal. 

Wer in Bangkok lebt, wird wegen der Extrem-Hitze auch schnell zum Frühaufsteher. Schon kurz nach Sonnenaufgang sind die Märkte voll, und in den Parks wird Zumba oder Yoga gemacht. Aber nichts ist besser zur Erfrischung geeignet als die kühlen Shopping Malls. Für viele fungieren „Siam Paragon“, „Terminal 21“ oder „EmQuartier“ am Wochenende als zweites Zuhause, denn sie bieten alles von Mode über Massagen und Fitness bis zu Gourmettempeln und Kinos.

Singapur profitiert vom vielen Grün

Gewächshäuser in Singapur haben durch ein Kühlsystem angenehme Temperatur.
Gewächshäuser in Singapur haben durch ein Kühlsystem angenehme Temperatur.

© imago images/Philippe Michel

Die Temperaturen in dem ultramodernen, aber auch ultraheißen Stadtstaat steigen doppelt so schnell wie im Rest der Welt. Das von der Regierung geförderte Projekt „Cooling Singapore“ entwickelt Strategien, um die Temperaturen zu senken und den Menschen Abkühlung zu verschaffen – ohne die Umwelt allzu sehr zu belasten. Ein Vorzeigeprojekt ist der preisgekrönte Park Gardens by the Bay.

In gigantischen Gewächshäusern, die zum Flanieren und Verweilen einladen, liegen die Werte bei angenehmen 24 Grad. Verantwortlich ist das wohl größte unterirdische Fernkühlungssystem der Welt, das auch zwei Dutzend Wohntürme und andere Gebäude in der Nähe versorgt. 

Die Anlage nutzt gekühltes Wasser – eine Stromeinsparung von 40 Prozent gegenüber herkömmlichen Klimaanlagen. Zudem setzt das auch als „Gartenstadt“ bekannte Singapur auf mehr Grün zur Kühlung: Unzählige Bäume und Pflanzen spenden Schatten und sorgen für bessere Luft.

In Neu-Delhi gehören Verdampfungskühler dazu

Im indischen Neu-Delhi sind Verdampfungskühler ein Kassenschlager.
Im indischen Neu-Delhi sind Verdampfungskühler ein Kassenschlager.

© IMAGO/Hindustan Times

In Indien sieht man bei Hitze oft Kinder, die in Teichen oder Brunnen in Parks spielen. Türen und Fenster von Häusern werden dann oft mit Matten aus Gras oder Stroh abgedeckt und mehrmals am Tag nass gemacht. Dadurch kommt auch ein etwas kühlerer Wind herein. Viele Leute nutzen zudem simple Verdampfungskühler in ihren Häusern. 

In diesen Maschinen gibt es Wasser, und wenn man sie an den Strom anschließt, saugen sie warme Luft der Umgebung ein und kühlen sie mit dem Wasser. Das Prinzip: Wo Wasser verdunstet, wird Wärme entzogen. Zudem trinken die Menschen viel – überall wird bei Hitze Wasser angeboten, oder man trinkt Shikanji, einen Zitronensaft mit Zucker, Salz und Wasser, was gegen Dehydrierung hilft.

Dohas Architektur spendet viel Schatten

Die zentrale U-Bahnstation Al-Muschairib in Doha bietet mehr als genug verschatteten Warteraum.
Die zentrale U-Bahnstation Al-Muschairib in Doha bietet mehr als genug verschatteten Warteraum.

© dpa

Für Bewohner der Golfstaaten und der arabischen Welt ist Hitze Alltag. Die Menschen in der Region sind durchaus 40 Grad gewöhnt. In Katar, dem Gastgeberland der Fußball-WM 2022, ist der hippe Stadtteil Muschairib der Hauptstadt Doha ein gutes Beispiel dafür, wie intelligente Stadtplanung helfen kann, mit der Sommerhitze klarzukommen. 

Die modernen Bauten im traditionellen Stil sind etwa so angelegt, dass Fußgänger in dem Viertel durchgehend im Schatten laufen können. Dazu haben die Architekten die Gegend so konzipiert, dass Luftströme zwischen den Häusern für eine Brise sorgen. Heute verbringen Bewohner der Region die heißeste Tageszeit meist zuhause mit Klimaanlagen.

Erst wenn es kühler wird und Temperaturen auf gut 30 Grad fallen, strömen die Menschen in den Abendstunden ins Freie. Beliebt in vielen Ländern der arabischen Welt sind mobile Klimaanlagen im Freien, die neben den Tischen von Restaurants und Cafes aufgestellt werden und kühle Luft spenden – quasi das Gegenstück zu Heizpilzen.

Tel Aviv geizt nicht mit Wasser

Ein Mann füllt an der Tel Aviver Strandpromenade an einem Trinkwasserspender eine Flasche mit Wasser.
Ein Mann füllt an der Tel Aviver Strandpromenade an einem Trinkwasserspender eine Flasche mit Wasser.

© dpa

In der israelischen Küstenstadt Tel Aviv sind Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad im Sommer keine Seltenheit. Das Gute an der Stadt am Mittelmeer: Wasser gibt es reichlich. 

In der ganzen Stadt verteilt gibt es zudem in regelmäßigen Abständen Trinkwasserspender – nicht nur an der kilometerlangen Strandpromenade, auch an vielen anderen Orten: Wasserflasche auffüllen und fertig. Das schützt nicht nur vor einem Sonnenstich, sondern spart in einer der teuersten Städte der Welt auch Geld. Generell verlagert sich das Leben im Freien allgemein eher in den Abend. 

Nach dem Sonnenuntergang füllen sich die Bars und Restaurants, und die Tel Aviver verlassen ihre stark heruntergekühlten Wohnungen und Büros. Um tagsüber nicht allzu verschwitzt bei der Arbeit anzukommen, fahren viele mit E-Bikes.

Madrid verschläft die Hitze

In besonders heißen Mittagszeiten steht das Leben in Madrid fast still.
In besonders heißen Mittagszeiten steht das Leben in Madrid fast still.

© dpa

In der spanischen Hauptstadt sind im Sommer um die 40 Grad recht normal. Die Madrileños sind an die Hitze gewöhnt und wissen, wie man damit auskommt – und sie sogar genießt. Klimaanlagen gibt es, anders als etwa in Deutschland, nahezu überall: im Einkaufszentrum genauso wie im Laden, Restaurant oder Café, in der U-Bahn, im Bus, in den Büros und erst recht daheim. 

Die meisten Spanier tragen nicht nur in Madrid im Sommer helle, leichte Kleidung. Auch die Essgewohnheiten werden dem Klima angepasst: Im Sommer erfrischt man sich gern mit kalten Suppen wie Gazpacho oder Salmorejo. Die langen Abende kann man dank allgegenwärtiger Wassernebel-Kühlsysteme auch in den Außenbereichen von Bars und Restaurants bei einem Rioja oder einer Cerveza verbringen. 

Wenn die Sonne besonders heiß vom Himmel knallt – so zwischen 14 und 18 Uhr –, dann zieht man sich zurück. Die Siesta, der „Mittagsschlaf“, gehört zu Spanien wie die Paella.

Rio de Janeiro wird für die Berge verlassen

Nächtliche Spaziergänge und Ballspiele sind am Strand von Rio de Janeiro nicht ungewöhnlich.
Nächtliche Spaziergänge und Ballspiele sind am Strand von Rio de Janeiro nicht ungewöhnlich.

© imago images/dabldy

Wenn im brasilianischen Sommer die Temperaturen auf gefühlte 50 Grad steigen, bekommt man das Gefühl zu schmelzen. Klimaanlagen sind denn auch die wichtigsten Einrichtungsgegenstände, um in der Metropole einen kühlen Kopf zu bewahren. 

Die Tage werden länger, sportliche Aktivitäten verlagern sich in den frühen Morgen oder die Nacht. Auch um Mitternacht spielen „Cariocas“, wie die Einwohner Rios heißen, etwa am Strand von Copacabana noch Volleyball oder Futevolei. Andere ziehen sich in kühlere Bergregionen zurück.

Athen erwacht abends zum Leben

Viele Athener verlassen ihre Wohnung zur Sommerzeit nur morgens oder abends.
Viele Athener verlassen ihre Wohnung zur Sommerzeit nur morgens oder abends.

© imago

In der Hauptstadt Griechenlands stimmt man über die Hitze mit den Füßen ab. Spätestens Anfang August pilgert der Großteil der rund drei Millionen Einwohner ans Meer, in Dörfer und auf Inseln, bevorzugt dorthin, wo man Verwandte hat. Resultat: Die sonst so laute Metropole fällt in eine Art Sommerschlaf. 

Es gibt kaum Autoverkehr, selbst die kleinen Kioske, die sonst oft rund um die Uhr offen sind, bleiben zu. Eine Ausnahme bildet das Stadtzentrum samt der Altstadt rund um die Akropolis. Dort tummeln sich dann allerdings kaum Griechen, sondern Touristen. 

Athener gehen bei großer Hitze, wenn überhaupt, nur morgens oder nach Sonnenuntergang aus dem Haus. Deshalb wird in Griechenland im Sommer auch erst spät abends gegessen, und Kinder toben bis nach Mitternacht auf Spielplätzen.

Mailand bepflanzt Hochhäuser

Der Mailänder Gebäudekomplex Bosco Verticale ist ein echter Hingucker.
Der Mailänder Gebäudekomplex Bosco Verticale ist ein echter Hingucker.

© imago images/Panthermedia

Mailand versuchte, mit einem vertikalen Begrünungsprojekt an zwei Hochhäusern ein Beispiel für mehr Pflanzen und besseres Mikroklima in der Stadt zu schaffen. Viele Wohnungen und Häuser in Italien haben einen Stein- oder Fliesenboden, der für Kühle sorgen soll. 

Wer in Rom wiederum eine Abkühlung braucht, kann sich einen der vielen grauen Brunnen suchen, aus denen Trinkwasser fließt - auch nasone genannt wegen der nasenähnlichen Form des Wasserhahns. In italienischen Städten füllen die Leute dort ihre Flaschen auf, kühlen sich das Gesicht oder lassen ihre Hunde trinken.

Beliebt sind auch Früchte, vor allem die Wassermelone, die als erfrischender Snack in heißen Stunden dient. Kühle Treffpunkte vor allem in den Wohnvierteln sind zum Beispiel auch Kirchen. Wer es sich in Italien leisten kann, entflieht der Sommerhitze in der Stadt und fährt in die Zweitwohnung in den Bergen oder am Meer, wo das Klima etwas frischer ist. 

Auch viele Päpste reisten Jahr für Jahr vom Vatikan ins unweit von Rom gelegene Castel Gandolfo - die päpstliche Sommerresidenz. Papst Franziskus hat darauf allerdings bislang verzichtet.

New York lässt es regnen

In New York kommen die Hydranten auch auf ungewöhnliche Weise zum Einsatz.
In New York kommen die Hydranten auch auf ungewöhnliche Weise zum Einsatz.

© imago images/ZUMA Wire

Wenn es im Großstadtdschungel von NYC so richtig heiß wird – und das wird es in jedem Sommer –, dann kennen die Bewohner ein bewährtes Mittel: Hydranten. Die Feuerwehr öffnet – nach offiziellem Antrag – einen Hydranten pro Straßenblock, der daraufhin Wasser ausspuckt. 

Zwar mit weniger Druck als für Löscharbeiten, aber ausreichend, um herumspringenden Kindern, Erwachsenen und durstigen Vögeln und Haustieren stundenlang Freude und Abkühlung zu bereiten.

Los Angeles streicht Straßen heller

Im Westen von Los Angeles bringt die Meeresbrise vom Pazifik Abkühlung, doch in vielen Teilen der kalifornischen Millionenstadt steigt die Hitze oft auf über 35 Grad Celsius (95 Grad Fahrenheit). Das „Cool Streets L.A.“-Programm soll Extremtemperaturen wenigstens um einige Grade drücken. 

Der Trick: Schwarzer Asphalt wird mit heller Farbe übermalt. Hunderte Straßenblocks in den heißesten Bezirken tüncht die Stadt durch das seit 2019 laufende Projekt mit einem weißen Belag, der Sonnenlicht stärker reflektiert und weniger Wärme aufnimmt.

In Sachen Hitze stellt die Wüstenstadt Palm Springs mit Palmen und Mid-Century-Architektur alle anderen Orte Südkaliforniens in den Schatten. Hitzegestresste ohne eigene Klimaanlage können bis Ende September in „Cooling Centers“ Zuflucht suchen. Sobald es mehr als 38 Grad Celsius sind, lädt die Stadt in drei klimatisierte Kühlzentren ein. Eines davon ist die örtliche Bücherei. (dpa)

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