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Praktisch. Gestell, Plane, Leiter – bei einem Autodachzelt ist alles integriert in einer Box.

© Jule Waibel

Campen auf dem Dach: Warum Autos die neuen Zeltplätze sind

Echte Matratze, super Belüftung, fantastischer Blick. Dachzelte sind die besseren Zelte, findet unsere Autorin. Aber ziemlich teuer. Lohnt sich das?

Bevor ich meine Augen öffne, drehe ich mich noch einmal um. Es ist hell, bestimmt schon elf Uhr. Ich strecke den Arm aus und öffne den Reißverschluss an der Zeltwand hinter mir, stecke den Kopf durch die Fensterklappe – und blicke aus etwa zwei Metern Höhe auf ein buntes Dorf aus Zelten.

Zwei-Mann-Iglus, Tipis, Pavillons, auch ein paar Wohnmobile sind dabei. Drüben an der Wasserstation tummeln sich die Leute, putzen sich die Zähne oder füllen ihre Flaschen auf. Mehr als 30 Grad sind für heute angesagt.

Ich befinde mich auf einem Zeltplatz ein paar Stunden von Berlin entfernt, auf einer Wiese am Waldrand nahe einem See mit klarem Wasser. Genauer gesagt liege ich eine Etage höher als alle anderen in einem Zelt, das auf das Dach meines Jeeps montiert ist. Und schon nach der ersten Nacht ahne ich, dass das eine sehr gute Idee war.

Eine leichte Brise durchweht das Zelt. Ich öffne das gegenüberliegende Fenster und schalte auf Durchzug. Muff ist schon mal kein Thema. Nur einer von vielen Vorteilen, wie sich herausstellen wird.

Urlaub ab der ersten Minute!

Denn offenbar ist es kein Naturgesetz, dass nach einem Camping-Ausflug die Knochen knacken. In meinem Dachzelt liegt eine futonartige Schaumstoffmatratze, knapp zehn Zentimeter dick. Sie ist bequemer als eine Isomatte, ich musste sie nicht aufblasen wie eine Luftmatratze, und es verbreiten sich auch keine Schockwellen, wenn sich die andere Person mal umdreht. Neben mir schläft noch tief und fest eine Freundin.

Nie zuvor war ich nach einer Nacht im Zelt so ausgeruht. Und ich habe schon viele Nächte in Zelten verbracht.

Als Kind war der alljährliche dreiwöchige Sommerurlaub mit Familie und Verwandtschaft eine lange Tradition, die uns insgesamt elf Kindern bereits während der langen Fahrten im Wohnwagen-Konvoi nach Italien oder Südfrankreich jede Menge Spaß brachte. Urlaub ab der ersten Minute! Unsere sechsköpfige Familie verteilte sich während der Fahrt relativ locker in einem Ford Transit, in dem selbst der große Hund und manchmal noch meine Nähmaschine Platz fanden.

Auch zum Schlafen wurde der Bus am Urlaubsort benutzt, um die beengte Situation im Wohnwagen etwas zu entschärfen. Ein Zelt als Alternative kam uns Kindern damals noch als Rückschritt in die Steinzeit vor. Erst als Teenager bemerkten wir die Vorteile, die Freiheit, einfach spontane Trips machen zu können. Und das nutzten wir.

In der DDR waren sie beliebt

Um die spezifischen Vorteile von Zelten, die man aufs Autodach montieren kann, wusste ich nicht. Dabei gibt es sie schon lange. Sie waren wohl bei meinen Eltern und Großeltern in jungen Jahren der letzte Schrei, vor allem in der DDR waren sie beliebt, dort schnallten sich viele das Fabrikat „Müller – Autodachzelt“ auf den Trabant. Ich hingegen hatte sie mir bisher immer nur von unten angesehen und nicht weiter darüber nachgedacht.

Irgendwann im vergangenen Sommer erinnerte ich mich aber daran. Ich arbeite als Designerin und Falt-Künstlerin, verdiene also mit dem Zusammenlegen verschiedenster Objekte meinen Lebensunterhalt. Gerade ging es in einem neuen Projekt um auffaltbare Räume – und wenn ich doch ohnehin alles in Falten legte, warum nicht auch meine eigene Behausung?

Ich wurde also neugierig. Und da ich meinen alten weißen Jeep liebe und ab und an auch damit verreise, bot es sich an, ihn per Dachaufbau kurzzeitig zum Wohnmobil zu machen – und mit Freunden auf den Zeltplatz zu fahren.

Ich erhebe mich von der Matratze und freue mich, mit dem Kopf nicht an die Plane zu stoßen, sondern aufrecht sitzen zu können. Es ist massenhaft Platz in diesem Camper-Himmelbett. Dabei habe ich nur ein Single-Zelt gemietet, 214 mal 122 Zentimeter Liegefläche. Klein und kompakt, dachte ich. Als das sandfarbene Teil aber wie eine kleine Villa auf meinem Jeepdach thronte, gab meine Freundin sehr schnell ihren Platz im Nachbarzelt auf, um sich oben bei mir einzunisten. Sie schläft übrigens immer noch.

Was für ein Start in den Tag

So, aufstehen! Ich ziehe am Reißverschluss, öffne langsam die Zelttür und blicke nach unten. Mit Überblick fühlt man sich irgendwie frei, integriert in seine Umwelt, aber mit einem angenehmen Sicherheitsabstand zu allem, was gerade da unten passiert. Die Stimmen der anderen Camper sind nicht ganz so präsent.

Jeder Morgen beginnt mit einem Balanceakt – ich muss die Leiter hinunterklettern. Ich nehme die ersten drei Sprossen und schaue auf unser kleines Lager. Drei Zelte, ein Sonnensegel, Tücher, leichte Decken und eine aufblasbare Luftmatratze, die zur Couch umfunktioniert wurde. Ich lasse mich hineinfallen – was für ein Start in den Tag!

Alle weiteren wichtigen Dinge meines Outdoor-Hauses befinden sich in der unteren Etage: im Jeep. Ihn habe ich zum Kleiderschrank und Speiselager umfunktioniert. Und als nächtlichen Safe für meine Kamera, die ich immer bei mir habe. Ich öffne die Kofferraumtür, ein Hitzeschwall kommt mir entgegen. Puh, das hat sich oben anders angefühlt.

Vom Vortag bin ich ein wenig verkatert, also krabbele ich unter das Auto, um in der mit Wasser gefüllten Wanne nach einem kalten Getränk zu suchen. Der mit einem nassen Handtuch abgedeckte „Kühlschrank“ hat funktioniert. Neben Prosecco und Pfefferminzlikör findet sich noch eine Flasche Mineralwasser.

Problemlos. Der Aufbau gelingt im Handumdrehen.

© Jule Waibel

Die Preise steigen mit der Größe

Bei meiner Google-Suche nach „Dachzelt“ war ich zunächst bei einem spezialisierten Shop gelandet – und bei den Preisen fast vom Stuhl gekippt. Also eine Vorwarnung: Es besteht ein großer Unterschied zu herkömmlichen Zelten. Man ist schnell ein paar Tausend Euro los. Dafür sind die Materialien wertig: Metall und dicke Baumwolle, sie fühlt sich fast an wie ein Segel. Natürlich ist das Zelt faltbar, alles hat seinen Platz. Funktion und Technik sind seit 50 Jahren gleich, kinderleicht und zuverlässig. Beim Auf- und Abbau hat die Konstruktion ihre großen Momente: links, rechts, Stoff klappen, hier falten, Stangen auseinander- oder zusammenschieben – und das Nest richtet sich auf. Oder wird wieder platt gedrückt.

Ein weiterer Vorteil: Man muss so ein Zelt nicht kaufen. Direkt bei mir um die Ecke in Kreuzberg verleiht die Firma „Advamping“ Dachzelte ab 20 Euro pro Tag. Es gibt sie in allen Variationen: Single, Doppel, Family, mit Vorzelt oder ohne und sogar eines namens „Honeymoon“. Die Preise steigen mit der Größe. Ich habe angerufen und mich beraten lassen. Meine erste Sorge war, ob so ein Zelt überhaupt auf meinen Jeep passen würde. Mit Ausnahme von Cabrios passen die Zelte wohl auf fast jede Art von Auto. Es muss nur einen Dachgepäckträger geben, der aber notfalls auch gemietet werden kann.

Keine lästigen Zeltstangen mehr

Ich habe mir den Luxus gegönnt, mir das Zelt von den Verleih-Chefs aufs Dach montieren zu lassen. Das kostet extra. Aber erstens wollte ich kein Risiko eingehen, wenn ich mit 120 Kilometern pro Stunde über die Autobahn fahre. Zweitens wiegt es gut 50 Kilogramm. Zwei Männer haben es für mich hochgehievt.

Am Zeltplatz war ich dann sehr überrascht, wie groß es war, als ich es auseinander faltete. Gestell, Plane, Leiter – alles ist integriert in einer Box, sogar der Futon und das Leintuch dazu. Beim Verleiher hatte ich mir alles in einer Trockenübung in Ruhe erklären lassen. Der Aufbau verlief also problemlos. Zum Glück. Helfende Hände wären nämlich nicht verfügbar gewesen.

Während ich mein eigenes kleines Haus entfaltete, kämpften meine Freunde mit ihren Zeltstangen und hämmerten Heringe ins trockene Gras. Als ich nach einer Minute fertig mit meinem Aufbau war, habe ich solidarisch bei ihnen mit angepackt. Man muss den Neid der anderen ja nicht unnötig schüren.

Jule Waibel

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