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Wenn das ZDF mal jünger wird, [GRUNDTEXT]dann meistens im „Aktuellen Sportstudio“. Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein (links) spricht mit den Fußball-Nationalspielerinnen Felicitas Rauch (Mitte) und Laura Freigang. 

© imago/Martin Hoffmann / Foto: imago/Martin Hoffmann

Überleben der Öffentlich-Rechtlichen: Jugend an die Macht!

Wenn das ZDF Zukunft gewinnen will, müssen Programme für Menschen unter 35 her.

Von Bendix Lippe

Seit Wochen steht der RBB in den Schlagzeilen: Dubiose Boni, fragwürdige Vergabeverfahren, Verschwendung von Gebührengeldern – das Vertrauen in der Bevölkerung ist beschädigt. Doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in den nächsten Jahren vor Herausforderungen, die weit größer sind als das Fehlverhalten einzelner Führungskräfte. Im nächsten Jahrzehnt müssen die Weichen für einen zukunftsfesten Rundfunk gestellt werden, der alle Gebührenzahlenden abholt. Gibt es in Zukunft noch lineares Fernsehen? Und wer soll den Rundfunkbeitrag bezahlen, wenn junge Menschen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gar keine Angebote finden, die sie interessieren?

Zukunft muss in die richtige Bahn gelenkt werden

Fragen, die sich auch das ZDF stellen muss – und es wahrscheinlich gerade auch tut. In einem großen Strategieprozess soll die Zukunft des Senders in die richtige Bahn gelenkt werden. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene stehen im Fokus: In den kommenden Jahren möchte der Sender neue Zielgruppen erschließen, Menschen unter 35 sollen in der Programmgestaltung eine größere Rolle spielen. Der Sender hat angekündigt, dafür auch finanzielle Mittel bereitzustellen, aus dem regulären Programm sollen Gelder in die Produktion junger Inhalte verschoben werden. Das ist ein guter Anfang, aber noch lange keine Erfolgsgarantie. Ich habe ein paar Ideen, was man konkret machen könnte – und die Hoffnung, dass ich als 25-Jähriger noch jung genug bin, um gehört zu werden.

Wer neue Zielgruppen erreichen will, der muss sich zuallererst im eigenen Haus umschauen. In den Fernsehredaktionen arbeiten zu wenige Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund, ohne starken finanziellen Rückhalt, ohne lange akademische Laufbahn. Das wirkt sich auf das Programm aus. Ohne die entsprechenden Perspektiven werden Themen oft übersehen oder nicht ausreichend behandelt. Der Sender hat es selbst in der Hand, Schwellen in Einstellungsverfahren abzubauen, Praktika und Volontariate besser zu bezahlen und vor allem nicht nur an privilegierte Bevölkerungsschichten zu vergeben.

Mit den finanziellen Umschichtungen bestehen jetzt viele Möglichkeiten, junges Programm zu unterstützen. Das ZDF darf allerdings nicht den Fehler machen, der in den letzten Jahren vermehrt passiert ist: Das Geld darf nicht nur in soziale Netzwerke oder günstige Formate fließen, sondern muss für Programme mit tatsächlichem Anspruch ausgegeben werden. Ob in Fiktion oder Aktualität, junge Menschen sind aus dem privatwirtschaftlichen Kontext hochwertige Produktionen gewöhnt; es muss also genauso viel in Produktion und Recherche investiert werden, wie es bei den „Erwachsenen“ der Fall ist.

Auch das junge Programm von ARD und ZDF, funk, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Sender müssen selbstständig und für die eigenen Plattformen produzieren, anstatt jeden Anspruch aufzugeben und ausschließlich auf Instagram, Youtube und Co. zu veröffentlichen. Denn wer davon ausgeht, dass es das lineare Fernsehen allzu bald nicht mehr gibt, der irrt meiner Ansicht nach. Diejenigen, die mit der „Tagesschau“ um 20 Uhr aufgewachsen sind, werden auch in den nächsten 20 Jahren noch Fernsehen schauen wollen. Die Frage ist doch: Was kommt danach?

Bendix Lippe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in Berlin. Der 25-jährige Brandenburger war als Vertreter von Familie, Senioren, Frauen und Jugend der jüngste Fernsehrat im ZDF-Gremium. 

© promo / Foto: Kurt Sauer

Denn dass sich junge Menschen gemeinsam mit älteren Menschen vor den Fernseher setzen, ist relativ selten. Die beeindruckenden Quoten für das „Wetten, dass..?“-Revival und die folgende Revitalisierung des Formats reihen sich in eine Gruppe alter Formate ein, die im öffentlich-rechtlichen, aber auch im privaten Fernsehen aus Nostalgie (und Hoffnung um gute Quoten) wiederbelebt werden.

Generationenübergreifendes Fernsehen kann aber nicht nur in alten Programmen aufleben – Beispiele wie „Babylon Berlin“ von ARD/Sky oder Produktionen der BBC wie „Bodyguard“ zeigen, dass mit mutigen Entscheidungen gerade in der Fiktion ein großes Publikum wartet. Hier muss das ZDF den Anspruch haben, in Eigen- und Koproduktionen Erlebnisse für die Zuschauer:innen zu schaffen, die nicht an Altersgrenzen haltmachen.

</SB>Ganz grundsätzlich ist es an der Zeit, gewohnte Abläufe im Fernsehen Stück für Stück aufzubrechen. Wenn man in Zukunft auch jüngere Zielgruppen im Hauptprogramm ansprechen möchte, dann muss man schon jetzt die Grundlagen legen. Indem man in kurzen, flexiblen Slots jüngere Inhalte in das normale Sendeschema einfließen lässt, gewöhnt man auch die älteren Zuschauer:innen an moderne Formate. So könnten in Fünf-Minuten-Slots Wissenssendungen wie „kurzgesagt“ oder Kurzdokus und Comedy im normalen Programm Einklang finden, die auch auf ihre längeren Pendants in der Mediathek verweisen. Auf diese Weise finden jüngere Zielgruppen ihre Inhalte ab und zu im Programm wieder, das ältere Publikum wird aber nicht zu stark aus den gewohnten Abläufen gerissen.

Jugendbeirat für das ZDF-Programm

Das ZDF sollte ein großes Interesse daran haben, die Meinung des jungen Publikums in seine Programmbildungsprozesse einfließen zu lassen. Dass es im Fernsehrat von 60 Sitzen nur einen Viertelplatz für die Jugend gibt, ist eine politische Entscheidung, auf die der Sender keinen Einfluss nehmen kann. Der Intendant hat allerdings die Möglichkeit, sich einen Ersatz zu schaffen – er könnte einen Jugendbeirat für das ZDF-Programm schaffen, in dem junge Menschen ihre Meinung und Wünsche zum Programm abgeben.

Dieser Beirat könnte zusätzlich als Beratungsgremium für die Redaktionen bereitstehen und dabei helfen, Programme zielgerichteter und erfolgreicher zu gestalten. Mit Blick auf die Entfernung, die junge Menschen schon jetzt zum Programm der öffentlich-rechtlichen Sender haben, wäre das ein proaktiver Schritt, mit dem sich das ZDF äußerst positiv von den Konkurrenzprogrammen abheben könnte.

Jetzt heißt es: Ärmel hochkrempeln und loslegen. Das ZDF, aber auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Sender haben die Chance und die Pflicht, selbstständig und innovativ zu denken. Es ist aber auch die letzte Gelegenheit – denn die Uhr tickt, und das junge Publikum wird nicht ewig warten.

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