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Es wird nie geklärt, woher die Axt stammt, mit der Lukasch ihrem Vermieter den Schädel einschlug.

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Schuber; Foto: mauritius/ Vakhrushe

Tatort Berlin – wenn Frauen morden: „Es war wie im schlechten Film“

Ein Mensch wird mit einer Axt erschlagen. Die Verdächtige: eine Untermieterin, die zu Reue nicht mehr fähig ist. Wie ist sie so geworden? Eine Rekonstruktion.

Auf frischer Tat, das ahnt Kriminalhauptkommissar Uwe Behrens, als er mit seinen Kollegen die Fassade des Miethauses hinaufblickt, werden sie hier niemanden mehr stellen. In der Luft liegt dieser unverwechselbare Geruch, süßlich und schwer, der ihm sagt, dass in der Sembritzkistraße, Berlin-Steglitz, ein Mensch gestorben ist. Vor Tagen schon, vielleicht vor Wochen.

Ein Abend im September 2004, der Vater des Opfers hat die Feuerwehr alarmiert. Die Ermittler und Ermittlerinnen der fünften Mordkommission müssen sich beeilen, in ihre weißen Faserschutzanzüge zu kommen, wenn sie sich vorsichtig in der Wohnung umschauen wollen, bevor Kriminaltechnik, Fotograf und Tatortmann den Platz für sich beanspruchen.

Kriminalhauptkommissar Uwe Behrens bewarb sich einst "ohne Plan" bei der Polizei und bereute es nie.
Kriminalhauptkommissar Uwe Behrens bewarb sich einst "ohne Plan" bei der Polizei und bereute es nie.

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Schuber; Foto: Tagesspiegel/ Weger

„Es ist sehr wichtig, sich selbst wenigstens einen oberflächlichen Überblick zu verschaffen“, sagt Behrens, damals Vize, heute Chef der fünften Mordkommission. Um ein Gefühl für die Tat zu entwickeln, den Ort des Geschehens und das Milieu, in dem sich das Opfer bewegt.

Die Leiche ist im Schrank, mit Stofffetzen geknebelt

Von seinem Platz, dem Kopfende des Besprechungstisches, schaut Behrens in die Flucht der menschenleeren Büros. 53 Jahre alt, ein großer sportlicher Typ, karierter Anzug, das Haar raspelkurz geschoren. Die Stille fühlt sich fremd an, auch im zweiten Jahr der Pandemie. Hier, an der Plastiktischdecke, wo morgens sonst mit ihm acht Leute sitzen, Kaffee trinken, Tee verkleckern, Müsli und Schokolade essen, um zu berichten, was sich bei ihren letzten Recherchen ergeben hat.

Alle Folgen der Tagesspiegel-Serie "Tatort Berlin"

Als sich „die Fünfte“ an jenem Abend des 21. September 2004 in der Wohnung des Opfers umschaut, sieht Behrens, dass jemand die Tür des Schlafzimmers mit einer weißen Pampe abgedichtet hat, offenbar um zu verhindern, dass sich der Leichengeruch ausbreitet.

Die Leiche ist im Schrank versteckt, mit Stofffetzen geknebelt, an Armen und Beinen mit Elektrokabeln gefesselt, über den Kopf einen Leinenbeutel gezogen. Mit einer Axt war dem Opfer mindestens fünf Mal auf den Schädel geschlagen worden.

Seit zehn Tagen ist Christian Baske da schon tot. „Ein Eigenbrötler und Einzelgänger“, sagt Behrens. Ein arbeitsloser Postzusteller, der von Sozialhilfe lebte und sein Budget mit dem Verkauf historischer Postkarten aufbesserte. Bis zu ihrem Tod hatte der 36-Jährige mit seiner Großmutter in der Sembritzkistraße gewohnt. Ihr Zimmer vermietete er seitdem unter.

Jemand hat die Tür des Schlafzimmers mit einer weißen Pampe abgedichtet – wegen des Geruchs.
Jemand hat die Tür des Schlafzimmers mit einer weißen Pampe abgedichtet – wegen des Geruchs.

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Schuber; Foto: mauritius/ Brookes

Am Tag von Baskes Tod hatten die Nachbarn, die alle unter der Hellhörigkeit des Hauses leiden, um 6.30 Uhr in ihren Wohnungen neben und unter ihm Schreie und schreckliches Stöhnen gehört, dann den Ausruf „Ich sterbe! Ich sterbe!“, bevor eine Stimme sagte: „Lass mich in Ruhe“ und wieder Stille eintrat.

So ungewöhnlich war das im Hause Baske nicht. Der 36-Jährige ist ein ängstlicher und gehemmter Mensch, der des Öfteren, ohne für Außenstehende erkennbaren Grund, herumschreit und flucht, auch häufig nachts. Nachbarn hatten versucht, auf ihn zuzugehen, boten ihre Hilfe an, vergeblich.

Es ist einer dieser Fälle, die Behrens nie vergessen wird

Von der letzten Untermieterin fehlt jede Spur. Zeugen beschreiben eine Frau in den 30ern, zierlich, keine 1 Meter 60 groß. Nachname, Vorname – unbekannt. In Baskes Unterlagen findet sich kein Vertrag, kein Kontoauszug, kein Brief, kein Foto, nichts, was auf die Identität der Fremden hinweisen könnte. Die Anfragen bei Vermittlern von möblierten Zimmern versanden im Nichts, sagt Behrens. „Wir hatten keine Ahnung, wer die geheimnisvolle Untermieterin sein könnte.“

Es ist einer dieser Fälle, die Behrens nie vergessen wird. Nicht nur, weil er damals seine erste mutmaßliche Mörderin suchte, sondern auch, weil bei der Ermittlung erstmal schiefging, was schiefgehen konnte, bis ein Puzzlestein zum nächsten kam und der letzte dann das ganze Bild ergab. „Es war wie im schlechten Film.“

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Weiblich, klein, kurze Haare – das ist alles, was die Ermittler wissen, als sie feststellen, dass jeden Tag von Baskes Konto 250 Euro, sein selbst festgelegter Höchstbetrag, abgehoben werden, von verschiedenen Automaten, immer in der Innenstadt.

2004 gibt es noch Bankautomaten ohne Kamera und etliche, in denen welche installiert sind, die aber nur verdachtsabhängig ein Foto auslösen, weil jemand seinen Code zweimal falsch eingegeben hat. Dass nach einer Kontobewegung die Volksbank jedes Mal anrief, half den Ermittlern wenig, denn die Gesuchte war da längst im Gewühl verschwunden. „Wir sind immer hinterhergehechelt.“

Jeden Tag hebt sie von seinem Konto 250 Euro ab, von verschiedenen Automaten, immer in der Innenstadt.
Jeden Tag hebt sie von seinem Konto 250 Euro ab, von verschiedenen Automaten, immer in der Innenstadt.

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Schuber; Foto: mauritius/ Alamy

Am 24. September meldet die Volksbank morgens: „Gestern um 15 Uhr wurde abgehoben an einem videoüberwachten Automaten.“ Endlich, denken die Ermittler …

… und verzweifeln, als sie feststellen, dass es so stark geregnet hatte, dass man außer ein paar dunklen Farbklecksen nichts erkennt. Das Foto sieht aus wie das abstrakte Gemälde eines schwermütigen Impressionisten. Der Vermerk fällt knapp aus: eine Person, vermutlich eine Frau, offenbar mit kurzen Haaren.

Am 27. September stimmt mit dem Wetter alles, als in der Georgenstraße 250 Euro abgehoben werden. Dieses Mal löst die Videokamera erst gar nicht aus. „Man sitzt da und denkt: Das kann doch jetzt nicht wahr sein!“

Langsam gehen den Ermittlern die Chancen aus

Sie postieren Beamte in Zivilfahrzeugen, mit Videokameras ausgestattet, in der Stadt. Die Auswahl wird zur Lotterie, sagt Behrens. „Wir mussten mit Personal sparsam umgehen, nicht wie damals, als die ganze Stadt den Kaufhauserpresser Dagobert jagte.“ Damals war er als junger Beamter im Betrugsdezernat abgeordnet, eine Telefonzelle in der Charlottenburger Meinekestraße zu überwachen.

Die Zeit läuft, Baskes eher klägliches Guthaben schwindet – langsam gehen den Ermittlern die Chancen aus. Wie sollen sie die Unbekannte jemals finden, wenn das Konto abgeräumt ist? Behrens telefoniert, schreibt Vermerke, regelt bei der Bank, dass der Polizeipräsident als Bürge steht.

Es ist die sperrige Sprache, die einen im LKA 11 daran erinnert, dass das Morddezernat Teil einer Behörde ist. Der Ermittler wird als Sachbearbeiter geführt, der Vorschriften zur Dienstverrichtung zu befolgen hat, keinen Mörder zur Strecke, sondern Maßnahmen zur Durchführung bringt.

Ohne einen Plan bewarb er sich bei der Polizei

So etwas muss abfärben. Bei Kommissar Behrens, der von sich behauptet, dass er mit der Polizei in einem „symbiotischen Verhältnis“ lebt, scheinen Mensch und Behörde längst untrennbar verwoben. Wenn er über seinen Alltag spricht, klingt es wie bei einem Wetterhäuschen im April, wo im ständigen Wechsel mal der Mensch, mal die Behörde nach vorne tritt.

Behrens sagt: „Man arbeitet in einem sehr familiären Personalkörper, der ein Höchstmaß an Motivation aufweist."

Und schiebt im nächsten Atemzug hinterher: „Man muss schon ein bestimmtes Gen haben, um hier zu arbeiten. Alles Leute, die ähnlich beharrlich und bekloppt ermitteln wollen.

Über Kriminaltechniker und Gerichtsmedizinerinnen sagt Behrens: „Ohne die Servicedienststellen könnten wir nicht so erfolgreich sein.“ Erläutert dann: „So etwas wie Standesdünkel gibt es nicht. Wenn einer sagt: ,Kannst du so machen, ist aber scheiße’, sage ich: ,Okay, dann mache ich’s, wie du es sagst.’“

In Schöneberg aufgewachsen, mit Hochschulreife, aber „ohne Plan“, bewarb er sich nach dem Abitur bei etlichen Versicherungen, im öffentlichen Dienst, aber keiner außer der Polizei habe ihn gewollt. Bereut habe er das nie. „Wir passen gut zusammen, die Polizei und ich.“

Was einen Mordermittler ausmache? Analytischer Sachverstand, sagt Behrens. Spaß am Lösen von Rätseln, eine außergewöhnliche Merkleistung. Man müsse verallgemeinern und rumspinnen können. „Fälle auch mal abstrakt handhaben, beim Nachdenken über Motive ins Absurde driften.“

Plötzlich findet der Tatortspezialist Schnipsel

Sein erster Mordfall, 2. Oktober 1993. Im Lokal „Zum Guckloch“, Schlesische Straße, geht ein Kneipenstreit blutig aus. Ein Gast hat dem Rosenverkäufer mit einem Schießkugelschreiber in den Kopf geschossen. Am 3. Oktober steht Behrens in der Lützowstraße, wo eine Prostituierte erschlagen worden war. „Und so ging das seitdem immer weiter.“

Aber eine Mörderin hat er bis 2004 nie gejagt. Während sich Behrens und seine Kollegen mit den Bankautomaten abkämpfen, arbeitet sich der Tatortspezialist der Fünften immer weiter in Baskes Wohnung vor, Zentimeter für Zentimeter, um jede Spur für das Gericht zu dokumentieren.

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Im Zimmer der Untermieterin angelangt, findet er unterm Schreibtisch einen Papierkorb, dessen Inhalt er schichtweise abträgt, bis er am Boden auf ein paar Schnipsel stößt. Aus dem Puzzle wird der Vordruck für eine Überweisung mit der gefälschten Unterschrift von Christian Baske. „Her… … rco Lukasc…“, ist noch zu entziffern. 300 Euro, 5.9.04.

Herr Marco Lukasch ist 14 Jahre alt, lebt in einer WG für betreutes Wohnen – und scheidet als Verdächtiger aus. Als die Polizei aber den Nachbarn ein Foto seiner Mutter Tatjana zeigen, erkennen sie die abgetauchte Untermieterin wieder.

Am 28. September beobachtet eines der eingesetzten Observationsteams Tatjana Lukasch, während sie in der Ladenzeile des S-Bahnhofs Friedrichstraße mit Baskes Bankkarte 250 Euro abhebt. Sie lässt sich widerstandslos festnehmen.

Die Beschuldigte zeigt keine Reue. Im Prozess sagt der Gerichtsmediziner, dass das Opfer, verpackt im Schrank, vermutlich noch mehrere Stunden lebte, während Lukasch das Zimmer putzt und die Tür mit einem Silicon-Zahnpasta-Gemisch abdichtet. Am 16. September unterschreibt sie einen neuen Mietvertrag. Mit Baskes Geld bezahlt sie Möbel, die erste Miete und eine Kaution.

Endlich gibt es ein Überwachungsvideo. Doch es regnete so stark, dass die Person kaum zu erkennen ist.
Endlich gibt es ein Überwachungsvideo. Doch es regnete so stark, dass die Person kaum zu erkennen ist.

© Gestaltung: Tagesspiegel/ Schuber; Foto: Polizei Berlin

Frauen sind, das erleben Ermittler fast jeden Tag, wenn es um Mord und Totschlag geht, meist als Opfer betroffen. Sind sie selbst beschuldigt, lesen sich viele Geständnisse wie Geschichten des Elends, die von häuslicher Gewalt erzählen, Missbrauch, Alkohol und Drogensucht. „Es handelt sich oft um situative, fast affektive Taten“, sagt Behrens, die aufgrund der Umstände selten als Mord und mit lebenslangen Freiheitsstrafen geahndet werden. Oder Verzweiflungstaten junger Frauen, die, von der Geburt traumatisiert, ihren Säugling getötet haben. Mütter, die des Lebens müde, ihre Kinder mit in den Tod nehmen.

Unter den 125 Tatverdächtigen, die 2020 in Berlin einen Menschen umgebracht oder es versucht haben, waren zwölf Frauen. Drei weibliche Angeklagte mussten 2018 wegen Totschlags ins Gefängnis, eine 2019, keine einzige im Jahr 2020.

Es ist kein Gewissen, kein Mitgefühl zu erkennen

Wegen Mordes wurde 2015 eine Frau, die Mutter eines Pferdewirtes, verurteilt. Weil über das Vorleben und Wirken der Berliner Strafgefangenen wenig bekannt ist, haben drei Doktoranden 2014 aus dem Institut für Forensische Psychiatrie der Medizinischen Fakultät der Charité die Gefangenenakten der mit lebenslanger Haft Einsitzenden ausgewertet.

Auf exakt 100 Männer kamen in Berlin fünf verurteilte Frauen. Tatjana Lukasch sitzt, als die Daten erhoben werden, seit zehn Jahren in Haft und ist die mit Abstand jüngste Mörderin in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow. Die meisten Frauen hatten ihre Taten mit über 50 Jahren begangen.

Bei fast allen Täterinnen stand ein finanzielles Motiv im Vordergrund. Die Frauen töteten wie Lukasch aus Habgier oder um einen Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung zu verdecken. Die meisten Opfer waren ältere oder schwächere Menschen.

Das Treiben der einzigen Serienmörderin unter den Berliner Lebenslänglichen blieb lange unentdeckt. Die Charité-Krankenschwester tötete in den Jahren 2005 und 2006 auf der kardiologischen Station mindestens fünf Menschen mit Medikamenten.

Während sie in der Untersuchungshaft auf ihren Prozess wartet, bekommt Tatjana Lukasch Besuch vom psychiatrischen Sachverständigen. Er trifft auf eine „isolierte, unsichere und gefühlsarme Frau, die wenig Rüstzeug hat mit Konflikten umzugehen“. Seit frühester Kindheit fresse Lukasch Probleme in sich hinein, habe in „ihrer ichbezogenen Einzelkämpferhaltung“ nur sehr begrenzt Zugang zu menschlichen Regungen wie Gewissen oder Mitgefühl.

Mit zwölf Jahren vergewaltigt sie ein Erzieher

Dem Psychiater erzählt sie, 1967 im Erzgebirge geboren, von ihrem Leben in einer sonderbaren Teilnahmslosigkeit. „Meinen leiblichen Vater habe ich nie kennengelernt, ich weiß nichts von ihm. Von Mutter kenne ich nur den Namen, ich war bis zum fünften Lebensjahr bei ihr. Sie hat im Kuhstall gearbeitet. Wir wohnten in einer Kleinstadt bei Aue auf einem Bauernhof. Ob sie mich lieb gehabt hat? Sie hat mich einmal gedrückt, bevor ich ins Heim kam.“

Tatjana Lukasch ist 2014 die mit Abstand jüngste Mörderin in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow.
Tatjana Lukasch ist 2014 die mit Abstand jüngste Mörderin in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Pankow.

© Gestaltung: Tagesspiegel/Schuber; Foto: Imago Images

Weggeschickt wird das Kind, weil die Mutter wegen Totschlags für 17 Jahre ins Gefängnis muss. Mit ihren Pflegeeltern kommt Tatjana nicht aus, muss zurück ins Heim, wo sie mit zwölf Jahren ein Erzieher vergewaltigt. Sie absolviert eine Lehre zur Zwirnerin, muss wegen „Arbeitsbummelei“ in einen Jugendwerkhof in Crimmitschau.

„Wie ich meine Kindheit insgesamt einschätze? Es ging so, man hat sich damit abgefunden, man hatte keine andere.“

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Mit 18 zieht sie nach Lübben, Spreewald, um in einer Konservenfabrik zu arbeiten. Im April 1988 wird ihre Tochter geboren. „Ich hatte einen Arbeitskollegen kennengelernt, ein Jahr älter. Ich wurde schwanger, das hat ihn nicht interessiert.“ Ihr Sohn Marco, er kommt im Februar 1990 zur Welt, hat einen Polizisten aus Berlin zum Vater. Er zahlt Unterhalt, doch Lukasch bleibt alleinerziehend.

Als die Mauer fällt, fällt auch Lukasch ins Bodenlose. Sie verliert ihre Arbeit und bald jeden Kontakt zu ihrer Tochter, die wegen Erziehungsproblemen ins betreute Wohnen zieht. Im Juni 2001 kommt sie mit Marco nach Berlin, wo sie keinen festen Job findet.

Als sie im November 2002 den Zwölfjährigen grün und blau schlägt, kommt auch der Junge ins betreute Wohnen. Sie jobbt als Anstreicherin, für eine Recyclingfirma, verlegt Fußböden.

Er sei ein fauler Hund gewesen. Alles war dreckig

Im Mai 2003 missbraucht ein Fremder Marco im Park, zwingt den Jungen zum Oralverkehr. Ein paar Monate später darf er zur Mutter zurück. Doch bald streiten die beiden wieder heftig. Marco ist jetzt 14, als er handgreiflich wird, wirft sie ihn aus der Wohnung. „Er hatte sich nicht mehr gewaschen, keine Lust zu lernen. Ich hatte ihm eine Ohrfeige gegeben.“ Der Junge kommt in eine Kriseneinrichtung. Im Juli 2004 zieht Lukasch in der Sembritzkistraße ein.

Über ihren Vermieter hat Lukasch wenig Schmeichelhaftes zu berichten. Er sei ein fauler Hund gewesen. „Alles war dreckig, hat gestunken. Ich habe saubergemacht, aber er hat alles stehen und liegen lassen. Es war verwahrlost, eklig.“ Während sie händeringend Arbeit suchte, hatte er erklärt, dass er nicht viel mehr brauche als seine Arbeitslosenhilfe. Außerdem sei er pädophil gewesen. Die Ermittler haben seine Fotos, Dokumente, Computer und Handy ausgewertet, sagt Behrens. „Aber dafür gab es überhaupt keinen Anhaltspunkt.“

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Es wird nie geklärt, woher die Axt stammt, mit der Lukasch ihrem Vermieter den Schädel einschlug. Die Angeklagte sagt, dass sie diese in der Kammer gefunden habe, aus Wut auf Baske losgegangen sei, als er über ihre Vorwürfe nur gelacht habe. Eine reine Schutzbehauptung, befinden die Richter. „Sie brauchte Geld, um für den Sohn Geschenke und Kleidung zu kaufen.“

Am 18. März 2005 erhebt sich die Angeklagte, bleich und mit dunklen Augenrändern, im Berliner Landgericht, um vom Vorsitzenden ihr Urteil entgegenzunehmen: lebenslange Haft wegen Mordes in Tateinheit mit Computerbetrug in 16 Fällen. „Die sichergestellte Axt wird eingezogen.“

*Die Namen der Opfer und der Täter wurden in diesem Text geändert

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