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Mütter im Stress (Illustration)

© Verena Schulz für den Tagesspiegel

Stress, Stress, Stress! : Müssen erst Väter klagen, damit sich für Mütter was verbessert?

Zu wenig Kita-Plätze, zu viel Sorgearbeit, fehlende Anerkennung, kein eigenes Geld: Frauen mit Kindern beklagen seit Jahren dieselben Probleme. Und müssen erkennen, dass ihre Bedürfnisse kaum zählen.

Ein Zwischenruf von Ariane Bemmer

Muttertag – nach was klingt das? Nach Hängematte, Kinderlachen und Spaß oder nach Sorgenfalten, Müllrausbringen und folierten Schnittblumen? Man neigt dem unangenehmen Teil der Aufzählung zu, denn es ist so trist wie wahr: Das Muttersein ist in öffentlicher Wahrnehmung und Darstellung zu einem so glanzlosen wie umfassenden Problem geworden.

Mütter sind in aktuellen Debatten fast ausschließlich dauergestresste arme Würstchen, die unter Sorgearbeit und „Mental Load“ leiden, die körperlich und seelisch ausgezehrt sind, und die, wenn sie kurz mal den Kopf aus den Wäschebergen heben, gesellschaftliche Anerkennungsdefizite registrieren und drohende Altersarmutsszenarien.

Am Muttertag sollen Angehörige diese Misere durch ein „Danke, Mama“ ein bisschen kompensieren, was den Mamas selbstredend kein bisschen hilft, sondern nur der angeschlossenen Grußkarten-, Pralinen- und Blumenindustrie.

Dass Mütter Besseres verdient haben, ist vermutlich Konsens. Was könnte helfen? „Mehr Entlastung!“, rufen sie. Nur wie? Die häufigsten Forderungen adressieren Verfügbarkeit von Kita-Plätzen, flexiblere Arbeitszeitmodelle oder die Möglichkeit zu Teilzeitkarrieren.

Wer will Teilzeit ausbauen, wenn er Vollzeitkräfte bräuchte?

Das mag theoretisch mal ein Ansatz gewesen sein, aber inzwischen herrscht Arbeitskräftemangel in Deutschland. Was nützen neue Kitas, wenn schon die bestehenden händeringend nach Personal suchen, wer will Teilzeit ausbauen, wenn er Vollzeitkräfte bräuchte?

Statt dass Mütter um Entlastung durch die Restgesellschaft ersuchen können, will die Restgesellschaft vielmehr von ihnen, dass sie sich verstärkt an den Werkbänken der Nation nützlich machen. So eklatant ist die Mangellage, dass die aktuelle Regierung sich eine entsprechende Anstrengung in ihrem Koalitionsvertrag notiert hat.

Ein weiterer Wunsch aus dem Jammertal des Mutterseins ist der nach mehr Anerkennung für das, was da tagtäglich zwischen Küche und Kinderzimmer geleistet wird. Und sollte nicht wenigstens das machbar sein?

Woher kommt die latente Geringschätzung, die – früher nur im Westen, seit der Wiedervereinigung im ganzen Land – mütterliche Existenzen begleitet? Es liegt nahe, den Grund am fehlenden Geld festzumachen. Motto: Wer nichts verdient, verdient auch nichts. 

Die Vorbildlichkeitsassoziationen sind auf die Väter übergesprungen: Arbeitende Väter gelten im Vergleich zu kinderlosen Männern als sozial kompetenter.

Ariane Bemmer

Darum lautet ein Gegenrezept, macht aus dem Muttersein einen Beruf und zahlt Müttern ein Gehalt. Einbezüglich aller mütterlichen Koch-, Betreuungs-, Fahrdienst-, Putz-, Sekretariats- und Coachingstunden sei ein Jahressalär von stattlichen 70.000 Euro angemessen, hat das Online-Dienstleistungsportal Starofservice berechnet.

Manche wollen Muttersein als Beruf mit Gehalt

Mutter als Beruf mit ordentlichem Gehalt? Illusorisch, na klar. Abgesehen von bürokratischen Detailfragen etwa danach, wer’s zahlt und ob es ein Einheitsgehalt gibt oder Gehaltsstaffelungen entlang von Zielvorgaben und Erfolgen? Welchen? Schulnoten, Sportlichkeit oder sozialer Kompetenz? Man wäre schnell in Teufels Küche. Ebenso bei der Vorläuferfrage, ob der Beruf Mutter wie alle anderen Berufe auch ein Anforderungsprofil haben dürfte.

Und so taugt die „Mutter als Beruf“-Forderung vor allem für die plakative Zurschaustellung der mütterlichen Leistungen und deren Zeit- und Kraftraubpotenzial. Wenn man das auf die Zahl von 15,3 Millionen Kindern unter 18 Jahren in Deutschland hochrechnet, kommt eine gigantische Zahl an potenziell überlasteten Müttern zusammen. Was dann aber auch schon wieder erklärt, warum es trotz dieser vielen „Betroffenen“ nie zu einer schlagkräftigen Mütterlobby gekommen ist: Sie sind alle viel zu k.o..

Dass der Muttertag heute vor allem die Frauen in Beziehung zu ihren Kindern in den Mittelpunkt stellt, ist Ergebnis einer Wandlung. Als er in Deutschland erstmals vor 100 Jahren gefeiert wurde, sei es noch um die Wertschätzung und Preisung der Mütterlichkeit als „soziales Prinzip“ gegangen, sagt Historikerin Ute Frevert. Es ging beim Stichwort Mutter um Fürsorge im Allgemeinen, die der „gesamten Gesellschaft zugute“ gekommen sei.

Von diesem Heiligenschein ist kaum noch etwas übrig. Die Vorbildlichkeitsassoziationen sind auf die Väter übergesprungen: Arbeitende Väter gelten im Vergleich zu kinderlosen Männern als sozial kompetenter. Sind Väter mit ihren Kindern unterwegs oder zu deren Hege und Pflege zu Hause, entzückt das als Liebesbeweis. Kümmern Väter sich über die Kinder hinaus auch noch um gebrechliche Eltern oder gar Schwiegereltern, werden sie mit Alltagshelden-Orden behängt und in Talkshows eingeladen.

Machen Mütter dasselbe, gelten sie an der Job-Front als egoistisch, am Herd schlimmstenfalls als natürlich-richtig verortet, und wenn sie unter der Last von Kinder- und Elternpflege vor der Zeit zusammenbrechen, haben sie selbst schuld.

Statt nun aber vor diesem Hintergrund den Muttertag zum Anlass zu nehmen, die Notwendigkeit von Veränderungen im Muttersein zu einem wichtigen gesellschaftlich-politischen Ziel zu erklären und über machbare strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten zu debattieren, richtet sich der Fokus auf die Vielfalt an der Sorgefront.

So fragte etwa der MDR, ob der Muttertag schon vom Namen her geeignet sei, „die Erziehungsleistungen von Vätern und Transmenschen zu würdigen“. Und eine katholische Kita geriet mit dem Satz „In der heutigen Zeit, in der die Diversität einen immer höheren Stellenwert erhält, möchten wir diese vorleben und keinen Menschen ausschließen“ in die Schlagzeilen, denn mit dem hat sie in einem Offenen Brief an die Eltern begründet, warum künftig keine rollentypischen Mutter- oder Vatertagsgeschenke mehr gebastelt würden.

Das ist zwar nach Interventionen von Kirche und CDU schnell wieder zurückgenommen worden, aber die Frage bleibt: Wird sich für den Alltag von Müttern erst etwas ändern, wenn auch Väter und Transmenschen unter den Doppel- und Dreifachzumutungen ächzen?

Besser spät als nie, mögen manche denken. Aber für die Frauen müsste sich damit die bittere Einsicht verbinden, dass sie und ihre Erfahrungen und Bedürfnisse in diesem Land auch weiterhin nicht wirklich zählen.

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