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Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© picture alliance / photothek/Florian Gaertner

Steuergelder für Styling von Politikern : Warum wir für Merkels Make-up zahlen

Politiker geben Millionen für Fotografen, Friseure und Visagisten aus. Ist das Steuerverschwendung? Die Empörung darüber können wir uns abschminken.

Eine Glosse von Hannes Soltau

Bayreuth, 20 Uhr, prasselnder Regen. Die Frisur sitzt. Vor wenigen Tagen absolvierte Angela Merkel im grün-türkis-schimmernden Zweiteiler ihren alljährlichen Besuch bei den Wagner-Festspielen. Ob ihre Stylistin mitgereist war, ist nicht bekannt. Wohl aber, dass das Bundeskanzleramt dem Tagesspiegel mitteilte, dass seit Merkels Ausscheiden aus dem Amt 57.000 Euro Kosten für Kosmetik und Frisur angefallen sind. Für den Bund der Steuerzahler eine Summe, die „kaum zu vermitteln“ ist.

Voreilige Empörung sollten wir uns aber abschminken und einander tief in die mit Eyeliner umrandeten Augen schauen: Denn wir sind alle in den Inszenierungszwang verstrickt.

Das Erscheinungsbild wird in der Politik immer wichtiger. Die Bayerische Staatskanzlei unter Markus Söder zahlte 2022 knapp 180.000 Euro an Fotografen. Mehr als das Zwanzigfache im Vergleich zum Vorgänger Horst Seehofer. Rund 1,5 Millionen Euro gaben die Politiker der Ampel-Koalition 2022 für Aufnahmen, Friseurinnen und Visagisten aus. 80 Prozent mehr als die Große Koalition zuvor. Wahlplakate sind heute parteiübergreifend weichgezeichnet und konturiert. 

Attraktivität bringt Wahlerfolge

Fast ist man dankbar, wurde man doch von der Ästhetik der Volksvertreter hierzulande nicht immer verwöhnt. Abgesehen vom blendend aussehenden Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Kosten für sein Styling: unbekannt. Kosten für seine gescheiterte Pkw-Maut: 243 Millionen Euro.

Fast ist man dankbar, wurde man doch von der Ästhetik der Volksvertreter hierzulande nicht immer verwöhnt.

Hannes Soltau

Bei Scheuer war der sogenannte Heiligenschein-Effekt zu beobachten: Ein attraktives Erscheinungsbild überträgt sich auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit und den attestierten Sachverstand. Dieser Effekt nimmt nachweislich zu.

Forscher an der Universität Düsseldorf untersuchten den Zusammenhang zwischen Attraktivität und Wahlerfolg. Das Ergebnis ist Rouge auf den Wangen der Politiker: Aussehen hat einen größeren Einfluss auf den Erfolg als Kompetenz. Was Ex-Kanzler Gerhard Schröder als Erster verstand, als er im Brioni-Anzug gehüllt gegen Medienberichte vorging, die behaupteten, dass er sich die Haare färbe.

15,8 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2022 für Kosmetik und Pflegeartikel aus. Ein Sechstel unserer Lebenszeit opfern wir unserem Aussehen. Fassen wir uns also an die eigenen gepuderten Nasen und gestehen uns ein: Unsere Hochglanz-Republik duldet schon lange keine Pickel, Falten und Augenringe mehr. Bei niemandem.

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