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Härtere Zeiten. Beim RBB müssen Erträge und Ausgaben wieder zur Deckung gebracht werden

© dpa / Foto: Carsten Koall

RBB hat über seine Verhältnisse gelebt: Zeitenwende

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg muss 41 Millionen einsparen. Auch die Programme könnten betroffen sein.

Jedem seine Zeitenwende, also auch dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Die öffentlich-rechtliche ARD-Anstalt sieht sich herausgefordert, zunächst finanziell wieder in die Solidität zurückzufinden. In den Jahren und insbesondere im Finale der fristlos entlassenen Intendantin Patricia Schlesinger hat der RBB deutlich über seine Verhältnisse gelebt.

Beim Pressegespräch am Donnerstagabend wurden Schaubilder unter der Überschrift „Analyse und Kassensturz“ gezeigt. Schon das erste belegt die Dramatik der Situation: „Das Kosten-Niveau des rbb steht nicht im Verhältnis zur Ertragssituation und muss deutlich abgesenkt werden.“ Bei der Liquidität geht laut Planung bis zum Ende der Beitragsperiode runter auf vier Millionen Euro, 2016 waren es noch 160 Millionen. Und wie zum Grusel der anwesenden Medienjournalistin versäumte es Claus Kerkhoff, Leiter der Hauptabteilung Finanzen, nicht, eine Projektion bis Ende 2028 vorzuführen: die Liquidität des Senders stünde dann bei minus 174 Millionen Euro. Unzweifelhaft wird die Schere zwischen Ertrag und Aufwand des mit jährlich fast einer halben Milliarde Einnahmen finanzierten RBB<TH>weiter öffnen.

Claus Kerkhoff wies darauf hin, dass er die Geschäftsleitung in der Ära Schlesinger wieder und wieder und mit zunehmenden „Bauchgrimmen“ auf die sich stetig verschlechternde Finanzlage aufmerksam zu machen suchte. Erkennbar vergeblich, unter der Anleitung von Schlesinger wollte der Sender sich blähen, weiten, größer machen als es die Erträge zulassen. So wurde Redaktion und Produktion des „Mittagsmagazins“ vom Bayerischen Rundfunk übernommen, die fiktionalen Muskeln angespannt, zuletzt wollte Schlesinger mit „tagesschau24“ einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal etablieren. Der Geltungsdrang – siehe nur das fragwürdige Projekt eines digitalen Medienhauses mit wohl mehr als 200 Millionen Euro Kostenaufwand – des Schlesinger-Regimes war enorm und führte, als Verschwendung und mögliche Vetternwirtschaft ruchbar wurden, zum unrühmlichen Abgang. Dabei nicht zu vergessen: Das System Schlesinger kannte zahlreiche Systemlinge, sprich Profiteure, und was die Aufsichtsgremien in dieser Ära als ihre Aufgabe sahen, bedarf noch der Aufklärung via Selbstbefragung.

Katrin Vernau, Interimsintendantin beim RBB, wird um Kürzungen im Programm kaum herumkommen
Katrin Vernau, Interimsintendantin beim RBB, wird um Kürzungen im Programm kaum herumkommen

© dpa/Christophe Gateau

Tempi passati. Jetzt ist die „schwäbische Hausfrau“, wie sich Interimsintendantin Katrin Vernau ironiefrei selbst bezeichnet, gekommen. Eine ausgewiesene Ökonomin, eine Expertin für Zahlen, Daten und Fakten, von der Verwaltungsdirektion des Westdeutschen Rundfunks für wahrscheinlich zwölf Monate an die Spitze des RBB gewechselt.

Wir können nicht mehr ausgeben als wir einnehmen

Katrin Vernau

Vernaus Mantra lautet. „Wir können nur ausgeben, was wir einnehmen.“ Das kann nicht ohne Folgen für Haus und Belegschaft, zumal die erste Herausforderung darin besteht, bis Ende der Beitragsperiode 2024 41 Millionen einzusparen. Diese Rücklage nach jeweiliger Finanzkraft ist von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) allen öffentlich-rechtlichen Anstalten auferlegt worden, damit eine mögliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 18,36 Euro von 2025 an abgepuffert werden kann. Alle Sender werden die Rücklagen bis Ende 2024 gebildet haben – was auch den RBB unter Druck setzt, dies zu schaffen. Es gilt, das Image des „ARD-Schmuddelkindes“ abzustreifen. Wo aber sparen? Vernau kündigte zunächst an, dass freiwerdende Stellen nicht wieder besetzt werden sollen. Nur ein kleiner, aber symbolischer Beitrag: Die AT-Kräfte verzichten auf Boni-Zahlungen, das macht 400.000 Euro im Jahr. Wer so heftig sparen will, der kommt um den Sinn und Zweck einer Rundfunkanstalt nicht herum: das Programm.

Die Intendantin gab sich in dieser Frage mehr schweigsam als beredsam, bis Ende Januar 2023 sollen die detaillierte Planungen stehen. In ihrer Tour d’horizon ließ Vernau erkennen, wo Chancen bestehen: Muss das RBB-Fernsehen tatsächlich 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche senden, sollten sich die neun ARD-Sender nicht überlegen, ob „jeder wirklich einen Qualitätsvergleich anstellen muss, wer das bessere Olivenöl anbietet: Lidl oder Aldi?“ Reduktion trifft auf Synergie, so Vernaus erste Überlegungen.

Auch soll der RBB<TH>genauer ins Auge fassen, wofür diese Region in Deutschland steht. Wissenschaft sei doch ein Asset, womit die Hauptstadt glänze, meinte Vernau, also könne dieses Prädikat auch in den Medien des RBB glänzen. Die Vertreterinnen und Vertreter der RBB-Rechercheteams zogen bei diesen hochfliegenden Plänen die Augenbrauen hoch, denn die Wissenschafts-Berichterstattung im Sender ist schon von den Ressourcen her nicht sehr schlagkräftig aufgestellt. So werden sich beim RBB Abbau und Umbau mischen. Zeitenwende eben.

Beratervertrag für Singelnstein

NDR- und RBB-Journalisten berichteten unterdessen über den Beratervertrag, den Ex-RBB-Chefredakteur Singelnstein und der Sender geschlossen haben. Singelnstein äußerte sich dazu nicht. Laut RBB war der Chefredakteur-Vertrag für eine Laufzeit von 2018 bis 2023 geschlossen worden. Als Singelnstein den Sender mit 65 Jahren vorzeitig verlassen habe, sei das Arbeitsverhältnis aufgehoben worden, zugleich wollte sich der Sender die Expertise Singelnsteins via Vertrag sichern. Landesrechnungshöfe prüfen derzeit die wirtschaftliche Situation des Senders und verschaffen sich auch einen Überblick über Beraterverträge seit 2017.

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