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Per Hand, per Computer, per App oder mündlicher Erzählung: Es gibt viele Wege, Lebenserfahrungen zu bewahren.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Rückblick schafft Durchblick: Das eigene Leben aufschreiben

Besonders im Alter empfinden viele das Bedürfnis zurückzublicken, Erfahrungen zu bewahren und an die Nachkommen weiterzugeben. Drei Methoden, wie das gelingen kann.

Eigentlich braucht es nur einen Stift und einen Block Papier oder einen Laptop, um das eigene Leben aufzuschreiben. Um festzuhalten oder auch schreibend herauszufinden, wie man geworden ist, der man ist – damit diese einzigartige Lebensgeschichte zumindest für die eigene Familie zugänglich wird und bleibt.

Vor allem aber braucht es Zeit und Ruhe. Und genau daran mangelt es womöglich das ganze aktive Berufs- und Familienleben hindurch. „Die meisten Menschen verspüren erst wenn sie in Rente gehen das Bedürfnis zurückzublicken und ihr Leben aufzuarbeiten“, sagt Biografie-Expertin Katrin Rohnstock. Sie nennt das „die erste biografische Phase“. Auch dann, mit Mitte 60, überwiegen aber oft noch die äußeren Anreize und Verpflichtungen.

„Richtig ernst“ werde es meist erst mit Ende 70, sagt Rohnstock. Denn dann ist klar: Irgendwann werden die Kinder, Enkel, Neffen, Nichten nicht mehr nachfragen können, wie es damals war, im oder nach dem Krieg, in den Aufbaujahren; sie werden auch nicht googeln können, wie Vater und Mutter sich kennengelernt oder getrennt haben oder warum sie sich für ihren jeweiligen Beruf entschieden haben.

Schreiben lassen, selbst schreiben oder per App

Also ran. Wer seine ganz persönliche Lebensgeschichte dokumentieren möchte – ohne damit das Ziel einer Veröffentlichung oder gar Bestsellers zu verfolgen –, kann die Aufgabe auf unterschiedliche Weise angehen. Drei Methoden seien hier vorgestellt: Schreiben lassen, selbst schreiben oder per App.

Katrin Rohnstock, Gründerin von Rohnstock Biografien.

© Ina Schoenburg

Katrin Rohnstock hat mit ihrem Berliner Unternehmen „Rohnstock Biografien“ ein eigenes Verfahren entwickelt. Die Kunden erzählen aus ihrem Leben, und ein „Autobiografiker“ aus Rohnstocks Team schreibt daraus eine gut lesbare Lebensgeschichte.

Der Prozess – Gespräche, Transkribieren, Strukturieren, Schreiben, Besprechen, Überarbeiten, Lektorieren, Fotos ordnen, Layouten – kann sich über ein Jahr hinziehen. Am Ende steht ein hochwertiges Buch. „Uns ist wichtig, dass das Buch ein schöner Gegenstand ist, den man wie ein Schatzkästlein behandelt und von Generation zu Generation weitergibt“, sagt Rohnstock.

In letzter Zeit haben wir zunehmend Anfragen von Menschen mit Migrationshintergrund, die die Einwanderungsgeschichte ihrer Eltern festhalten möchten.

Katrin Rohnstock, Biografie-Expertin

Für sie steht fest: Das Erzählen, der Rückblick aufs eigene Leben hat etwas Verbindendes und Heilsames. „Wir bohren nicht nach“, sagt sie. „Unsere Autobiografiker fragen sanft nach, wenn etwas unklar ist, aber sie drängen die Kunden nicht dazu, Dinge zu erzählen, die sie nicht erzählen wollen.“ Zu einer „Retraumatisierung“ könne es daher nicht kommen.

Rund 400 Bücher hat „Rohnstock Biografien“ in den 25 Jahren seines Bestehens herausgebracht, darunter viele Geschichten von Unternehmern und von Flucht und Vertreibung, etwa aus Ostpreußen oder Schlesien. „In letzter Zeit haben wir zunehmend Anfragen von Menschen mit Migrationshintergrund aus der zweiten oder dritten Generation, die die Einwanderungsgeschichte ihrer Eltern festhalten möchten.“

Schreibcoach Andreas Schuster verfolgt eine andere Methode. An ihn wenden sich Menschen, denen es gerade darum geht, selbst zu schreiben, im Schreibprozess Erfahrungen aufzuarbeiten, ihre Lebenserinnerungen selbst in eine Form – Formulierungen – zu bringen. „Sie möchten als Autoren selbst die Fäden in der Hand behalten“, sagt er. „Für viele ist das auch ein Einstieg ins Schreiben. Sie merken, wie gut man durch Schreiben Erfahrungen verarbeiten kann: Sortieren, Verarbeiten, Loslassen, Abschließen, Erkennen: Der Weg ist hier das Ziel.“

Auf seiner Internetpräsenz schreiben-und-leben.de gibt der 41-Jährige dazu viele Hinweise, er bietet Seminare im autobiografischen Schreiben und persönliche (Online)-Begleitung an. Für ein Paket von fünf Sitzungen mit Vor- und Nachbereitung berechnet Schuster 650 Euro, sein zweitägiges Seminar „Autobiografisch schreiben“ in Hamburg kostet 375 Euro. 

Erinnerung ist nicht auf Anhieb da

„Viele haben anfangs großen Respekt vor der Aufgabe und fragen sich, ob sie das schaffen können“, sagt Schuster. „Aber es gibt viele Techniken, auf kreative Weise in den Schreibprozess zu kommen.“ Dazu gehört auch, das Gedächtnis anzuregen, denn: „Die Erinnerung ist nicht auf Anhieb da. Vieles kann man aber über Gerüche oder bestimmte Gegenstände wieder hervorlocken.“

Die eigene Lebensgeschichte lässt sich heutzutage auch per App erzählen. Die Firma „Meminto“ bietet die Möglichkeit, ähnlich wie ein Fotobuch auch ein „Buch des Lebens“ selbst zu gestalten. Dabei entscheidet man sich für eine Buchvorlage und fügt Texte, Fotos, auf Wunsch auch Videos und Sprachnachrichten per QR-Code ein, angeregt und geleitet durch Fragen wie „Hast du dich immer gut mit deinen Geschwistern verstanden?“ oder „Welchen Rat würdest du deinen Urenkeln geben?“

Zu einem solchen Projekt kann man auch Freunde oder Familienangehörige einladen, die dann ihrerseits Fragen oder Erinnerungen beisteuern können – bis irgendwann, nach dem letzten Klick, das fertige Buch – 300 Seiten sind ab 139 Euro zu haben – im Briefkasten landet. 

Oder soll es doch auf herkömmliche Art und ganz ohne Unterstützung gehen? Dann heißt es: Stift, Papier oder Laptop nehmen, losschreiben, 30 oder 300 Seiten zum Copyshop bringen und binden lassen. Das Interesse und die Dankbarkeit der Beschenkten sind in jedem Falle gewiss.

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